Spielberg, Blanchett, Fraser: Und der Oscar geht an ...
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Um sie geht es: In 23 Kategorien werden die Oscars am 12. März vergeben.
© Quelle: picture alliance / AP Invision
Früher trafen Oscarprognosen vergleichsweise leicht ins Schwarze. Aber da war die Oscar-Academy mit ihrer alteingesessenen weißen Kinoprominenz auch noch leichter ausrechenbar. Das hat sich geändert.
Die Academy setzt seit ein paar Jahren verstärkt auf Diversität, um sich nicht jedes Jahr wieder Ärger einzuhandeln (was allerdings nun doch wieder passieren könnte: Im Regiefach sind 2023 nur Männer nominiert). Mehr als 10.000 Mitglieder aus 80 Ländern tummeln sich inzwischen in der Vereinigung, die am 12. März über den wichtigsten Filmpreis auf diesem Planeten entscheidet.
Die Oscarjuroren sind heute deutlich jünger, internationaler, und vor allem sind sie wagemutiger. Oder wie sonst könnte ein deutscher Film sagenhafte neun Nominierungen einstreichen, darunter jene für den besten Film und für die beste Regie? Edward Berger ist mit seiner Remarque-Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“ schon jetzt eine Sensation gelungen. Bislang stand Wolfgang Peterson mit seinem „Boot“ (1981) und vergleichsweise schlappen sechs Nennungen vorn.
Aber wird der Film über den Wahnsinn des Ersten Weltkriegs auch in der Oscarnacht am 12. März triumphieren? Als gutes Omen lässt sich werten, dass schon US-Regisseur Lewis Milestone mit der ersten Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“ 1930 die Trophäen für den besten Film und die beste Regie abräumte. Und doch dürfte Berger es in den wichtigsten Kategorien schwer haben, auch wenn er als einer der Topfavoriten gehandelt wird. Wir werfen mal den Blick in die Glaskugel.
Oscar für den besten Film
Da scheint eine durchgeknallte Komödie triumphieren zu können, die anfangs niemand auf dem Zettel hatte. Mit gerade einmal zehn Kopien ging „Everything Everywhere All at Once“ in den USA an den Start. Und dann eroberte die schlagkräftige Hauptdarstellerin Michelle Yeoh die Herzen des Publikums. Wer hätte auch gedacht, den malaysisch-chinesischen Kung-Fu-Star einmal als Waschsalonbetreiberin Evelyn Quan Wang zu sehen, die gleich mehrere Welten retten muss?
Die Handlung in dieser Multiversumsfantasie ist zu vernachlässigen. Absurd-komisch ist der Film aber schon deshalb, weil Evelyns Abenteuer ausgerechnet mit der Steuerrechnung beim Finanzamt beginnt. Das Regieduo Daniel Kwan und Daniel Scheinert legt übersprudelnden Einfallsreichtum an den Tag. Zudem versteckt sich hinter dem klamaukigen Überraschungserfolg eine wichtige Frage: Welches Leben lohnt es sich zu leben?
Und wenn diese abgedrehte Komödie doch nicht gewinnt? Dann kommt Steven Spielbergs Kindheitserinnerung „The Fabelmans“ ins Spiel, noch vor „Im Westen nichts Neues“.
Oscar für die beste Regie
In dieser Kategorie dürfte Spielberg die größten Chancen haben. Drei Oscars als Regisseur und Produzent hat er zwar schon gewonnen (zwei für „Schindlers Liste“, einen für „Der Soldat James Ryan“), doch sein neues Werk „The Fabelmans“ ist eine ganz persönliche Angelegenheit: Der 76-Jährige erinnert sich mit einer gehörigen Portion Nostalgie zurück an seine Kindheit und mithin an die Zeit, als seine Leidenschaft fürs Kino erwachte.
Die Ehekrisen seiner Eltern und der Antisemitismus in seiner kalifornischen Schule spielen ebenfalls eine Rolle in dieser Therapiekinostunde in eigener Sache. Bei einer so privaten Angelegenheit dürfte die Academy schwach werden, zumal Spielberg im Vorjahr mit dem Musical „West Side Story“ trotz vieler Nominierungen ziemlich leer ausging. Und wenn doch nicht? Dann können wieder die beiden Daniels mit „Everything Everywhere All at Once“ hoffen.
Oscar für die beste Hauptdarstellerin
Hier ist die Sache eindeutig: Niemand macht Cate Blanchett als abgründige Chefdirigentin in „Tár“ die Trophäe streitig. Ihre Lydia Tár ist eine Frau von eiserner Disziplin, machtversessen und eiskalt kalkulierend. Oder sagen wir so: Sie verhält sich wie mancher Mann, der es ganz nach oben im Kulturbetrieb geschafft hat und dann über sein übergriffiges Verhalten ins Straucheln gerät. „Tár“ ist der Film in der diesjährigen Oscarkonkurrenz, der am meisten zu aktuellen Debattenhemen wie Cancel Culture und #MeToo zu sagen hat. Schon deshalb verdient er besondere Wertschätzung.
Das Einzige, was gegen Blanchett spricht: Sie hat bereits zwei Oscars mit Martin Scorseses „Aviator“ (2004) und Woody Allens „Blue Jasmine“ (2013) eingeheimst. Es gibt allerdings auch zwei Schauspielerinnen mit bereits vier Oscars, Frances McDormand und Katherine Hepburn. Letztlich ist kaum zu erwarten, dass Michelle Yeoh der gebürtigen Australierin Blanchett den Goldjungen abjagt.
Oscar für den besten Hauptdarsteller
Keiner bietet eine so herrliche Comeback-Geschichte wie Brendan Fraser. Der einstige „Mumie“-Star war in Hollywood jahrelang von der Bildfläche verschwunden. Beruflich und auch privat hatte er mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Doch nun ist der 54-Jährige wieder da: Er spielt einen 270 Kilogramm schweren Vater, dessen Fettleibigkeit lebensbedrohliche Auswirkungen hat. Vor seinem heraufziehenden Ende will er Frieden mit seiner Teenagertochter schließen, deren Mutter er einst für einen Mann verließ.
Die Last, die dieser Vater trägt, ist in jedem Moment spürbar – und das liegt nicht nur an dem mächtigen Fettanzug, den Fraser in dieser Rolle trägt und der ihn förmlich aufs Sofa seines abgedunkelten Apartments drückt.
Nur einer ist Fraser leidlich dicht auf den Fersen, nimmt man die Wettquoten für die Oscars als Maßstab: Austin Butler, der sich mit viel Hüftschwung in „Elvis“ verwandelt.
Oscar für den besten internationalen Film
Hier hat „Im Westen nichts Neues“ gute Karten. Die Bilder aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs sind aktueller, als es Regisseur Berger lieb sein kann. Die Assoziationen an die Kämpfe in der Ukraine, mittlerweile zur „Abnutzungsschlacht“ erklärt, sind unvermeidbar.
„Wir wollten diesen Krieg nicht kommentieren – und hätten das auch nicht gekonnt, da unser Film bereits lange vor Kriegsausbruch abgedreht war“, hat Berger im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gesagt. „Aber leider verliert das Thema niemals an Relevanz, und das wird den Menschen beim Schauen unseres Films vielleicht wieder bewusst.“
In dieser Kategorie muss Berger auch nicht den Schweden Ruben Östlund und dessen deftige Kapitalismussatire „Triangle of Sadness“ fürchten – mithin jenen Film, der schon so viele internationale Preise abgeräumt hat: Der Schwede ist zwar mit drei Nominierungen in Hollywood am Start, aber nicht mit jener für den Auslands-Oscar.