Ein Kreislauf des Lebens
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Sarah Altherr in ihrem Stück „Like A Circle In A Spiral“. Foto: t&w
Lüneburg. Eine ist krank, einer fehlt noch, da waren’s nur noch acht. Aber die Tanzcompagnie des Theaters lässt zum Start in die Saison mal wieder vergessen, dass sie eine kleine ist. Vier Positionen muss Ballettchef Olaf Schmidt neu besetzen, ins Team integrieren, ein Tänzer kommt erst im Oktober. Die Pandemie prägt zudem die Proben, und da ist es klug, den ersten Tanzabend der Saison unter das Stichwort „Solo“ zu stellen. Allein geht zurzeit mehr als zusammen. Es ist eine wunderbare, runde und poetische Stunde geworden, mit der sich „Kunst ver-rückt Tanz“ zurückmeldet.
Über das Wesen der Freiheit
„Es hat zu lange gedauert“, sagt Olaf Schmidt. Das Theater, der Tanz haben gefehlt. Den Künstlern und dem Publikum, das zum Auftakt so klatscht, dass es „endlich wieder!“ bedeutet. Schmidt führt durch das Programm, stellt Tänzer vor und sagt, er habe es ja immer gehasst, sich selbst zu choreographieren, zu inszenieren. Aber seine Tänzer seien auf das Thema sofort angesprungen. Manche machen alles in Eigenregie, manche choreographieren für andere. Was dann in zehn Stücken bzw. Miniaturen folgt, das berührt, macht Spaß.
Als roter, inhaltlicher Faden lässt sich der etwas umständliche Begriff Selbstvergewisserung durch das Programm ziehen. Anders gefragt: Wie gehe ich mit mir um, was bedeutet Freiheit, wie komme ich mit mir in Einklang und wie mit der Welt um mich herum? Darum kreisen die Beiträge. Hier im Schnelldurchlauf:
Tanz vermittelt sich als Emotion. Um Glück und Leid, um den Zyklus des Lebens dreht sich im wahrsten Sinn Sarah Altherr in ihrem Stück „Like A Circle In A Spiral“ zu einem raffinierten Legrand/Beethoven-Mix. Gleich zweimal schälen sich Tänzer/innen (Samuël Dorn, Rhea Gubler) aus einem Kokon, erproben ihre Freiheit und schlüpfen zurück – auch das in aller Kürze ein Kreislauf des Lebens. Ganz bei sich zwischen Lebensfreude und Nachdenklichkeit bewegt sich Irene La Monaca in „Tra Me e Me“. Weiter hinaus zieht es Hugo Prunet, wenn er über den Einfluss äußerer Umstände wie Ton und Licht auf sein Verhalten reflektiert.
Ach, die Liebe, sie darf nicht fehlen. Júlia Cortés, unterstützt von Sarah Altherr, vereint Körper und Seele, ausgedrückt mit Hilfe einer Marionette. Rhea Gubler choreographiert das, und für sie wiederum erarbeitet Sarah Altherr ein poetisches, aber auch zögerliches Liebesbekenntnis: „I Just Want To Say…“ Stürmisch dagegen, hin- und hergerissen zwischen Begehren und Schmerz, kämpft Wallace Jones um eine Liebe, die sich ihm immer wieder entzieht, vielleicht nur eine Vision ist, wieder ist Sarah Altherr dabei.
Zweimal Musik von Leonard Cohen
Zum Ende hin erklingt zweimal Musik von Leonard Cohen. Das allgegenwärtige, vieldeutbare „Halleluja“ setzt Phong LeThanh verblüffend artistisch um. Zum Finale befeuert Olaf Schmidt die pure Tanzesfreude, lässt Soli aller Beteiligten ineinandergleiten – „Dance Me To The End Of Love“, raunt Cohen.
Diese 60 Minuten ziehen wie im Flug vorbei und wirken doch abendfüllend. In den kommenden Wochen wird die begeistert gefeierte Compagnie ihre Solo-Show zweimal am Abend tanzen. Die nächsten fünf Vorstellungen sind ausgebucht, die zwei folgenden fast voll. Aber ab 14. Oktober geht noch was. Noch.
LZ