Er spielte den Bass für „Imagine“, die Flöte für „Mighty Quinn“, er bekam für sein Cover des Beatles-Albums „Revolver“ einen Grammy. Jetzt wird dem Künstler Klaus Voormann zum ersten Mal eine Ausstellung gewidmet, die seine Kunst und seine Musik gleichermaßen darstellt. In der Lüneburger Kulturbäckerei wird Popkulturgeschichte dokumentiert.
Lüneburg. Es gibt viele besondere Jahre im Leben Klaus Voormanns. 1971 sticht schon heraus: Vor 50 Jahren erschien „Imagine“, einer der berühmtesten Songs des Pop. Voormann spielte den Bass. Ebenfalls 1971 rief George Harrison zum „Concert for Bangladesh“: Eric Clapton, Bob Dylan und viele mehr kamen. In der Band: Klaus Voormann. Aber eigentlich ist 1966 ganz besonders: Da schuf Voormann das Cover des Beatles-Albums „Revolver“, gewann einen Grammy. Doch ganz vorn liegt 1960: Voormann hörte im Kaiserkeller auf der Reeperbahn die Beatles – der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. 2021 ist auch besonders: Vom 19. September bis 5. Dezember ist unter dem Titel „Bass’n’Art“ in der Kulturbäckerei Lüneburg der Grafiker, Musiker und Mensch Klaus Voormann kennenzulernen, ein leiser Weltstar.
Voormann-Ausstellungen gab es häufiger, zuletzt zeigte 2018 das Reeperbahn-Festival das bildnerische Werk. „Bass’n’Art“ verknüpft jetzt zum ersten Mal beide Fäden, aus denen das Leben des heute 83-Jährigen gestrickt ist. Sicht- und hörbar werden in Kunsthalle und Artrium der Kulturbäckerei der Grafiker, Zeichner und Maler Voormann ebenso wie der Musiker, der eine beeindruckende Diskographie vorlegen kann.
Voormanns Musikerleben ist im Vergleich zu seiner Cover-Kunst wenig bekannt. Aber beeindruckend: Voormann spielte bei Solo-Projekten der Beatles und mit Eric Clapton in Lennons Plastic Ono Band – „das war Magie“, erinnert er sich. Er packte den Bass aus für Randy Newman, B.B. King, Carly Simon, Lou Reed und und und. Mehrere Jahre tourte er mit Manfred Mann, blies die Flöte beim Welthit „Mighty Quinn“. Die Musikliste füllt eine ganze Wand der Ausstellung.
Nie drängte Voormann im Laufe seiner langen internationalen Karriere in den Vordergrund. „Ich wollte kein Frontmann sein“, er sah und sieht sich als „Sideman“. Wer ihn erlebt, lernt einen leisen, aufmerksamen, freundlich zugewandten Menschen kennen, frei von Attitüde. Heute leben Klaus und Christina Voormann in Tutzing am Starnberger See. Er arbeitet sein Leben auf, bekommt weiter Grafik-Aufträge, hört Strawinsky, Bach, immer schon Chet Baker, und ist zugleich allem Neuen gegenüber aufgeschlossen.
Klaus Voormann blickt im Eingang der Kulturbäckerei die Besucher an: Ein Porträt, das seine Freundin und Beatles-Fotografin Astrid Kirchherr in den frühen Hamburg-Jahren aufnahm, hängt neben einem Bild von heute. Vom Eingang zur Ausstellung schlängeln sich der Strich des Zeichners und ein Gitarrenkabel durch „Bass’n’Art“ – eine passende, charmante Idee von Voormann-Sohn Maxi, der selbst als Grafiker unterwegs ist.
Klaus Voormann hat sein Leben in Bilder getaucht. Mit Kinderzeichnungen startet die Ausstellung und führt schnell nach Hamburg, wo Voormann um 1960 an der Meisterschule für Gestaltung studiert. Fotos und Bilder vermitteln viel Atmosphäre, den Geist der Zeit und rufen Erinnerungen wach. Voormann malt John Lennon, einsam am Hamburger Hafen sitzend, Paul McCartney in einer Zelle auf der Davidswache. Der noch völlig unbekannte Beatle verbrachte dort im November 1960 eine Nacht wegen versuchter Brandstiftung.
Ein Schwerpunkt gehört dem „Revolver“-Album samt einem Comic zur Entstehung, gezeichnet mit charakteristisch feinem Strich. Von den Bee Gees bis Turbonegro reicht weiteres Coverdesign. Weniger bekannt sind die Twiggy-Sessions für die Vogue, und einen Raum weiter empfängt ein Bass-Blubbern die Besucher. Es ist das Eingangsmotiv für „You’re So Vain“ von Carly Simon. Voormanns „Fender Precision“-Bass ist ausgestellt, ebenso die Boots, die er beim „Bangladesh“-Konzert trug, und natürlich hat er sie bemalt.
Das Artrium treppauf widmet sich völlig der Musik. Die Cover der Alben, die Voormann spielte, und viele unbekannte Backstage-Fotos führen durch die Rockgeschichte bis hin zum Projekt „A Sidemans’s Journey“, das Voormann 2009 als sein erstes und einziges eigenes Album aufnahm. Es bietet eine Reise durch sein Musikerleben, mit Beiträgen von Paul McCartney, Ringo Starr, Yusuf Islam alias Cat Stevens, Van Dyke Parks und vielen Weggefährten mehr. Dass Voormann, als er nach Jahren zwischen London und Los Angeles zurück nach Deutschland kam, als Produzent Erfolge feierte, etwa mit Trio, ist natürlich auch Thema.
Ausstellungen zur Popkultur bietet die Sparkassenstiftung Lüneburg in der KulturBäckerei seit Jahren. Sie zeigte zum Beispiel sämtliche Bravo-Starschnitte. Zu sehen waren Plakate von Günther Kieser, der Jazz und Rock von den 50ern bis weit in die 70er-Jahre ein Gesicht gab. Gezeigt wurde zudem Cover-Art der Londoner Agentur Hipgnosis, die für Pink Floyd und viele mehr arbeitete.
„Bass’n’Art“ dokumentiert am Beispiel Klaus Voormanns – mit einem Hauch Nostalgie – eine Zeit des Aufbruchs, einen Kulturbruch mit dem Siegeszug von Beat, Pop und Rock in Deutschland. Zugleich huldigt die Ausstellung in geradezu liebevoller Weise einem Musiker, Künstler und Menschen, der viele Kapitel der Popmusik mitgestaltet hat.
Die Eröffnung der von Kristin Halm und dem Team Voormann kuratierten Ausstellung findet heute, Sonnabend, pandemiebedingt in kleinem Rahmen statt. Es wird auf www.kunsthalle-lueneburg.de einen Film geben, der Klaus Voormann bei einem Rundgang durch die Ausstellung begleitet.
Auf Voormanns Instagram-Seite ist die Ausstellung angekündigt. Das Echo schallt weltweit: Die Ausstellung möge nach Toronto, Spanien, Chicago kommen. Das wird nicht passieren, sie bleibt einmalig – montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, am Wochenende von 13 bis 18 Uhr.
Von Hans-Martin Koch