Hype um Billigshop: Was steckt hinter Saramart?
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Schnäppchen ohne Ende verspricht die Plattform Saramart. Doch wo kommen die Produkte her?
© Quelle: Screenshot RND
Hannover. Das Internet hat einen neuen Lieblingsshop – und der verspricht Schnäppchen ohne Ende. Saramart heißt die Plattform, die dieser Tage insbesondere auf Tiktok die Runde macht. Hier zeigen vor allem junge Frauen in Dutzenden Videos ihre Shoppingausbeute: schicke Taschen, stylische Schuhe, hochwertig aussehende Accessoires. Mehrere zehntausend Male werden manche der Clips angesehen.
Nicht selten befinden sich unter den gezeigten Produkten auch teure Markenartikel. Eine Modebloggerin namens „Laura“ etwa zeigt Schuhe von Nike und eine Handtasche der Marke Guess, die sie angeblich auf der Plattform Saramart ergattert hat. Auch die Airpods-Kopfhörer von Apple hat die junge Frau offenbar von Saramart abgestaubt – und sogar Produkte von Luxusmarken zeigt „Laura“ in ihrem Video. Darunter eine Handtasche von Prada und eine von Louis Vuitton.
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In den Kommentarspalten zum Video überschlagen sich junge Modefans förmlich mit ihrer Euphorie: „Richtig geile Sachen“, jubelt „Melanie“, „Wow“, findet „Joela“ – und postet dazu drei Emojis mit Herzchen in den Augen. Viele bewegt vor allem die Frage, wie „Laura“ die Produkte denn auf der Plattform gefunden habe. Andere wollen wissen, wie lange der Versand dauert. Und: „Hattest du Probleme mit dem Zoll?“.
Influencer rühren die Werbetrommel für Saramart
Von Videos, wie dem von „Laura“, wimmelt es derzeit auf Tiktok. Die sogenannten „Saramart-Hauls“ haben sich zu einem ganz eigenen Genre entwickelt. Hobbyinfluencerinnen packen ihre Schnäppchen aus, geben Tipps, wie man die günstigsten Produkte auf der Plattform findet und wie es mit dem Versand lief – oder posten gleich die Links zu diesen in ihre Profilbeschreibungen. Offenbar für einige ein lukratives Geschäft: Saramart bietet ein sogenanntes Affiliateprogramm an, bei dem Influencerinnen und Influencer am Umsatz beteiligt werden, wenn sie mit Links auf Produkte hinweisen.
Allerspätestens beim zweiten Blick fällt aber auf, dass irgendetwas mit den Saramart-Produkten nicht stimmen kann. Die Apple-Kopfhörer, die „Laura“ präsentiert, schreien schon angesichts ihrer Verpackung nach Fälschung: Der typische Schriftzug des Unternehmens sieht hier völlig anders aus. Und dass Louis-Vuitton-Taschen, die eigentlich mehrere Hundert bis mehrere Tausend Euro Wert sind, auf einer Internetplattform für 30 Euro verramscht werden, ist auch nur schwer vorstellbar.
Was steckt also hinter Saramart? Und sollte man dort wirklich etwas bestellen?
Was ist Saramart?
Wirft man einen Blick auf die Website und App des Shops, so wirken beide zunächst vergleichsweise aufgeräumt und seriös – zumindest wenn man sie mit anderen Schnäppchenshops im Netz gegenüberstellt. Drei professionell designte Werbebanner begrüßen die Besucherin oder den Besucher direkt am oberen Rand der Startseite – sie alle weisen auf die neuen Frühlingskollektionen hin.
100 neue „Styles“ seien kürzlich hinzugefügt worden, heißt es da etwa. Ein anderes Banner weist auf die neuen Handtaschen hin, ein weiteres auf Sportkleidung. Darunter finden Besucherinnen und Besucher einen Ramschladen aller möglicher Produkte, die überhaupt nicht zueinander passen wollen – von der stylischen Sonnenbrille bis zur Push-up-Hose, die den Hintern betonen soll. Kaum eines der Produkte kostet mehr als 20 Euro.
