Das Lumpenpack beschaut beim Lüneburger Kultursommer das Leben nach den wilden Jahren
Das Lumpenpack bringt mit einem Mix aus Pop, Rock und Comedy das Publikum auf den Sülzwiesen in Wallung. (Foto: phs)
In Liedern der Lumpenpack-Band geht es immer wieder um das gediegen werdende Alter, in dem nicht mehr aus Senf-, sondern aus Weingläsern getrunken wird. Maximilian Kennel, Jonas Frömming und Band sind frech und rockig, zeigen Haltung und werden auf den Sülzwiesen gefeiert.
Lüneburg. Geschafft hast du es als Popmusiker, wenn du nur zwei Takte spielen musst, bis die Leute im Saal bzw. auf der Sülzwiese das Stück erkennen. Den Text haben sie sowieso drauf. So gesehen, hat es das Lumpenpack also tatsächlich gepackt. Die Band um Maximilian Kennel und Jonas Frömming mischt Comedy und Sinn, Pop und Rock – und mit dem Mix das Publikum beim Kultursommer mächtig auf. Sitzenbleiber gibt’s nicht, Mitsinger in Masse, vom ersten Song an. Kennel/Frömming starteten als Poetry Slammer, das war ein Hobby, sie kassierten Preise. Dabei wollten sie mal was ganz Solides: Der eine studierte Psychologie, der andere strebte das Förderschullehramt für Deutsch und evangelische Theologie an. Jetzt kriegen „Pädagogen“ in einem ihrer Lieder ordentlich ihr Fett weg. Nicht zu arg, Lumpenpack-Ironie wird nie konsequent böse. Auch die „Heilpraktiker“ müssen ein wenig leiden – Globulikanone fürs Publikum inklusive. Es fließt zugleich viel Selbstironie in die Texte wie bei der „Tragödie vom Rest der Band“. Der Sprachwitz ist durchweg gewaltig, die Poetry-Slam-Zeit mit Lust auf Reim und Alliteration schlägt durch, nie wird es so deutlich wie beim mittelmäßigen Mittelaltermarkt- „Mark“. So dahingeschrieben und dahergelesen wirkt das etwas lau. In Kontext gepackt, rasant gerappt und gesungen kommt’s knackig rüber. Immer steckt in Lumpenpack-Texten zudem mehr als purer Gag. Tiefere Bedeutung ist erlaubt, Zeigefingerwackeln nicht bzw. nur dann, wenn‘s nötig scheint – „Mein Hass“ ist so ein Fall. Bis vor gut einem Jahr trat das Lumpenpack als Duo auf, nun als Band. Die klingt mal punky, mal funky, auch mal wie Die Ärzte wie beim „Ford Fiesta“, aus dem später im Text ein Toyota Corolla wird. In der Fassung 2021 ist’s ein Toyota Corona, den Mittelklassewagen gab’s tatsächlich, weit vor der Pandemie. Auf die nehmen sie immer wieder Bezug, die sogenannten Querdenker bekommen was aufs Kleinhirn, und da Kennel/Frömming Musiker mit Moral sind, hängen sie einen Appell an: „Lasst euch impfen!“ Ohne Impf-Erfolg keine Konzerte… Die aktuell steil steigende Quote veranlasste die Kultursommer-Veranstalter schon zur Schärfung der Kontrolle. Der Erfolg von Kennel/Frömming beruht auf ihrer Ausstrahlung, klar, aber mehr noch auf ihrem Kernthema: das Leben so um die 30. Die wilden Jahre sind vorbei, aus Studis werden Spießer, aus Senf- werden Weingläser. Wunderbar sinnieren sie in „Guacamole“: „Ja ich komme in ein Alter / da bringt man Salat mit…“ Draußen vorm Gelände steht ein Container. Drauf schwenken ein paar Fans ein Transparent: „Hauch mich mal an“. Klar, das Stück hat seinen festen Platz im Programm, das nach knapp 90 Minuten rum ist. Vorab trat „Das Ding aus dem Sumpf“, wohinter auch ein studierter Hip-Hop-Künstler steckt. Mit klugen Texten und einer Super-Idee: Er hängt seine Telefonnummer aus und bittet um SMS mit Begriffen, die er spontan verrappt, von Heidepark bis Syphilis. Vorgruppen aber haben es schwer. Das Ding wird freundlich begleitet. Aber in dem Moment, in dem das Lumpenpack die erste Konfettikanone zündet, wird der Abend zum Kracher, zur Freude all der Pädagoginnen und anderen Besucherinnen (Männer sind mitgemeint). Am Ende tut’s einem leid fürs Kultursommer-Team: Es gibt viel aufzuräumen nach dem Konzert, Konfettikanonen haben die Wiese bunt gesprenkelt. Mal sehen, was Jan Delay heute zur ausverkauften Wies’n mitbringt. Von Hans-Martin Koch
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