Gitte Hænning: "Ich wollte eine pfiffige Straßensprache"
„Meine Freunde, meine Helden, Ihre Gitte“: Gitte Hænning mit Band im Kulturforum. (Foto: t&w)
Die dänische Sängerin Gitte Hænning hat eine wendungsreiche Laufbahn hinter sich. Sie wurde in Skandinavien zum Kindertstar, startete in Deutschland erfolgreich mit dem Schlager "Ich will 'nen Cowboy als Mann", nahm am Grand Prix teil und wechselte schließlich zum Jazz, dem sie bis heute treu ist. Ein Interview anlässlich ihres Konzertes im Kulturforum Gut Wienebüttel.
Lüneburg. Am Anfang ihrer Karriere in Deutschland wollte Gitte Hænning „nen Cowboy als Mann“. Das war 1963. Zehn Jahre später holte die Dänin im „Grand Prix“ für Deutschland mit „Junger Tag“ einen achten Platz. Wiederum etwa zehn Jahre später vollzog die Sängerin einen Imagewechsel, die Schlagersängerin Gitte bekam auch als Künstlerin ihren Nachnamen Hænning, das Repertoire wurde vielfältiger, ging vor allem Richtung Jazz. Aus Anlass ihres Konzertes „Meine Freunde, meine Helden, Ihre Gitte“ im Kulturforum Gut Wienebüttel gab sie nun ein Interview.
Jürgens: Frau Hænning, Ihr Repertoire ist ausgesprochen vielfältig. War das schon immer so?
Hænning: Vor allem schwarze Musik hat mich schon in meiner Jugend angesprochen und fasziniert. So etwas prägt einen dann natürlich für das ganze Leben. Während meine Schwester zu klassischer Musik Ballett getanzt hat, habe ich lieber zu Jazz und Rock‘n‘Roll getanzt. Nun ist Dänemark von je her ein jazzfreundliches Land. Die amerikanischen Musiker wissen das und sind deswegen gerne nach Dänemark gekommen. Einige von ihnen wie zum Beispiel Oscar Pettiford waren regelmäßig bei uns zu Hause zu Gast.
Mit dem Bassisten Oscar Pettiford waren Sie im Aufnahmestudio. Die Geschichte endete tragisch...
Oscar Pettiford habe ich als einen sehr offenen und fröhlichen Menschen erlebt. Der hat seinen riesigen Kontrabass immer mit dem Fahrrad zum Studio transportiert. Eines Tages, er hatte wohl ein bisschen zu viel vom guten dänischen Bier getrunken, ist er auf der Fahrt mit dem Fahrrad gestürzt und hat sich dabei so schwer verletzt, dass er wenige Tage später starb.
Am Beginn ihrer Gesangskarriere stand jedoch ein Schlager, den sie gemeinsam mit Ihrem Vater gesungen haben.
Ich weiß nicht, ob ich das Wort Karriere mag. Dahinter steckte die Idee eines Produzenten, der meinen Vater gefragt hatte, ob er das machen will. Ich fand das alles ziemlich doof.
Nichtsdestotrotz avancierten Sie bald in ganz Skandinavien zu einem Kinder- und Teenager-Star. Und schließlich auch bei uns in Deutschland.
Auf Deutsch zu singen, war wiederum nicht meine Idee, sondern die meiner Familie. Mir gefiel das zuerst überhaupt nicht. Denn ich musste Deutsch lernen und das entsprach ganz und gar nicht meinem Rhythmusgefühl. Jede Sprache hat ja ihren eigenen Rhythmus, weswegen es mir nicht wirklich Freude bereitet hat. Ich habe es trotzdem versucht und war zuerst wenig erfolgreich, bis ich „Ich will ‚nen Cowboy als Mann“ bekam.
Der ihnen in Deutschland den Durchbruch bescherte. Stimmt es, dass sie das Lied ursprünglich nicht singen wollten?
Die deutschen Produzenten waren felsenfest davon überzeugt, dass sie einen Riesenhit für mich hatten und spielten mir zunächst eine Aufnahme davon vor, die eine andere Frau eingesungen hatte. Ich meinte dann: „Diese Frau ist doch nicht schlecht. Die singt doch gut. Nehmt die doch.“ Die haben so lange auf mich eingeredet und mich mit Komplimenten überschüttet, dass ich irgendwann nichts mehr sagen konnte und die Sache gemacht habe. Ich fand den Song auch sehr originell. Nur den Dialekt in dem gesprochenen Text habe ich überhaupt nicht verstanden. Ich habe den Humor darin nicht erkannt. Das lag aber vielleicht auch daran, dass Deutsche und Dänen ein unterschiedliches Humorverständnis haben.