Noch undurchsichtiger wird die Lage, wirft man einen Blick auf das Unternehmen selbst. Laut Selbstbeschreibung ist Saramart eine E-Commerce-Plattform für „Millionen hochwertiger Budgetprodukte, die Ihr Budget schonen“. Das Team des Unternehmens arbeite „hart daran, Ihnen die besten Angebote und tiefsten Rabatte anzubieten“. In einem weiteren Abschnitt schreibt Saramart dann wiederum von „qualitativ hochwertigen Produkten“ von den „vertrauenswürdigsten Unternehmen weltweit“.
Käuferschutz auf Saramart: Fehlanzeige
Die AGB der Plattform allerdings wirken alles andere als „vertrauenswürdig“. Dort heißt es etwa, Saramart behalte sich vor, „ohne vorherige Ankündigung ein alternatives Produkt gleicher Art, Qualität und Funktion zu ersetzen“. Mit anderen Worten: Wer bei Saramart bestellt, kann sich gar nicht sicher sein, dass wirklich das Produkt im Paket ist, das man auch bestellt hat.
In einem anderen Abschnitt erklärt Saramart, man behalte sich vor, „Bestellungen zu stornieren, falls Verkaufspreise, die unter den angegebenen Preisen liegen, durch staatliche Vorschriften festgelegt sind“. Und sollte eine Lieferung auf dem Transportweg verloren gehen, sieht sich Saramart auch nicht in der Verantwortung: „Die Lieferung an den Spediteur stellt eine Lieferung an den Käufer dar, und danach geht das Risiko des Verlusts oder der Beschädigung auf den Käufer über. Ansprüche des Käufers in Bezug auf Schäden während des Versands oder der Lieferung sind direkt an den Spediteur zu richten.“
Ebenso ist in den AGB festgelegt, dass sich Kundinnen und Kunden selbst um Steuern und Einfuhrgebühren kümmern müssen. Und sollte man bei Problemen einen Rechtsstreit gegen Saramart beabsichtigen, so verlangt das Unternehmen per AGB dafür eine Gebühr für die eigenen Anwälte.
Abenteuerliche AGB von Saramart
Auch der Weg der Warenrücksendung, sollte es überhaupt einen geben, ist undurchsichtig. Auf einer Unterseite mit der Überschrift „Kundendienst“ gibt es zwar einen Link zu einem Kontaktformular – der allerdings führt auf eine leere Seite. Immerhin eine E-Mail-Adresse ist unten auf der Startseite angegeben.
Auf einer FAQ-Seite wird erklärt, Saramart handele automatisch, sofern ein Artikel im Paket fehle und buche den Betrag aufs Konto zurück. Und wenn nicht? Ein angegebener Kontaktlink funktioniert auch hier nicht. Ist eine Lieferung beschädigt, so empfiehlt Saramart: „Kontaktieren Sie uns zuerst zurück, machen Sie einige klare Fotos des genauen Problems“ und „Wir prüfen Ihre Information und geben Ihnen eine zufriedenstellende Lösung“.
Mindestens genauso abenteuerlich lesen sich die Datenschutzbestimmungen des Unternehmens. Hier heißt es: „Wenn Sie sich die Software oder den Service nutzen, werden Sie die Software oder den Service nutzen. Sie können Ihre Einwilligung gehört breiter rufen“ – was auch immer das bedeuten soll.
Deutsche Zweigstelle in Frankfurt
Mit den Gesetzen der EU dürften weder die AGB noch die Datenschutzbestimmungen konform sein – müssen sie aber auch nicht. Seinen Hauptsitz hat Saramart laut Selbstbeschreibung in Hongkong – darüber hinaus gibt es aber auch eine Zweigstelle in London. Auf der Website ist auch eine Telefonnummer mit britischer Vorwahl angegeben. Ruft man sie an, erhält man wahlweise ein Freizeichen, ehe der Anruf abbricht – oder direkt eine Fehlermeldung auf Englisch: „Es war nicht möglich ihren Anruf zu verbinden, versuchen Sie es bitte später.“
Interessant: Offenbar hat Saramart aber auch eine Zweigstelle in Deutschland. Das Unternehmen verweist in seinem „Über uns“-Bereich auf die Dolaka International GmbH an der Frankfurter Lurgiallee. Die Firma gibt es tatsächlich: Offiziell ansässig ist diese in einem Geschäftsgebäude mit dem Namen „Merton‘s Mitte“ und betreibt laut Handelsregister Handel „mit Waren aller Art, vorwiegend Textilien, Accessoires und Schuhe“.
