Ora Funky Cat: Überzeugt der E‑Stadtwagen aus China?
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Designanleihen quer durch die Autowelt: Der Ora Funky Cat, hier am Cabo da Roca, Europas westlichem Kontinentalpunkt, ist ein optisch ganz besonders gelungener Wagen.
© Quelle: Daniel Killy
Die Augen vom Husky, das Fell vom Dalmatiner – die Natur hat der Vielfalt der Hundemischlinge keine Grenzen gesetzt. Chinas 1984 gegründeter erster privater Autohersteller, GWM (Great Wall Motor Company), will die Herzen von Europas Autofahrerinnen und Autofahrern in Gestalt seines Ora Funky Cat mit einem ähnlich liebenswerten Mix erobern. Die Äuglein, sprich Scheinwerfer, vom Mini, die freundliche Schnauze alias Frontpartie von der Edelrasse Porsche, während die auf alt getrimmten, metallbewehrten Schalter im Innenraum wiederum auf eine Verwandtschaft zum Mini schließen lassen: Der Ora Funky Cat ist eine wahre Promenadenmischung.
Wie bei den tierischen Vorbildern ist auch der erste Eindruck des 4,24 Meter langen Autos: sympathisch, freundlich, zugewandt. Den Designern ist es gelungen, durch etliche Forassoziationen eine unmittelbare Vertrautheit zum Funky Cat herzustellen. Der kommt einem irgendwie bekannt vor, so der Reflex beim Erstkontakt. Dabei bietet der chinesische Elektrostadtwagen durchaus auch eigene Designelemente wie etwa die tiefliegenden schmalen Heckleuchten unter der keck geschwungenen Heckklappe oder die Schuppenelemente unterhalb der Scheinwerfer, die einen Blick auf das vermeintliche Reptiliengewebe des Funky Cat freigeben. Kleine, clevere Kniffe und eigene Kreativität, die aus einer multiplen Kopie ein individuell anmutendes Unikat machen.
Freundlich im Innenraum
Fairerweise muss aber gesagt werden, dass das Auto dabei nicht nur dem nach der perfekten Kopie strebt, sondern mit BMW und Mini kooperiert. Die Katze steht schon auf der Plattform, auf der der künftige Elektromini auch stehen wird.
Freundlich geht es auch im Innenraum weiter. Das Cockpit sieht wertig aus und ist selbsterklärend. Die analogen Kippschalter oberhalb der Mittelkonsole für häufig genutzte Funktionen wie Klimaanlage oder Frontscheibenbelüftung sind äußerst praktisch. Die Lenkung ist griffig und gleichzeitig leichtgängig und steuert den Wagen ohne großen Aufwand auch durch enge Kurven an Portugals Küste.
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Der Innenraum ist hochwertig gestaltet.
© Quelle: Copyright by Jan Greune
Die Verarbeitung ist tadellos, die Mischung aus edel und praktisch erinnert ein wenig an die Kleinwagenlegende Lancia Y. Navigation und 360-Grad-Kamera sind ebenso an Bord wie ein erstaunlich wuchtiges Soundsystem, das auch in der Lage ist, die etwas nachlässige Isolierung der Katze unterwegs zu kompensieren. Ähnlich zupackend ist übrigens auch die Massagefunktion der Vordersitze, die wirklich mehr als ein Gadget ist.
Great Wall Motor
Great Wall Motor Co., Ltd. (GWM) wurde 1984 gegründet und war Chinas erster privater Automobilhersteller. 2003 ging das Unternehmen, bei dem rund 80.000 Menschen arbeiten, an die Börse. Bislang populärste Marke von Great Wall ist Haval, die SUV vertreibt, in Europa unter anderem in Italien, Russland und der Ukraine. Nur für Elektrofahrzeuge gibt es die Marke Ora. Der Funky Cat ist der erste Ora, der nach Europa importiert wird. Im Laufe des Jahres soll noch die Limousine Lightning Cat folgen.
