Lüneburg. An die Kultur muss sich Shammara Maloof nicht gewöhnen, dafür aber an das Wetter. Die 18-Jährige kommt aus dem sonnigen Miami. Für ein studentisches Auslandsjahr ist sie nach Lüneburg gezogen. Kalt und regnerisch ist es hier, fast bildlich steht das für die Lage auf dem Lüneburger Wohnungsmarkt. Vor allem für Menschen mit schmalem Budget. Shammara und elf weitere Studenten haben jedoch Glück: Sie können in leerstehende Wohneinheiten in der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Rettmer einziehen. Mindestens für ein halbes Jahr.
Miete von 150 Euro pro Monat für 14 bis 16 Quadratmeter
Fußball mit Flüchtlingskindern

Die Zimmer sind hell und mit dem Notwendigsten möbliert, der Blick nach draußen geht ins Grüne. Für die 14 bis 16 Quadratmeter großen Zimmer zahlen Shammara Maloof, Nahim Haider (22), Luise Bergmann (20), Paul Margies (20), André Hesse (22) und Carlotta Monath (19) nur 150 Euro. Sie gehören zu den Studenten, die in den vergangenen Tagen eingezogen sind. Am Wochenende kommen zwei weitere. Schon jetzt wird am Frühstückstisch gemeinsam gegessen, geplaudert und gelacht. In ihrer Nachbarschaft fühlen sich die Studenten, die sich nun jeweils zu dritt eine Wohnung teilen, ebenso wohl. "Wir haben stundenlang mit 20 Flüchtlingskindern Fußball gespielt", erzählt Luise. Für Shammara steht fest: "Diese Linie wollen und müssen wir übertreten, sonst wird da immer eine Grenze bleiben."
Kapazitäten nutzen und Einnahmen erzielen
Sie haben damit das Konzept verstanden, das die Stadt gemeinsam mit dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) verfolgt. Denn die Wohnungsproblematik der Studenten trifft im Rathaus keinesfalls auf taube Ohren. Sozialdezernentin Pia Steinrücke sagt: "Wir haben weitere 1500 Flüchtlinge erwartet, entsprechend die Unterkünfte geplant. Dann standen Gebäudeteile leer." Die Lösung der Stadt: Die vorhandene Kapazität für Studenten zu nutzen und so Mieteinnahmen zu generieren. "Aus der Willkommensinitiative wissen wir, dass Studenten sich gern an der Flüchtlingsarbeit beteiligen, gute und neue Impulse bringen. Außerdem sind viele von ihnen selbst neu in der Stadt."

„Umso schöner ist es, dass es Menschen ohne Vorbehalte gibt, die gern in einer multikulturellen Nachbarschaft leben wollen.“
Sozialdezernentin Pia Steinrücke
Noch immer gebe es in der Bevölkerung auch Angst und Unsicherheit wegen der Flüchtlinge. "Umso schöner ist es, dass es Menschen ohne Vorbehalte gibt, die gern in einer multikulturellen Nachbarschaft leben wollen", sagt Pia Steinrücke. Die Studenten haben auch schon Pläne geschmiedet. Ob Grillfest, Kaffee und Kuchen oder Unterstützung in Form von Hausaufgabenhilfe die freie Zeit neben dem Studium wollen sie sinnvoll nutzen. "Wir wollen auch die Sozialarbeiter fragen, wie wir unterstützen können", sagt André, der aus dem Raum Köln kommt.
Wohnungsbesichtigungen im Marathon
So hoffnungsvoll und energiegeladen waren die Studenten zuletzt nicht immer. Wochenlang schien ihre Suche nach einer Bleibe in Lüneburg aussichtslos. Carlotta, die wie Nahim und Luise aus Berlin kommt, hat über zwei Monate hinweg Wohnungen besichtigt. Eine Zusage blieb aus. Eine Wohnung mit einer Miete unter 300 Euro zu finden sei nahezu unmöglich. "Sobald ein WG-Zimmer online gestellt wird, ist es eigentlich schon vergeben." Nahim kommt ursprünglich aus Bangladesch. Seinen Bachelor absolviert er im Fach Digital Media, ist dafür drei Jahre in Deutschland. Seine Zimmersuche hat ihn sogar bis nach Hamburg geführt. "Für ein 16 Quadratmeter großes Zimmer sollte ich 750 Euro bezahlen. Ist das überhaupt legal?"
Anlaufstelle für Studenten in Not ist der AStA der Leuphana. Sprecherin Lisa Apking kennt die Problematik. Das Angebot, Studenten in Flüchtlingsunterkünften einzuquartieren, hat der AStA daher sofort für gut befunden. Nur zehn Tage war das Angebot im Internet. "In der Zeit haben uns mehr als 40 Anfragen erreicht", sagt Benjamin Christo-doulou, der viele Bewerber persönlich getroffen hat. "Es hätte mit allen gepasst, weil sie sich das Zusammenleben mit Flüchtlingen gut vorstellen können." Das Interesse an einem gemeinschaftlichen Leben, der Wunsch nach Austausch sei bei allen vorhanden gewesen.
Stadt schließt Verlängerung nicht kategorisch aus
Für ein halbes Jahr ist das Zusammenleben in den Containern in Rettmer gesichert. So lange laufen die Mietverträge der Studenten. Eine Verlängerung schließt Pia Steinrücke nicht aus. Die Stadt müsse aber die Flüchtlingsproblematik im Blick behalten. "Ich kann aber versprechen, dass kein Student ausziehen muss, wenn nächste Woche die Zuweisungszahlen steigen sollten."
Von Anna Paarmann
Auch in der Flüchtlingsunterkunft Schaperdrift in Oedeme soll Wohnraum für Studenten zur Vefügung gestellt werden, vermutlich aber erst zum nächsten Semester. Denn das Projekt hat die Stadt Lüneburg gemeinsam mit dem hiesigen Studentenwerk geplant.
Dort seien die Berechnungen für die Miete noch nicht abgeschlossen, verdeutlicht Pia Steinrücke. Anders als in Rettmer wolle man den Studenten dann aber mindestens eine Wohnzeit von einem Jahr anbieten. 30 Plätze scheinen möglich, da eines der Gebäude in Oedeme fast komplett unbewohnt ist.