Johnson & Johnson beendet Aids-Impfstudie

Trickreiches HI-Virus: Könnte das Projekt „Impfstoff“ ein für alle Mal scheitern?

Der Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids ist global gesehen eine der größten medizinischen Herausforderungen.

Der Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids ist global gesehen eine der größten medizinischen Herausforderungen.

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Ein besonders aussichtsreicher Impfstoffkandidat gegen die Immunschwächekrankheit Aids schützt nicht ausreichend vor einer HIV-Infektion. Das gab der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson nach der Begutachtung von Daten der entscheidenden klinischen Studie bekannt. „Wir sind enttäuscht von diesem Ergebnis“, sagte die verantwortliche Forscherin Penny Heaton laut einer Mitteilung. Die Phase-3-Studie („Mosaico“), die die Sicherheit und Wirksamkeit des Vakzins untersucht, werde beendet.

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Hendrik Streeck war als HIV-Experte an der Studie am Rande beteiligt.

Hendrik Streeck war als HIV-Experte an der Studie am Rande beteiligt.

Dem HIV-Experten Hendrik Streeck zufolge, der an der Studie am Rande beteiligt war, hatte kein anderes Präparat so gute Aussichten gehabt. Die nun veröffentlichten schlechten Ergebnisse der Studie hätten die Suche nach einem Impfstoff „deutlich zurückgeworfen“, sagte Streeck, der das Institut für Virologie der Uni Bonn leitet. „Bis vor Kurzem habe ich noch gehofft, dass dieser Impfstoff funktionieren könnte.“ So hätten Affen eine sehr gute Immunantwort gegen das Virus gezeigt. Allerdings war im Jahr 2021 bereits eine Studie („Imbokodo“) zu einem ähnlichen HIV-Impfstoff gestoppt worden, das habe auch die Erwartungen in die „Mosaico“-Studie gedämpft.

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Pharmahersteller setzt auf Vektorimpfstoff

Der Impfstoff, dessen Studie indessen beendet wird, ist ein sogenannter vektorbasierter Impfstoff. Dabei wird ein abgeschwächtes Erkältungsvirus so verändert, dass es genetische Informationen für das HI-Virus in die menschlichen Zellen einschleusen kann. Diese stellen das Oberflächenprotein des Erregers dann selbst her und präsentieren es dem Immunsystem, das daraufhin schützende Antikörper produziert. Diese Impfstofftechnologie kommt auch bei den Corona-Impfstoffen zum Einsatz.

Getestet worden war der HIV-Vektorimpfstoff an rund 3900 Cis-Männern und trans Menschen, die Sex mit Cis-Männern und/oder trans Menschen haben. Sie stellen eine für HIV anfällige Personengruppe dar. Insgesamt vier Impfdosen hatten sie erhalten, verteilt über ein Jahr. Die Phase-3-Studie, die an mehr als 50 Standorten, darunter Argentinien, Italien, Spanien und den USA, durchgeführt worden war, hatte der Pharmakonzern Johnson & Johnson im Oktober vergangenen Jahres abgeschlossen.

Warum die Impfstoffentwicklung so schwierig ist

„Leider wieder kein Erfolg in Phase-3 Studie einer HIV-Vakzine“, kommentierte Leif Erik Sander, Impfstoffforscher an der Berliner Charité, die Studienergebnisse auf Twitter. „Für viele Erreger ist die Entwicklung schützender Impfungen relativ ‚straight forward‘. Bei Erregern, die darauf spezialisiert sind, das Immunsystem zu überlisten, ist es sehr viel schwieriger.“

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Genau solch ein trickreicher Erreger ist HIV. So komme das Virus in vielen verschiedenen Varianten vor und verändere sich vergleichsweise schnell, erklärte Streeck. Das macht es schwer, einen Impfstoff zu entwickeln, der auf breiter Front schützt. Außerdem habe das Virus eine besondere Oberfläche, an die durch den Impfstoff angeregte Immunstoffe vergleichsweise schwer angreifen können.

Es gibt aber noch eine weitere Herausforderung: Idealerweise müsste ein Impfstoff für eine komplett schützende, also sterile, Immunität sorgen. Eine kurzfristige oder leichte Infektion trotz Impfung ist hierbei nicht möglich, da das Virus direkt das Immunsystem angreift.