Sie waren im Verlauf der 1960er Jahren weiter erfolgreich und haben Deutschland 1973 beim Europäischen Song Contest vertreten. Wie kam es dazu?
Musikalisch konnte ich diesem Wettbewerb noch nie viel abgewinnen, weil das eher eine Unterhaltungsgeschichte ist für Leute, die mit Popcorn vor dem Bildschirm sitzen möchten. Das ist ja auch völlig legitim und eine wunderbare Plattform für junge Talente. Ich war aber schon bekannt. Als man mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte dort mitzumachen, habe ich deswegen zunächst gezögert. Daraufhin haben die mich eine Woche lang ständig angerufen, und ich war mir immer noch nicht sicher, bis die mich zuletzt an einem Sonntag drei Mal angerufen und beim dritten Mal gesagt haben: „Bitte Frau Hænning, morgen um neun Uhr brauchen wir von Ihnen ein Nein oder ein Ja.“ Schließlich habe ich denen geantwortet: „Okay, ich sage ja, aber ich meine nein...“
In den 1980er Jahren wurde Ihr Repertoire mit Titeln von Andrew Lloyd Webber oder Barbra Streisand musikalisch wie textlich deutlich anspruchsvoller.
Ich bin immer der Auffassung gewesen, dass die deutsche Sprache nicht so sehr wie in Amerika vom Jazz sondern durch die klassische Kultur geprägt worden ist. Dass Musiker wie zum Beispiel Roger Cicero es geschafft haben, Jazz mit der deutschen Sprache zu verbinden, finde ich großartig. Damals stellte sich die Situation für mich aber noch so dar, dass man eher bei den Dichtern und Denkern ansetzen und mehr Inhalte in die Unterhaltungsmusik bringen musste. Das war mit jedenfalls ein Bedürfnis. Ich habe ein Team gesammelt und bestimmte Qualitätsansprüche eingefordert, an die sich auch alle gehalten haben. Das rechne ich ihnen hoch an. Das betraf den Produzenten Peter Kirsten, der sein Geld in mich investiert hat und Michael Kunze, der für mich die Texte geschrieben hat.
Wie funktioniert das, wenn ein Mann zum Teil doch recht persönliche und intime Texte für eine Frau schreiben soll?
Michael Kunze war sozusagen mein „Ghostwriter“. Als ich ihn kennen lernte, hatte er bereits viele Texte für große Hits geschrieben und schon die ersten Musicals übersetzt. Ich wollte eine Art Straßensprache, aber eine pfiffige Straßensprache in meiner Musik umgesetzt haben. Dafür musste ich allerdings sehr hart kämpfen.
Wie lief das konkret ab?
Wir haben das so gemacht, dass ich ihn besucht und die Informationen zu meinen Geschichten gegeben habe. Das wurde manchmal ganz schön heftig, weil ich, wenn ich nicht mehr weiter wusste, mit Händen und Füßen erklärt oder mich auf den Boden geschmissen habe. Aber ich habe meinem gesamten Team damals von Anfang an gesagt: „Ich will keine langweiligen Sachen und keine faulen Kompromisse machen. Wenn Ihr eine Geschichte mit mir eingeht, will ich, dass ihr brennt! Es müssen Blut, Schweiß und Tränen fließen. Wenn es nicht brennt, steige ich aus.“
Dieses Feuer scheinen Sie sich bis heute bewahrt zu haben.
Wir haben nur dieses eine Leben zur Verfügung. Ich meine, natürlich muss genauso eine gewisse Lässigkeit da sein. Natürlich muss man Können und Routine einbringen. Aber weil wir eben nur dieses eine Leben haben, fordere ich auch von jedem einzelnen aus unserem Team, mit dem ich jetzt gerade unterwegs bin, dass die brennen. Jeder einzelne von ihnen hat seine tolle eigene Persönlichkeit. Und die will ich sehen. Außerdem macht es uns eine Riesenfreude, für das Publikum zu musizieren.
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