Eine Website, eine Telefonnummer oder eine anderweitige Kontaktmöglichkeit der deutschen Zweigstelle jedoch werden nicht angegeben. Stattdessen ein Hinweis in Großbuchstaben: Die Adresse sei ausdrücklich „NICHT für die Rücksendung“ vorgesehen.
Fake-Produkte von Luxusmarken
Zumindest eines muss man der Plattform lassen: Die Piraterieprodukte, die etwa Influencerin „Laura“ auf ihrem Tiktok-Kanal so offensiv bewirbt, findet man auf der Website aktuell nicht. Auf Saramart gibt es knappe Bikinis für 15,58 Euro, ein orientalisches Kleid für 60,70 Euro, ein lila Jogginganzug für 13,83 Euro, eine Schlaghose für 25,29 Euro und ein erotisches Nachtkleid für 9,54 Euro – Markennamen wie etwa Nike oder Louis Vuitton lassen sich über die Suchfunktion aber nicht (mehr) finden. Auch „Lauras“ Links sind inzwischen tot.
Stattdessen sind es eher billige Nachahmungen, die beworben werden. Direkt auf der Startseite etwa wird eine Uhr der Marke Wlisth angeboten, die optisch einer Rolex ähnelt. Zudem findet sich hier eine Brille unter dem Namen „Sonnenbrille Frauen Vintage Marke Designer“. Das Modell hat ein eingeritztes V auf dem Bügel, was offenbar den Modellen der Luxusmarke Versace ähneln soll. In den Bewertungen postet eine Nutzerin ein Foto einer Verpackung, auf der ebenfalls der Name Versace steht. Rund 250 bis 300 Euro kostet eine solche Brille auf der Website des Modeunternehmens – bei Saramart sind es 5,64 Euro.
Auch ein Oberteil mit dem Schriftzug der Modezeitschrift „Vogue“ fällt ins Auge. Es wird bei Saramart für 14,41 Euro verkauft – die Originalmarke selbst nimmt auf ihrer Webseite für ein solches Shirt 59 Euro. Für die Fotos auf der Seite wurde unübersehbar der Schriftzug mit einem Bildbearbeitungsprogramm in das T-Shirt eines Models montiert.
Das Wish-Phänomen
Der Hype um Saramart erinnert an frühere Trends dieser Art. Im Jahr 2020 war die Ramschplattform Wish zu einem regelrechten Internetmeme geworden. Dort werden die absurdesten Produkte zu Minipreisen angeboten – von Kameras über Bohrmaschinen und Uhren bis hin zu Sextoys. Auch hier stammten die meisten der verkauften Billigprodukte aus China. Verbraucherzentralen warnten seinerzeit vor fehlendem Käuferschutz.
Gleiches dürfte auch für Saramart gelten. Und besonders brenzlich wird es, ergattert man auf der Plattform tatsächlich Piraterieprodukte. Die Plattform „Anwalt.org“ erklärt dazu: „Bestellen Sie (...) Plagiate über das Internet, müssen Sie grundsätzlich mit Sanktionen rechnen, denn eine gewerbliche Nutzung lässt sich dabei nicht ausschließen.“ Auch müsse damit gerechnet werden, dass der Zoll die Produkte einbehält – das ausgegebene Geld wäre dann futsch.
Hinzu kommt noch ein weiteres Problem: Werden Textilprodukte für wenige Euro angeboten, so dürfte sich das auch in der Qualität wiederspiegeln. Im Google Play Store sind viele negative Bewertungen der Saramart-App zu finden – in einigen berichten Kundinnen und Kunden von Produkten, die „stark nach Chemie“ riechen würden. Zudem besteht das Risiko, dass die Kleidung in Asien zu Dumpingpreisen und unfairen Arbeitsbedingungen produziert werde.
Was Saramart zu all dem sagt, bleibt unklar. Neben mehreren missglückten Telefonanrufen unter der angegebenen Hotline wurde auch eine E-Mail-Anfrage an den Kundensupport bislang nicht beantwortet.