Meike Böhm vermittelt, wenn es zwischen Landwirt und Nutztier kriselt. Seit 2018 besucht die Tierkommunikatorin Ställe in ganz Deutschland, um für ein besseres Miteinander von Mensch und Tier zu sorgen. Am Mittwoch, 16. Juni, ist sie zu Gast im Landwirtschaftlichen Bildungszentrum (LBZ) Echem. Der LZ verrät sie vorab, warum Landwirte mit ihren Kühen sprechen sollten und wo Schweine den Menschen ähnlich sind.
Frau Böhm, landläufig gilt, profitable Nutztierhaltung und Tierwohl würden einander ausschließen. Sie hingegen versprechen, beides miteinander zu vereinen. Wie kann das gelingen?
Meike Böhm: Für mich gehen Tier- und Menschenwohl Hand in Hand miteinander, denn Nutztiere sind domestizierte Tiere, sie leben bei uns. Wenn es dem Menschen nicht gut geht, wie soll es dann den Tieren gut gehen? Ein Beispiel: Ist der Bauer total gefrustet, weil sein Hof gefährdet ist – wegen der Wirtschaft oder der Politik – trägt er diese negativen Gefühle mit in den Stall. Die Tiere bekommen seine Stimmung mit, es überträgt sich Stress. Und Stress, da sind sich Mediziner und Forscher einig, ist der Auslöser Nummer eins für Krankheiten. Nehmen wir den Stress raus, gibt es kaum noch Euter-Entzündungen oder festliegende Kühe, auch Klauen-Probleme heilen schneller ab.
Soll heißen: Eine gute Kommunikation zwischen Bauer und Nutztier wirkt leistungssteigernd?
Richtig. Ich betreue eine Bäuerin, die vor Kurzem angefangen hat, mit ihren Kühen zu sprechen. Nicht nur Blablabla, sondern effektiv. Sie erklärt die Dinge, die sie tut – und ganz wichtig: auch warum. Die Bäuerin hat jetzt 100 Liter Milch mehr im Tank.
Wie darf ich mir so ein Gespräch zwischen Mensch und Kuh vorstellen?
„Du, ich muss mal eben an Dein Euter, um die Wunde zu behandeln“, wäre zum Beispiel so ein Satz, den die Kuh versteht. Sie denkt dann: „Okay, da ist jemand, der hat einen Grund und einen Plan, der ist verlässlich.“ Oft sind Landwirte überrascht: Sie müssen die Tiere nicht mehr fixieren, sie können die Kühe einfach behandeln, weil sie freundlich stehen bleiben. Hilfreich sind dabei auch Namen: Wenn ein Tier einen Namen hat, spricht man es automatisch anders an. Ich erinnere mich da an eine Bäuerin, die extrem genervt von zwei ihrer Kühe war, weil sie immer wieder den täglichen Ablauf gestört haben. Sie nannte sie „Schnitzel“ und drohte: „Es geht bald in die Wurst!“ Aber Kühe sind Frauen – und sie wollen auch dementsprechend behandelt werden. Sie wollen Wertschätzung erfahren, wie wir Menschen bei der Arbeit. Wenn der Chef auch mal lobt, geht man am nächsten Tag doch auch gerne wieder ins Büro. Betrachten Sie die Tiere also als ihr Team und sagen auch mal so etwas wie: „Frau Schmidt, Sie haben heute wirklich gute Arbeit geleistet!“
Wo liegen die größten „Kommunikationskiller“ in deutschen Stallanlagen?
