Auf Gleisen reisen
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Idylle pur: Die Strecke führt durch herrliche Landschaften. Foto: sel
Alt Garge. In den Gleisen, die von Alt Garge nach Bleckede führen, steckt eine Menge Geschichte, sozusagen in drei „Epochen“ unterteilt. Wo heute Ausflügler eine insgesamt 17 Kilometer (Hin- und Rückfahrt) lange Strecke zwischen Elbstrand und Bleckeder Spröckel, so heißt der Wald im Osten des Ortes, per Draisine abradeln, fuhren einst Waggons vom Bleckeder Bahnhof zum Kraftwerk im Nachbarort Alt Garge. Während des zweiten Weltkrieges hatten Zwangsarbeiter die 6,7 Kilometer lange Bahnstrecke bauen müssen. Sie führte nicht nur zum Kraftwerk an der Elbe, sondern auch zum Lager B, einem Außenlager des KZ Neuengamme. Das war quasi Epoche eins der Gleisgeschichte.
Der kleine Bahnhof am Ortseingang entstand 1973
Nach dem Krieg übernahmen die Hamburger Electrizitäts-Werke, kurz HEW, die Kleinbahnstrecke für ihren Werksverkehr, der bis 1956 ging. Diese zweite Epoche prägte das Ortsbild mit seinen neuen Siedlungen und der zentral gelegenen Kantine, in der heute die Kita untergebracht ist. Der kleine Bahnhof am Ortseingang entstand 1973. Und am 1. Mai 2005 begann die dritte Epoche, denn an diesem Tag fand die erste Draisinenfahrt statt. Und bis heute schreibt die IG Draisine – der Verein, der dieses beliebte Freizeitvergnügen anbietet – eine Erfolgsgeschichte.
Maßgeblich verantwortlich dafür ist der Vorstand um den umtriebigen Vorsitzenden Gunter Hartwig. Gemeinsam mit seiner Frau Friedel begrüßt er an diesem Tag die Gäste, beantwortet geduldig Fragen zur Mechanik der Draisinen und der lokalen Geschichte und führt die Pedalisten in die „Verkehrsregeln“ ein. Denn an den Übergängen, wo also Gleise auf Straßen treffen, gilt es, vorsichtig zu sein beim Schrankenheben. „Dafür stehen Warnwesten und Fahnen zur Verfügung“, erklärt Friedel Hartwig. An den beiden Enden der Strecke müssen die Wagen, einer nach dem anderen, gewendet werden – auch das Wendemanöver wird erklärt, sodass es keine Probleme bereitet. Aber: Begegnungsverkehr muss unbedingt vermieden werden, denn es gibt ja nur ein Gleis für beide Richtungen. Willkommener Nebeneffekt an den Schranken: Man hilft sich untereinander, lässt auch die Draisinen der anderen Teilnehmer passieren, bevor es weitergeht. „Hier gibt es keinen Stress. Man schaltet ab und genießt die Natur. Zeit für die Strecke hat man genug“, sagt Hartwig. Stimmt.
Die reine Fahrzeit beträgt rund 1,5 Stunden – bleiben weitere 1,5 Stunden, um zu pausieren, zu picknicken oder sich in der Elbe zu erfrischen. Im April und Mai musste der Betrieb coronabedingt geschlossen bleiben. Jetzt brummt der Laden wieder – dreimal täglich (10, 13 und 16 Uhr sind die Startzeiten) ruckelt es auf den Gleisen. „Einen der zwei ausgefallenen Monate haben wir bereits aufgeholt“, freut sich Hartwig. Er ist optimistisch, dass er auf den zweiten Monat bald „wieder drin“ hat. Auf Zuschüsse verzichtet der Verein ganz bewusst: „Wir schaffen das auch so“, berichtet Hartwig stolz. Und bei Außenreparaturen kann er stets auf die Hilfe des Bleckeder Bauhofes zählen. In diesem Jahr neu hinzugekommen sind drei Info-Schaukästen – zwei am Bahnhof, die über die Geschichte der Kleinbahn und der Draisine Auskunft geben. Tatsächlich war Karl Friedrich Freiherr Drais von Sauerbronn Namensgeber des „Schienenfahrrades“. Eine weitere Infotafel steht im Spröckel und informiert über die Geschichte des Ölhofes. Arno Köhler-Schwarzer-Michel, der 2. Vorsitzende des Vereins, hat die Tafeln gestaltet. Sie ergänzen die schöne Tour durch schattige Wälder und mannshohe Maisfelder um viele interessante Informationen.
Die Draisinen lassen sich leicht bedienen und treten
Die Draisinen eignen sich auch für Betriebsausflüge oder auch für Hochzeiten und andere Feiern. Sie lassen sich leicht bedienen und ebenso treten, so haben auch Ella (9) und ihr Bruder Tim (5) keine Probleme mit der Fortbewegung. Im Gegenteil: Mit Begeisterung schlüpfen sie an den Übergängen in die Warnwesten, stemmen die Schranken hoch und sichern den Übergang per rot-weißer Fahne. Auch für Rollstuhlfahrer gibt es eine Draisine. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage der IG Draisine. Dort kann man auch unter www.ig-draisine-elbtalaue.de ganz unproblematisch eine Draisine reservieren.
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Gunter Hartwig ist Vorsitzender der IG Draisine, seine Frau Friedel ist Kassenwartin.
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Adnan (14) hält die Schranke nicht nur für seine Familie hoch, er lässt auch andere Pedalisten passieren. Fotos: sel
LZ