Der Meister der Büchsen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/NK6M7IKLLZRQP3YNCYMY2K34F7.jpg)
Ein Blick in die Werkstatt: Büchsenmachermeister Frank Becker arbeitet vor allem mit Hammer und Feile an den Waffen. Dabei sind Präzision und Gefühl gefragt. (Foto: bjh)
Garlstorf. Büchsenmacher; das klingt so wunderbar handwerklich und altmodisch. Wer glaubt, dass dieser Beruf nur noch eine Seltenheit ist, der irrt. Zumindest dann, wenn er in den Landkreis Harburg schaut. Hier gibt es gleich eine Reihe von Büchsen- und Waffenmanufakturen. Eine davon ist W.&O. Dittmann in Garlstorf. Das traditionsreiche Geschäft, einst 1903 von Walter und Olga Dittmann in Hamburg gegründet, ist heute Meisterbetrieb und betreibt in direkter Nachbarschaft zum Schießstand Garlstorf die „Jagdwelt“ und eine „Jagdschule“. Das lässt darauf schließen, dass vor allem Jäger zur Kundschaft zählen.
Der Büchsenmachermeister hier ist Frank Becker, 43 Jahre alt. Er hält es weniger mit Jagd-Romantik, sondern sagt: „Eine Waffe ist ein Werkzeug, das funktionieren muss.“ Das ist richtig, denn auch das Handwerk des Büchsenmachers unterliegt einer schnellen technischen Entwicklung. Schalldämpfer, verbesserte Abzugstechnik und seit einigen Jahren auch die Optik wie Zielfernrohre und Nachtsichtgeräte sind gefragt, um heute unter bestmöglichen Bedingungen die vorgeschriebene bleifreie Munition abzufeuern.
Ein Beruf bestehend aus drei Handwerken
Becker, der bei W.&O. Dittmann Betriebsleiter ist, erklärt, dass sich der Beruf des Büchsenmachers historisch aus drei Handwerken zusammensetzt. So erstelle der Schäfter den Schaft, der Rohrleger die Waffenläufe und der Systemmacher die Abzugs- und Ladetechnik. Der Büchsenmacher füge das alles zu einer Waffe zusammen. Das Arbeiten mit Metall, der Umgang mit Holz- und Kunststoffen sowie genaue Kenntnisse von Waffentechnik, Ballistik und Optik sind Voraussetzungen für diesen Beruf. Unverzichtbar ist das Wissen um die rechtlichen Grundlagen des Waffengesetzes. So sieht es auch die dreijährige Ausbildung vor.
Für Frank Becker schon früh klar, dass er eine Ausbildung als Büchsenmacher machen wolle. Der Großvater Jäger, der Vater Förster, die Mutter Forstwirtin; da kann man wohl von einer gewissen Prägung sprechen. Becker ist regelmäßig auf dem Schießstand seit er 14 Jahre alt war. Angefangen hat es mit dem Wurftauben-Schießen.
Anfänger steigen hochwertig ein
1995 begann die Ausbildung im thüringischen Suhl, seit jeher eine Wiege des Waffenbaus in Deutschland. Dort ist die Berufsfachschule, in Ehingen in Baden-Württemberg befindet sich die Berufsschule. Dort hat Becker die Meisterausbildung absolviert. Zuvor ging es nach dem erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zur Bundeswehr in die Waffen-Instandsetzung. Becker verpflichtete sich für acht Jahre für die Feldwebel-Laufbahn. Die Voraussetzung, um bei der Bundeswehr den Industriemeister Metall und dann auch den Büchsenmachermeister machen zu können.
„Jäger, Landwirte und Hamburger Porschefahrer gehören zu den Kunden“, sagt der Büchsenmachermeister. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Ansprüche. Das Geldausgeben fällt nicht schwer, es ist immer eine Frage des Anspruchs. Für den Krieghoff Drilling kann man knapp 15.000 Euro ausgeben, die beste Optik, die LV81 Elite von Lahoux, kostet 5000 Euro.
Das ist dann die höchste Preisklasse. „Es gibt aber auch gute Qualität für weniger Geld“, weiß Frank Becker. Allerdings: Die Anfänger würden meist mit hochwertiger Ausrüstung einsteigen. In der Samtgemeinde Salzhausen gibt es drei Büchsenmacher, neben W.&O. Dittmann findet man auch die Büchsenmanufaktur Ritter in Garlstorf, in Toppenstedt statt Büchsenmacher Niemann Kunden mit Waffen, Ausrüstung und Kleidung aus. In Winsen gibt es zudem Waffen-Wenck.
Alle profitieren vom Standortvorteil. Für den sorgt zum einen der Schießstand in Garlstorf, der aktuell der größte in Norddeutschland ist. Zum anderen ist es die Nähe zur Lüneburger Heide und zum wohlhabenden Hamburg. Und grundsätzlich ist in Niedersachsen die Jagd immer mehr als ein Hobby gewesen. „Die Konkurrenz vor Ort ist daher eher respektvoll und freundschaftlich. Jeder findet hier seinen Krümel vom Kuchen“, meint Becker.
Werkstatt zeigt, dass es um Handwerk geht
Beim Rundgang durch die Werkstatt kommt beim 43-Jährigen dann die Liebe zum Beruf deutlich zum Vorschein. Das Inventar ist nicht neu, aber nach wie vor durabel, eine ganze Reihe verschiedener Werkzeuge warten darauf, Waffen zu reparieren, sie wieder instand zu setzen. Das ist sein Reich. „Die modernsten Werkzeuge neben dem Akku-Schrauber sind Hammer und Feile“, scherzt Becker. Maschinen gibt es keine, dafür aber gibt es zu den Waffen kleine Anekdoten und größere Geschichten. Auch der Büchsenmachermeister staunt zuweilen noch über die Wünsche der Kunden.
Es bleibt ein Handwerk, das seine Anfänge Ende des 14. Jahrhunderts nahm. Wie sieht die Zukunft aus? Im Vorjahr hat Frank Becker seine bisher letzte Auszubildende verabschiedet. Sie arbeitet jetzt in der Waffeninstandsetzung bei der Polizei. Die ist genauso wie die Bundeswehr an solchen seltenen Fachkräften sehr interessiert. „Dieser Lehrberuf bleibt aber ein Exot“, sagt Becker. Pro Jahrgang gebe es heute bundesweit etwa 30 bis 40 Lehrlinge.
Von Björn Hansen
LZ