Freundschaft zwischen Cat und Kunde
So dynamisch wie er klingt und knetet, bewegt sich der Ora Funky Cat allerdings nicht. Zwar ist er als Elektrofahrzeug gewohnt agil, doch sportlich ist kein Attribut, das sich im Kontext mit der Funky Cat aufdrängt.
Wenn es um elektronische Hilfen an Bord geht, so wird zum Start in Deutschland noch kein Android oder Apple CarPlay zur Verfügung stehen. Das will man später nachliefern – over the air. Wenn man dann schon dabei ist, böten sich noch eine ganze Menge andere Optionen zum Nachbessern an. Besonders stolz ist man bei Ora auf das Sprachsystem, symbolisiert durch ein kleines, animiertes Männlein, das durch pfiffige Algorithmen Lebensgewohnheiten seiner Chauffeusen oder Chauffeure lernen können soll, etwa, welche Pizza sie gern bestellen oder welche Musik sie hören. So soll eine Freundschaft zwischen Cat und Kundin und Kunde entstehen, deren Individualität man bei PR- und Medienabteilung auch dadurch hervorhebt, dass die Presseerklärungen aus der Sicht des Autos geschrieben sind …
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Akustikingenieur: „Wie Elektroautos künftig klingen, werden unsere Kinder entscheiden“
„Brumm-brumm“, so umschreiben manche Kinder die Geräusche eines Autos. Wird sich das ändern, wenn immer mehr E-Autos unterwegs sind? Wie E-Auto-Sounds entstehen und Straßen in 20 Jahren klingen werden, haben wir Akustikingenieure gefragt.
Ein herrisches „Driver Monitoring System“
Eine clevere Idee wäre das – sofern denn das knubblige Strichmännchen, das sowohl durch Kindchenschema wie durch Impertinenz an die Teletubbies erinnert, Deutsch könnte. Der Bitte, die Heckklappe zu öffnen, wird dadurch entsprochen, dass bei Deezer ein Elektrosong angeschmissen wird. Die Klappe aber bleibt zu. Auch andere Versuche, mit dem Auto, das sich individuell benamsen lässt, ins Gespräch zu kommen, scheitern an einer unsichtbaren Sprachbarriere. Umso geschwätziger ist der Dienstleistungskobold dafür beim Navigieren. Schnittig, aber nicht sprachfest wird da etwa zum „Verlassen Kreisverkehr“ aufgefordert.
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Besonders störend ist die penible Überwachung durch das „Driver Monitoring System“.
© Quelle: Daniel Killy
Richtig zackig geht‘s zur Sache, wenn das „Driver Monitoring System“ aktiv wird. Es ist ja mittlerweile guter Brauch und teilweise auch schon gesetzliche Pflicht, etwaige Ablenkungen vom Verkehr oder Aufmerksamkeitsdefizite bis zum Ausfall durch Krankheit bei den Fahrenden zu messen. Für die Funky Cat haben die Programmierer aber einen allzu strengen Kontrolleur in das Kästchen links vom Lenkrad gesetzt. Ein kurzer Blick und Griff zur Wasserflasche führen dazu, dass man angeraunzt wird, sich nicht vom Verkehr ablenken zu lassen. Und so etwas gänzliches Unmoralisches wie ein kurzes Gähnen wird vom Fahrzeug gleich mit der harschen Aufforderung quittiert, an der nächstmöglichen Ausfahrt rauszufahren und sich zu erholen. Nein, vielen Dank, das lassen wir jetzt mal – und hoffen darauf, dass so manches, was uns als bessere Betasoftware präsentiert wurde, bald mit der Hardware des Funky Cat mithalten kann.
Übrigens: Dass nur 64kW Ladeleistung von der Batterie vorgegeben sind, störte uns bei den ausführlichen Testfahrten und dem spärlichen Verbrauch von 18,3 bis 20,7 kW auf 100 km nicht, da wir nicht laden mussten. Dass allerdings das Fahrzeug in Vollausstattung an die 50.000 Euro kosten soll (Startpreise ab 38.990 Euro), siedelt es in einem Segment an, wo man auf Anhieb fehlerfreie Software erwarten können sollte.