Das größte Problem liegt darin, dass wir häufig nicht erwarten, dass die Tiere uns verstehen und auch danach handeln können. Ich kenne jedoch Bauern, die sagen: „Wenn ich meinen Kühen erkläre, dass heute Klauen-Pflegetag ist, brauche ich den Viehtreiber nicht mehr.“ Damit rechnet ja aber kaum jemand. Auch die Trennung vom Kalb läuft viel ruhiger, wenn man es vorher kommuniziert, und der Gang auf den Schlachttransporter. Das ist wunderschön. Wenn du den Kühen drei Tage vorher Bescheid sagst, machen sie sogar das Trockenstellen größtenteils allein. Reden hilft: „Pass auf, Dein Kalb kommt bald. Erhole dich, fahr mal die Produktion runter und konzentriere Dich voll und ganz auf die Geburt.“
Sie möchten doch jetzt nicht behaupten, dass Kühe Deutsch lernen könnten...
Nein, natürlich nicht. Aber stellen Sie sich mal vor, Sie liegen in Finnland mit dem Fahrrad im Graben und ein Rettungssanitäter kommt und erklärt, wie er jetzt vorgeht und sorgt dafür, dass sie wach bleiben. Selbst wenn Sie kein Finnisch verstehen, stellt sich doch die beruhigende Erkenntnis ein: Ah, der hat einen Plan. Wir sprechen nicht nur in Worten, sondern auch mit Bildern und Eindrücken. Und genau das ist das, was die Tiere empfangen. Es ist eine Art von Telepathie und Empathie. Und dass Tiere empathisch sind, dazu gibt es viele Beiträge aus der Wissenschaft.
Wie viel Empathie für das einzelne Individuum ist bei mehreren Tausend Schweinen in einem Maststall möglich?
Man kann auch den ganzen Stall ansprechen. Ein Beispiel aus meiner Praxis: Wenn Sie im Eingang eins Hühnergeheges stehen und sich im Geiste vorstellen, wo lang sie gehen wollen, sage ich Ihnen: Das klappt, ohne dass ein Tier hektisch wird oder durch den Stall fliegt. Sie machen automatisch den Weg frei. Warum? Weil unsere Körpersprache ganz viel erklärt. Das ist eine lautlose Kommunikation, die auch in der Masse funktioniert.
Welchen Einfluss hat die Politik auf die Mensch-Tier-Beziehung in der deutschen Nutztierhaltung?
Ein Problem ist die fehlende Anerkennung von allen Seiten. Da werden Verordnungen gemacht, die gar nicht umsetzbar sind, weil die Bauern vorab nicht gehört werden. Unter diesem Mangel an Anerkennung leidet das Selbstwertgefühl der Landwirte – und das ist ein Beziehungskiller für alles. Ich kenne keinen guten Chef, der nichts von sich hält.
Viel diskutiertes Thema in der Politik ist die Schweinehaltung, etwa das Kupieren der Ringelschwänze. Können Sie da helfen?
Ein Landwirt wollte mal von mir wissen, warum er trotz großer Bemühungen noch immer viele Schweine hat, die sich gegenseitig in die Schwänze beißen. Ich habe ihn gefragt: „Wenn Sie das ganze Leben lang mit jemandem in einem Raum leben müssen, den Sie auf den Tod nicht riechen können, würden Sie das aushalten?“ Antwort: „Keine drei Minuten.“ Seine Schweine dürfen sich nun aussuchen, mit wem sie zusammenleben wollen, ihre Gruppen selbst gründen, denn auch Schweine können Freundschaften schließen. Wenn sich Kinder bei einem Schulausflug ein Zimmer mit jemandem teilen müssen, mit dem sie zerstritten sind, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu Kloppereien. Da sind sich Mensch und Tier sehr ähnlich.
Es gibt zahlreiche Label, die Tierwohl versprechen. Wo kann der Verbraucher sicher sein, dass die Tiere gut gehalten wurden und zufrieden sind?
Ich kann da keine konkrete Empfehlung aussprechen, aber kleiner Tipp: Besuchen Sie die Höfe doch einfach. Fahren Sie direkt zum Bauern und schauen, ob es den Kühen dort gut geht und sagen persönlich Danke.
Zur Kuh oder zum Bauern?
Zu beiden. Sie sind doch ein Team, das zusammenarbeitet und Anerkennung dafür verdient.
Von Anna Petersen