Ford baut um: Künftig will man auf Emotion und auf Volumen setzen
5,91 Meter voll elektrischer Innovation: Der F-150 Lightning.
© Quelle: Daniel Killy/RND
Der Kölner Autobauer Ford stellt sich neu auf und besinnt sich auf seine amerikanischen Wurzeln. Unter dem Begriff Abenteuergeist („Adventurous Spirit“) werden künftig die Ford-Fahrzeuge in vier Gruppen vermarktet. Damit sollten Emotionen geweckt und die Stärken der Marke endlich wieder hervorgehoben werden, sagte Christian Weingärtner, Geschäftsführender Direktor für Ford Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie Geschäftsführer Marketing und Sales der Ford-Werke GmbH bei der Vorstellung der neuen Unternehmensstrategie.
Abenteuerlich sei es eher, anzunehmen, man könne die Marktführer bei den Pkw in Europa, Volkswagen und Stellantis, erreichen, so Weingärtners Botschaft. Man habe zwar mit seinen Modellen die gleiche Qualität erreicht, aber niemals den gleichen Preis erzielen können wie VW. „Da können sie sich auch vor die Tür stellen und 100-Euro-Scheine verteilen – die werden sie auch schnell los“, so Weingärtner.
Die neue Firmenstrategie wurde, analog zum neuen Claim, auch nicht in einem Kongresszentrum verkündet, sondern in einem Zelt auf einer Alm mitten im Tiroler Winter. Man möchte nicht mehr hinterherlaufen, sondern vorweggehen bei der Fahrzeugentwicklung, so die klare Botschaft von Christian Weingärtner.
Christian Weingärtner bei der Erläuterung der neuen Ford-Strategie in abenteuergerechtem Umfeld in Kitzbühel.
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Der „Adventurous Spirit“, der das Ford-Portfolio umwehen soll, stand derweil in Gestalt von Mustang Mach-E, Bronco, Ranger und F-150 Lightning draußen im Schnee. Die vier Fahrzeuggruppen, die künftig die Ford-DNA transportieren sollen, heißen Wild Performance, Urban Escape, Active Adventure und Ultimate Outdoor – also ungezügelte Leistung, städtische Fluchten, aktives Abenteuer und ultimatives Outdoorerlebnis.
Die Einteilung scheint durchaus schlüssig. „An den Rändern (Wild Performance und Ultimate Outdoor, Red.) emotionalisieren und polarisieren wir mit dem Mustang, dem elektrischen Mach-E sowie Raptor, Lightning und Bronco, in der Mitte setzen wir auf Volumen“ – mit Fahrzeugen wie dem Kuga und Puma, aber auch etlichen Neuentwicklungen.
Das bedeutet: Mit Kultfahrzeugen wie den beiden Mustang-Sportwagen samt Cabrio, die durchaus rennstreckentauglich sind, sowie den Offroadern Bronco, Raptor und Lightning begeistert man Automobilfreaks, mit den praktischen Alltagsfahrzeugen für Familie und Beruf und fürs Pendeln zwischen Arbeitsplatz und zu Hause gibt es das Massensegment.
Weingärtner ergänzt: „In der Vergangenheit haben wir mal versucht, für 100 Prozent der Leute irgendwie so irgendwas zu sein. Damit hören wir auf, wir haben im Pkw-Bereich eben nur 5 Prozent Marktanteil. Deswegen hilft es uns auch nichts, wenn 100 Prozent der Leute uns okay finden. Es ist viel besser, wenn 10 Prozent der Leute uns lieben.“
Die Liebe, sie soll durch die amerikanischen Marktlieblinge Bronco, dessen neue Variante erstmals im kommenden Jahr nach Deutschland kommen wird, und den Pick-up Raptor aus der erfolgreichen Ranger-Familie entstehen und vertieft werden. Erstmals zeigte Ford in Österreich auch den US-Bestseller F-150 Lightning, den vollelektrischen Pick-up-Liebling der Amerikaner. Die mittleren Fahrzeugsegmente sind mehrheitlich für stadt- und reisekompatible Fahrzeuge aus dem Crossover- und SUV-Bereich reserviert.
Auf der Pritsche des F-150 Lightning gab’s mit Bordstrom hergestellten Glühwein und Maronen.
