Die zwei Leben des Folkert Koopmans
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Leben mit Rock und Rind: Tour- und Festivalmacher Folkert Koopmans an einer Tränke seiner Welsh-Black-Rinder. (Foto: t&w) (Foto: t&w)
Nindorf am Walde. Folkert Koopmans nimmt einen Stock zur Hand, schaltet den Strom aus und schlüpft durch die Litzen auf die Weide. „Da hinten“, sagt er, „steht ein neuer Bulle. Den kenne ich noch nicht richtig, da weiß ich noch nicht, wie er reagiert.“ Der Bulle, gut 1100 Kilo pure Kraft, brüllt. Das geht durch Mark und Bein. Aber er steht 200 Meter weg, brüllt auf eine andere Weide hin. Koopmans nähert sich einigen anderen aus seiner Welsh-Black-Herde. Folkert Koopmans ist der Mann, der dreimal die Rolling Stones nach Deutschland holte, gerade mit Ed Sheeran auf Europatour ist, der das Hurricane und jede Menge weitere Festivals auf den Weg brachte. Die andere Seite Koopmans spielt sich im Grünen ab, in der Heide, an der Elbe, auf der Weide.
Seit gut 40 Jahren organisiert er nun schon Konzerte
„Das mit den Rindern hat wie vieles ein bisschen zufällig begonnen“, sagt der 58-Jährige. Wie die Sache mit der Rockmusik. Seit gut 40 Jahren organisiert er nun Konzerte. Das erste 1981. Er war 17, die Band hieß Amuthon, kam aus Emden, spielte Hardrock, der Mann am Bass nannte sich Elso Schweinebraten. Spielort war Marienhafe, eine der kleinsten Gemeinden Niedersachsens im Westen Ostfrieslands.
Koopmans kennt es kleiner. Seine Eltern betrieben nahebei einen Bauernhof in Upgant-Schott. Kühe melken, das konnte Folkert schon als Kind. Den Hof betreibt heute sein Bruder Henri. Folkert wurde nicht Bauer. Er wollte raus aus Ostfriesland, lernte Industriekaufmann und entdeckte: Das Planen liegt ihm. Und Mut hat er auch.
Aus dem Dorfkonzert wurden unzählige – und er wuchs über die Jahre zu einem der größten Rock-Jazz-Pop-Veranstalter in Deutschland und darüber hinaus. Büros in zehn Ländern betreibt sein Unternehmen FKP Scorpio heute, organisiert 2000 Konzerte im Jahr, vielleicht sind es einige mehr. Dazu kommen Festivals, in Deutschland zählen dazu Hurricane, Deichbrand, Elbjazz, Southside, M’era Luna, Rolling Stone Beach – und A Summer’s Tale in Luhmühlen. Das Festival auf dem Reitgelände an der Luhe setzt seit einigen Jahren aus. Es bekam überragende Kritiken, schrieb aber fette Verluste. Kommt es wieder? „Vielleicht 2024, aber da laufen viele Überlegungen“, sagt Koopmans.
Er hat alles gesehen, alles gehört, alles erlebt, was die Rockwelt hergibt. Macht das Konzertgeschäft nach all den Jahren überhaupt noch Spaß? Ja. Aber: „Die Bürokratie nervt.“ Beispiel? „Beim ersten Hurricane-Festival 1997 mussten wir sieben Seiten für die Genehmigung ausfüllen. Heute sind es drei Aktenordner.“
Er dünstet keinen Glamour aus
Koopmans kennt die Welt und viele Weltstars. Aber er tritt so nicht auf, er dünstet keinen Glamour aus, rückt sich nicht ins Licht. Koopmans schaut hin, hört zu, wägt ab, sagt, was zu sagen ist. Freundlich und klar. Eher wortkarg als geschwätzig. Ein Macher, kein Schnacker. Typ Handschlag. Koopmans hat einen Facebook-Account. „Ich und die Stars“ findet da nicht statt. Ein paar Fotos von seinen Welsh Black sind zu sehen, imposante Tiere. Zu sehen ist auch: Die Kälber wachsen bei ihren Müttern auf.
Drei Tage London, drei Tage New York, was der Job so fordert – alles gut. „Aber wohnen will ich auf dem Land. Ich brauche Weite, Abstand“, sagt Koopmans. Weit sehen, das kennt er aus der Kindheit. Ostfriesland ist eben platt. Jetzt lebt er in Nindorf mit einer Weide, die weit bis zum Wald reicht. Die Kälber stehen gerade hinter einer Kuppe. „Mal gucken gehen?“ „Aber dreht der neue Bulle da hinten nicht gerade den Kopf in unsere Richtung?“ „Nö, müssen nicht gucken, nächstmal.“
Die Sache mit den Rindern begann wie die mit dem Rock eher klein. Der Bauer in ihm meldete sich. Erst waren es sechs Rinder, die Koopmans vor fünf Jahren auf seine Weide stellte, direkt neben dem Haus, das er mit seiner Frau Malaika bewohnt. Im Anbau nebenan haben sie zwei Familien aus der Ukraine aufgenommen. Es ist schon schön hier. Bassett Lilu wuselt über den Rasen, sein Kumpel Pascha musste gerade, alt und blind geworden, eingeschläfert werden.
Was Folkert Koopmans macht, das macht er ganz, gern groß – und so gut wie’s geht. Durch Corona hatte er mehr Zeit für die Rinder, Rock und Co. lagen brach. Das Rinderwesen führt ihn mittlerweile auf die Elbinsel Krautsand, die eine Halbinsel ist, dort, wo die Elbe schon drei Kilometer breit ist. Mit dem Landwirt Andreas Winter und dem Tierarzt Sebastian Fietze hat Koopmans die Krautsandfarm gegründet. Dort zotteln neben den Welsh Black auch Angus-Rinder über die Weiden, Wagyu und vor allem die eigene Kreuzung Kobangus. Sie verspreche „Beef besonderer Qualität bezüglich Zartheit, Textur, Zartheit und Geschmack“, heißt es im Krautsandfarm-Flyer.
Der ganze Hof wird neu gedacht – auf 150 Hektar
Die gut 400 Rinder auf Krautsand leben von reiner Grasfüttterung ohne Kraftfutterzusatz, ohne Medikamente. Die Farm befindet sich in der Zertifizierung zum Bio-Standard. Das dauert zwei Jahre. Koopmans zeigt Pläne: Strohställe entstehen, der ganze Hof wird neu gedacht – auf 150 Hektar. Die Sache kann noch wachsen. Vom Kalben bis zum Schlachter des Vertrauens werde auf Nachhaltigkeit und Tierwohl geachtet; na ja, am Ende geht’s für Angus und Kobangus eben in die Wurst… – so schonend wie möglich. Und dann weiter in den angelaufenen Direktvertrieb per Krautsandfarm-Webseite; Steaks, Patties, Beinscheiben, Gulasch, alles, was das Rind hergibt. „Das ist jetzt aber nicht so, dass ich jeden Tag Fleisch esse“, sagt Koopmans; seine Frau, das nebenbei, ist Vegetarierin.
Zu Haus in Nindorf hält Koopmans mittlerweile etwa 20 Welsh Black, sie leben ganzjährig draußen. „Die sind eigentlich gutartig“, sagt der Rock’n’Rind-Mann, aber: „Nie mit dem Rücken zum Rind stehen!“ Der neue Bulle brüllt zum Glück noch immer die Schwarzbunten jenseits der Straße nieder.
Von Hans-Martin Koch