„Das klassische Modell hat keine Zukunft“
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Robert Schröder, Barbara Peters und Christian Vahle (von links) praktizieren seit einem Jahr in Amelinghausen. Foto: bau
Amelinghausen. Hausärzte gehören zu den Grundpfeilern der medizinischen Versorgung. Dennoch droht seit Jahren bundesweit gerade in ländlichen und strukturschwachen Regionen ein Mangel an Allgemeinmedizinern. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Eine Hauptursache: Immer seltener finden in Ruhestand gehende Hausärzte für ihre Praxis Nachfolger. In Amelinghausen stellte sich vor etwa einem Jahr genau diese Situation dar.
In Amelinghausen drohte ein Engpass
Dankwart Masing, Facharzt für Allgemeinmedizin, blieb 2018 auf der Suche nach einem Nachfolger für seine über mehrere Jahrzehnte in dem Heideort betriebene Praxis Am Grenzweg 11 lange Zeit erfolglos. Das hätte für die rund 4000 Einwohner der Gemeinde, zusätzlich noch etwa 4000 in der Samtgemeinde, mit dann nur noch zwei in Amelinghausen bestehenden Hausarztpraxen (Elke Behr-Eggers sowie Elke Haroska/Christoph H. Haroska) einen erheblichen Engpass bei der ärztlichen Versorgung bedeutet. Letztendlich kam es dann doch zu einer Lösung: Die allgemeinmedizinisch-internistische Gemeinschaftspraxis Wriedel aus dem Landkreis Uelzen übernahm im April 2018 als Nebenbetriebsstelle ortsübergreifend die Einrichtung von Masing.
Drei Mediziner teilen sich die Arbeit in Amelinghausen
Seitdem ist ein Jahr vergangen. „Wir sind hier von der Bevölkerung, der Verwaltung und unseren ansässigen Kollegen sehr gut aufgenommen und unterstützt worden“, bilanziert Praxisinhaber Christian Vahle erfreut. Der 42-Jährige praktiziert in Amelinghausen gemeinsam mit Robert Schröder (39), seinem beruflichen Partner seit 2016 in Wriedel, sowie Barbara Peters (46). Sie ist als angestellte Fachärztin tätig. Vom drohenden Ärztemangel in Amelinghausen erfuhren Christian Vahle und sein Mitstreiter nur zufällig in privater Runde. „Danach haben wir uns intensiv damit auseinandergesetzt und beschlossen, auf neuen konzeptionellen Wegen einen zweiten Standort aufzumachen.“ Dazu gehört beispielsweise, dass sich die drei Mediziner die Arbeit in Amelinghausen teilen. Christian Vahle und Robert Schröder sind im Normalfall zweimal in der Woche vor Ort, ansonsten in Wriedel tätig. Barbara Peters ist an drei Tagen in der Sprechstunde, dazu kommen die Hausbesuche. Alle haben neben ihrer hausärztlichen Tätigkeit noch weitere fachliche Schwerpunkte wie Innere Medizin, Palliativmedizin oder Chirurgie. Zukünftig werden an beiden Standorten Ärztinnen im Rahmen ihrer allgemeinmedizinischen Weiterbildungszeit das Trio unterstützen.
„Nur durch diese Arbeitsteilung ist es möglich, vernünftig zum Wohle der Patienten zu arbeiten, aber auch seine eigene Lebensqualität zu erhalten“, sagt Vahle. Barbara Peters ergänzt: „Das klassische Hausarztmodell mit einem Arzt, der Jahrzehntelang jede Woche 50, 60 oder 70 Stunden arbeitet, hat keine Zukunft.“ Es sei generell wichtig, dass es eine ausgewogene Balance zwischen der Arbeit und dem (Familien-)Leben gebe. „Wir wollen schließlich langfristig tätig sein“, sagen die drei Mediziner.
Arbeitsteiliges Modell als Erfolg
Das Trio beklagt die Fülle administrativer Aufgaben mit Anfragen und Anträgen für Kassen und Behörden. „Wir haben extra eine Fachkraft eingestellt, die uns in diesem Bereich entlastet, damit wir uns um unsere vorrangige Aufgabe kümmern können, Patienten zu helfen“, sagt Christian Vahle.
Vielleicht macht ihr Modell auch anderswo Schule bei dem Versuch, die medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten sicherzustellen.
Hintergrund
Zahlen der kassenärztlichen Bundesvereinigung untermauern die Aussagen der drei Mediziner aus Amelinghausen. Demnach gab es 2016 in Deutschland 45.614 Hausärzte. Im Jahr 2005 waren es noch 53.255. Ihr Durchschnittsalter beträgt bundesweit 55,7 Jahre. Mehr als ein Drittel aller niedergelassenen Allgemeinmediziner ist über 60 Jahre alt. Nur 1066 Allgemeinmediziner sind zwischen 30 bis 39 Jahre alt.
Im Jahr 2016 legten 12.763 Ärzte ihre Facharztprüfung ab, darunter nur 1290 Fachärzte für Allgemeinmedizin bzw. Innere und Allgemeinmedizin. Ihr Anteil betrug damit nicht einmal 11 Prozent gegenüber früheren rund 40 Prozent. Die Dauer der Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin beträgt im Regelfall mindestens elf Jahre (sechs Jahre Studium und fünf Jahre Facharztweiterbildung).