Kein Impfstoff, aber HIV-Medikamente vorhanden

Der Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids ist global gesehen eine der größten medizinischen Herausforderungen. Zuletzt steckten sich rund 1,5 Millionen Menschen pro Jahr mit HIV an. Wenn eine Infektion nicht behandelt wird, schwächt das Virus das Immunsystem so stark, dass lebensgefährliche Krankheiten auftreten. Man spricht dann von Aids (Erworbenes Immunschwäche-Syndrom).

Zwar gibt es für Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko mittlerweile Medikamente, die vor einer Ansteckung schützen (PrEP). Dabei wird eine tägliche Einnahme empfohlen. Zudem gibt es Arzneimittel, die bei infizierten Menschen die Vermehrung des Virus hemmen, sodass die Krankheit Aids nicht ausbricht. Einen Impfstoff gegen HIV gibt es indes noch nicht.

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Fauci: „Es gibt andere strategische Ansätze“

Ist das Projekt „HIV-Impfstoff“ nun ein für alle Mal gescheitert? Die Nachricht von Johnson & Johnson sei „enttäuschend“, sagte Anthony Fauci, der bis Dezember vergangenen Jahres das US-amerikanische National Institute of Allergy and Infectious Diseases leitete, gegenüber der „New York Times“. „Aber es ist nicht das Ende der Bemühungen um die Entwicklung eines Impfstoffs. Es gibt andere strategische Ansätze.“

US-Virologe Anthony Fauci ist sicher, dass die Entwicklung eines HIV-Impfstoffs noch immer möglich ist.

US-Virologe Anthony Fauci ist sicher, dass die Entwicklung eines HIV-Impfstoffs noch immer möglich ist.

Zum Beispiel die Impfstoffstudien von PrEPVacc in Ost- und Südafrika. Dort wird zum Schutz von zwei experimentellen Kombinationsimpfungen gegen HIV geforscht. Die erste Kombinationsimpfung basiert auf einem DNA- und einem proteinbasierten Impfstoff, die zweite auf einem DNA-, einem Vektor- und einem proteinbasierten Impfstoff. DNA-Vakzine nutzen – wie ihr Name schon vermuten lässt – das Erbgut eines Erregers, also seine DNA, um die menschlichen Zellen zur Herstellung eines entsprechenden Oberflächenproteins anzuregen. Proteinimpfstoffe enthalten wiederum einen kleinen Bestandteil des jeweiligen Krankheitserregers, der den Zellen präsentiert wird.

Zusätzlich sollen bei dem Präventionsprojekt HIV vorbeugende Medikamente getestet werden. Bis 2024 laufen die Studien noch, mindestens 1668 Probandinnen und Probanden sollen an ihnen teilnehmen.

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Biontech und Moderna arbeiten an mRNA-HIV-Impfstoff

Auch Impfstoffhersteller wie Moderna und Biontech arbeiten an HIV-Impfstoffen – allerdings auf mRNA-Basis. Das heißt, die Vakzine enthalten genetische Informationen des HI-Virus in Form von mRNA. Diese wird in die menschlichen Zellen eingeschleust und dort abgelesen, sodass Oberflächenproteine des Erregers dem Immunsystem präsentiert werden können.

Biontechs Vakzin, welches das Mainzer Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Bill & Melina-Gates-Stiftung entwickelt, befindet sich zurzeit noch in der präklinischen Phase. Es wird also in Zellkulturen oder Tiermodellen getestet. Moderna hat zwei Impfstoffkandidaten in der Pipeline, beide durchlaufen aktuell Phase-1-Studien, in denen ihre Sicherheit erstmals an Menschen untersucht wird. Mark Feinberg, Präsident und CEO der International AIDS Vaccine Initiative, mit der Moderna kooperiert, ist überzeugt: „Die mRNA-Technologie hat das Potenzial, die Entwicklung eines sicheren, wirksamen, erschwinglichen und dauerhaften HIV-Impfstoffs für den weltweiten Einsatz zu beschleunigen.“ Ein schützender HIV-Impfstoff erscheint also noch immer möglich.

RND/dpa/lb

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