Zu Besuch in zwei Räuchereien

Fleisch und Fisch räuchern: Wie das alte Handwerk funktioniert

Das Räuchern ist eine der ältesten Formen der Haltbarmachung von Lebensmitteln.

Das Räuchern ist eine der ältesten Formen der Haltbarmachung von Lebensmitteln.

Die Schatzkammer liegt zwischen Schlafzimmer und Büro. Metzger und Landwirt Martin Müllerleile zieht eine schwere Metalltür auf. Dahinter tut sich ein dunkler Raum auf, dessen Wände von millimeterdickem Ruß bedeckt sind. Von der Decke baumeln Speck und Schinken. Willkommen im Rauchfang. Früher wurde dieser Ort auf Bauernhöfen ganz selbstverständlich genutzt. Im Kasperhof im Schwarzwälder Schuttertal, betrieben in zehnter Generation, ist es heute noch so.

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Martin Müllerleile ist Metzger und Landwirt.

Martin Müllerleile ist Metzger und Landwirt.

Die Schweine für seine Schinken hält Müllerleile selbst, geschlachtet werden die Tiere vor Ort. „Die Schinkenqualität fängt bei der Zucht an“, ist der 60-Jährige überzeugt, „unsere Schweine haben Bewegung, bekommen auch anderes Futter als Getreide. Wir salzen die Fleischteile ein, mit Pfeffer, Knoblauch und Wacholder, in dieser Lake entwickeln sie ihr Aroma, bevor sie vier bis sechs Wochen in den Rauchfang kommen.“

Geräuchert wird mit einem Ofen ein Stockwerk tiefer, wo früher noch die Küche des Hofes lag. Zwei- bis dreimal wöchentlich entzündet der Landwirt dort eine spezielle Mischung aus Tannen- und Fichtenspänen. Der Rauch steigt den Schornstein empor. Eine Etage darüber, in der Räucherkammer, wurden zwei Klappen in den Kamin eingebaut, sodass der Rauch im Raum zirkulieren kann.

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Haltbarkeit und Geschmack

Das Ergebnis ist ein exzellenter Schweineschinken, mit würzigem, aber nicht beißendem Raucharoma – haben so die Waren vor Hunderten Jahren geschmeckt? Der Geschmack sei damals weitaus weniger entscheidend gewesen als die Dauer der Haltbarkeit, sagt Müllerleile. Von hauchdünnem, magerem Schinken, durch den man Zeitung lesen können muss, vakuumiert in Verpackungen mit Schwarzwälder Bollenhut-Emblem, wie heute üblich, war man weit entfernt.

In den 1980er-Jahren war Müllerleile noch als fahrender Metzger in der Umgebung unterwegs. Er ging auf Höfe, schlachtete die Tiere und bereitete ihr Fleisch für den Winter vor. Bis auf Blut und Leber für Würste oder das Bratenstück wurden Keulen, Rücken und Schulter haltbar gemacht. Der Prozess war überall ähnlich, das Endprodukt je nach Hofstruktur immer etwas anders.

„Viel Zeit ist meine Hauptzutat“

Welche Wissenschaft hinterm Räuchern steckt, lässt sich auch etwas weiter südlich erfahren. In Freiamt im Breisgau betreibt Michael Wickert seine Fischräucherei Glut & Späne. In seinem Hofladen werden Kräuterforellen oder Lachspastrami angeboten. Für Firmen testet er Räucheröfen, auch ein Buch hat er zum Thema veröffentlicht. Das renommierte Restaurant Schwarzer Adler in Oberbergen gehört zu seinen Kunden.

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„Viel Zeit ist meine Hauptzutat“, sagt der Räucherspezialist – und untertreibt mit seiner Aussage. Mit industriellen Schnellverfahren (Salzlake spritzen und mit Flüssigrauch „veredeln“) hat Wickerts Handwerk nichts zu tun. Jede Fischart bekommt bei ihm ihre eigene Behandlung, um den Eigengeschmack des Tiers „hervorzukitzeln“. Er experimentiert mit Gewürzen, Hölzern und Temperaturen, frei nach dem Motto: „Das Feuer bewahren und nicht die Asche weitertragen.“

Michael Wickert ist Berufsfischer und Räucherexperte.

Michael Wickert ist Berufsfischer und Räucherexperte.

Fünf bis sechs Tage räuchern

Beim Kalträuchern (ein Prozess von insgesamt fünf bis sechs Tagen) salzt er seine Fischfilets mit Gewürzen ein, beim Warm- oder Heißräuchern legt er die Fische oder Filets über Nacht in Salzlake ein. Die Temperaturen variieren beim Räuchervorgang von 20 bis 90 Grad. „Unser Stremellachs wird zum Beispiel bei 56 Grad drei Stunden warmgeräuchert, das Ergebnis ist extrem zart und extrem saftig“, sagt Wickert.

Hinzu kommt die Stilistik der verwendeten Holzart: Erlenspäne geben den Fischen eine goldene Farbe. Buchenholz bringt den charakteristischen Geschmack. Kirschenholz gibt ein Fruchtaroma. Eichenspäne sorgen für ein kräftiges Aroma. Urwürziges Fichten- und Weißtannenholz (was auch für Speck und Schinken genutzt wird) verwendet er wie ein dezentes Gewürz. Wickerts Sägemehlmischung duftet feinharzig nach Holz, mit Anklängen von Wacholderbeeren und Tannengrün.

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Jahrtausendealte Tradition

„Räuchern ist etwas Physik, ein bisschen Chemie und eine Prise Mathematik“, sagt Wickert, den an seiner Arbeit vor allem das „Archaische“ reizt. Schließlich sollen bereits in der Steinzeit Höhlenmenschen ihre Lebensmittel an die Decke gehängt haben, um sie vor Tieren zu schützen. So kam der Rauch des Holzfeuers an Wildfleisch, Fische, Beeren oder Nüsse. Da Rauch antibakteriell wirkt und auch bei kleinsten Insekten Fluchtreflexe auslöst, war es nur eine Frage der Zeit, bis klar wurde, dass Geräuchertes länger hielt und helfen konnte, das Überleben im Winter zu sichern.

Lange bevor Schornsteine und Rauchkammern in die Höfe gebaut wurden, gab es Rauchküchen, wo der Rauch nach oben unters Dach stieg, unter dem Nahrungsmittel baumelten. „Das Prinzip ist eben denkbar einfach, die Details sind entscheidend“, sagt Wickert und zieht einen Rost mit betörend duftenden Lachshälften aus dem Ofen, die glänzend hellrosa schillern und zartfleischig am Gaumen zergehen – so gut haben unsere Vorfahren sicher nicht gegessen.

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