Geesthacht: Giftige Ablagerungen im Stausee
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Wenn das wasser im Stausee abgesenkt wird, wie auf diesem Bild für Wartungsarbeiten, tauchen die Ablagerungen am Grund auf. Sie sind teilweise extrem mit Giftstoffen belastet. (Foto: tja)
Geesthacht. Über Jahrzehnte wurde auf dem Geesthang bei Geesthacht eine wahre Sondermülldeponie angehäuft: Im immer wieder zur Stromerzeugung mit Elbwasser gefüllten Stausee des Pumpspeicherwerks. Es war einst im Besitz der Hamburgischen Elektrizitätswerken (HEW), und gehörte damit der Stadt Hamburg, seit dem Verkauf wird es vom Energiekonzern Vattenfall betrieben.
Arsen, Cadmium, Quecksilber und andere Giftstoffe befinden sich in einer zwei bis drei Meter mächtigen Sedimentschicht am Grund des künstlichen Sees, der rund 600 mal 600 Meter misst. Die Schadstoffe stammen aus dem Elbwasser, als die DDR den Fluss noch mit ihren Industrieabwässern verseucht hatte. Das Gift lagerte sich mit den Sedimenten im Stausee ab.
Pumpspeicherbecken ist eine Gefahrstoffdeponie
Auf Initiative des Umweltbeirates hat sich jetzt der Umweltausschuss der Geesthachter Ratsversammlung mit dem Thema befasst. „Da jetzt für Klarheit zu sorgen ist Aufgabe des Kreises als Überwachungsbehörde“, erklärt Olaf Schulze, der Bürgermeister von Geesthacht, auf Anfrage. Entsprechende Gespräche – auch mit Vattenfall – werde man jetzt anschieben, so Schulze.
Wie extrem belastet die Sedimente am Beckengrund sind, hatte bereits 2016 eine von Vattenfall beauftragte Untersuchung gezeigt. „Im Prinzip handelt es sich beim Pumpspeicherbecken um eine Gefahrstoffdeponie“, berichtet Günter Luther vom Umweltbeirat. Die Analyse damals hatte ergeben, dass pro Kilo Trockenmasse 191 Milligramm Arsen, fünf Milligramm Cadmium und 23,6 Milligramm Quecksilber enthalten sind.
Damit sind die in der so genannten Berliner Liste von 2005 festgesetzten Grenzwerte deutlich überschritten. Die liegen bei Arsen bei fünf, für Cadmium bei einem und bei Quecksilber bei 0,25 Milligramm pro Kilo Trockenmasse.
Insgesamt etwa 640.000 Kubikmeter Sediment
Das Elbwasser war früher mit diesen Giftstoffen massiv belastet, die aus den Industriebetrieben der DRR elbabwärts gespült wurden. Das Pumpspeicherwerk füllte den 3,8 Millionen Kubikmeter fassenden Stausee teilweise mehrfach täglich, um das Wasser dann zum Betrieb seiner Turbinen wieder abzulassen. Dabei blieben die Schadstoffe teilweise am Grund des Beckens liegen.
Insgesamt sind laut Vattenfall etwa 640.000 Kubikmeter Sediment vorhanden. Zur Einschätzung: Ein normaler Kieslaster transportiert etwa 18 Kubikmeter. Vattenfall geht nach der Untersuchung davon aus, dass die alten Sedimente mit den Schadstoffen durch „frische“ Ablagerungen aus der früheren Geschichte des Betriebs überdeckt und verschlossen sind. Mittlerweile ist das Elbwasser längst deutlich sauberer.
Das Pumpspeicherwerk soll Stromspitzen abfangen
Das Pumpspeicherwerk war 1958 in Betrieb gegangen und hatte vor allem den Zweck, morgendliche Stromspitzen, wenn in Hamburg die Industriebetriebe ihre Anlagen hochgefahren hatten, abzufangen. Später wurde immer dann, wenn wenig Strom verbraucht wurde, Wasser mit den Pumpen in den Stausee befördert und rund um die Uhr bei Bedarf zur Stromerzeugung abgelassen.
Als die Landesregierung dann den „Wasserpfennig“ als Gebühr für die Nutzung von Kühlwasser in den Atomkraftwerken am Elbufer einführte, hatte man den extremen Bedarf von Wasser durch das Pumpspeicherwerk „vergessen“. Eine Nachbesserung des Gesetzes blieb aus, für Vattenfall war der Betrieb der unter Denkmalschutz stehenden Anlage plötzlich unrentabel geworden. Es läuft schon seit Jahren eigentlich nur noch der Unterhaltungsbetrieb, dabei könnte überschüssiger Windstrom gut genutzt werden, den Stausee zu füllen.
Es gab sogar Pläne für einen zweiten Stausee
„Alles, was den Betrieb des Pumpspeicherwerkes teuer macht, müsste sofort abgeschafft werden“, meint Schulze. Er geht davon aus, dass das Pumpspeicherwerk unter veränderten Rahmenbedingungen deutlich mehr genutzt werden könnte. Vattenfall hatte zwischenzeitlich sogar Pläne für einen zweiten Stausee nördlich der Bundesstraße. Hintergrund: Am Geesthang führen sichtbar drei 612 Meter lange Rohre vom Maschinenhaus am Elbufer in den Stausee. Dort ist aber bereits seit dessen Bau alles für den Anschluss von sechs Leitungen mit je 3,8 Metern Durchmesser vorbereitet.
„Pumpspeicher sind wie für die Energiewende gemacht, groß, sauber, flexibel, nachhaltig und vor allem langlebig. Es sind die großen Batterien, die immer dann zur Stelle sind, wenn sie als Speicher für den Strom aus erneuerbaren Energien oder als kurzfristige Lieferanten von Flexibilität und Strom gebraucht werden. Deshalb dürfen die Pumpspeicherwerke nicht zu Verlierern der Energiewende werden“, hatte Peter Apel, Geschäftsführer der Vattenfall Wasserkraft GmbH, zum 60-jährigen Bestehen der Anlage gesagt. Geändert hat sich seitdem aber nichts – trotz aller Probleme in der Energieversorgung derzeit.
Derzeit weniger Wasser im Becken
Derzeit hat Vattenfall für Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten den Füllstand des Beckens abgesenkt. Normalerweise befindet sich das Sediment zehn Meter unter der Wasseroberfläche. Jetzt schauen einige „Inseln“ aus dem Wasser hervor.
Von Timo Jann
LZ