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Auch beim Thema Elektrifizierung geht Ford laut Weingärtner „all in“, also in die Vollen. „Die Zukunft von Ford ist elektrisch. Wir nutzen die Elektrifizierung, um uns mit den künftigen Produkten stärker vom Wettbewerb zu differenzieren“. So wolle man bis 2024 drei neue vollelektrische Pkw-Modelle und vier neue vollelektrische Nutzfahrzeug-Modelle in Europa auf den Markt bringen. Zwei dieser drei neuen Pkw – ein mittelgroßes, fünfsitziges Crossover und ein Sport-Crossover – werden ab 2023 beziehungsweise ab 2024 in Köln vom Band rollen. Am Traditionsstandort entsteht dazu eigens das Cologne Electrification Center (CEC), wo die neuen Elektrofahrzeuge gebaut werden.
Das dritte Modell wird die vollelektrische Version des Ford Puma, die ab 2024 im Werk Craiova (Rumänien) gefertigt werden soll. Apropos Tradition. Wer entschlossen voranschreitet, schaut ungern zur Seite oder zurück. Deshalb ist die Neuausrichtung bei Ford auch mit einem Massensterben unter den vertrauten Namen verbunden. Fiesta, Focus, Mondeo und S-Max werden eingestellt – der Fiesta, wie berichtet, bereits im kommenden Frühjahr.
Ab 2030 soll dann jedes Auto vollelektrisch angetrieben sein. Und die Emotionen, die will man auch mit den Strommodellen weiter wecken – getreu der neuen Kategorisierung.
Die Leute sollen keinen Ford mehr kaufen, „weil er billiger ist“
Christian Weingärtner fasst die neue Strategie zusammen: „Mir geht es nicht darum, das letzte Volumen zu jagen, denn wir werden den Volumenkampf gegen Stellantis und gegen die VW-Gruppe sowieso nicht gewinnen. Deswegen ist es für mich viel wichtiger, dass wir eine ordentliche Begehrlichkeit schaffen, dass wir eine ordentliche Markenwahrnehmung schaffen, wo die Leute halt nicht sagen, na gut, ich kaufe jetzt einen Ford, weil er halt billiger ist, sondern weil ich den geil finde.“
Weingärtners emotionale Kaufempfehlung verfängt jedenfalls schon einmal beim Ford F-150 Lightning. Der Elektro-Truck, der in den USA trotz Produktionsvervielfältigung stets ausverkauft ist, kommt wohl auf absehbare Zeit nicht nach Europa, zeigt aber, wie sexy ein elektrischer Offroader sein kann. Die F-Modelllinie ist in den USA die erfolgreichste Pick-up-Reihe – und die Stromversion schwimmt dort auf einer Erfolgswelle.
Seine erste Prüfung auf europäischem Boden jedenfalls bestand der Lightning mit Bravour. Mittels seiner bidirektionalen Ladefähigkeiten bot er Glühwein und heiße Maronen ab Bordnetz aus dem Heck an. Die 10-Kilowatt-Reserve des 5,91-Meter-Riesen ist im Alltag unter anderem in der Lage, ganze Häuser für bis zu drei Tage lang mit Strom zu versorgen.
Wir durften den Lightning, von dem Ford per Container zwei Exemplare nach Europa verschiffen ließ, nicht nur zur Glühweinherstellung kurz testen. Im verwöhnten Kitzbühel jedenfalls verdrehten die Leute sich die Köpfe nach dem Fahrzeug. Und schon nach wenigen Fahrminuten weckte der Wagen auch hinterm Lenkrad die Emotionen, die da in der Theorie beschworen wurden.
Mit seinen 580 PS fährt sich der Koloss, der knapp drei Tonnen wiegt, geschmeidig wie ein Kleinwagen. Allerdings hat man in der luxuriös ausgestatteten Fahrerkabine einen Ausblick wie aus dem zweiten Stock eines Hauses. Der rasante Hochsitz katapultiert dich in rund fünf Sekunden auf 100 km/h, das gemächliche Cruisen steht dem Lightning allerdings ebenso gut.
Das massive Heck des Lightning mit einem Ladevolumen von knapp 1500 Litern.
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Allein im Cockpit-Bereich sind zwei Steckdosen und zwei USB-Stecker verbaut. Praktisch und dynamisch in einem ist dieses futuristische Fahrzeug, oder, um es mit den Worten von Weingärtner zu sagen, „geil“. Der Abenteuergeist jedenfalls, er wird durch diesen Elektro-Truck ebenso wachgerüttelt wie durch den elektrischen Mustang oder die Verbrenner Bronco und Ranger Raptor – genauso wie die Freude an amerikanischen Fabrikaten. Jetzt muss nur noch das erfolgreiche (und elektrische) Volumen bei Ford folgen.