Kommentar: Es kommt ein Zug von nirgendwo
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Es hätte eine große Chance für den öffentlichen Nahverkehr werden können. Die Spritpreise kratzen weiter an der 2-Euro-Marke, mit dem Auto zur Arbeit nach Hamburg zu pendeln, ist ein teures Vergnügen geworden. Gerade zu dieser Zeit wird das Angebot der Bundesregierung umgesetzt, voraussichtlich von Juni bis August für nur neun Euro pro Monat auch sämtliche Bahnen und Busse des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) nutzen zu können.
Für Fahrten von Lüneburg nach Hamburg wäre dann der Metronom das Verkehrsmittel der Wahl. Für einen Tagesausflug in die Elbmetropole. Und vielleicht werden auch nicht wenige Berufspendler mal versuchen, den Weg zur Arbeit mit dem Zug zurückzulegen. Es wird für sie, das muss man heute schon befürchten, keine gute Erfahrung werden. Denn der öffentliche Nahverkehr aus dem südlichen Speckgürtel in die zweitgrößte Stadt Deutschlands ist lange schon an der Kapazitätsgrenze angelangt.
Und dazu ist das einstige Vorzeigeunternehmen Metronom zum unzuverlässigen und maroden Anbieter mutiert. Schmutzige Züge und tägliche Verspätungen sorgen mehr denn je für Pendler-Frust. Dass hier einiges schief läuft, werden auch Kunden auf Probe schnell zu spüren bekommen.
Euphorisch war das Uelzener Eisenbahnunternehmen im Jahr 2003 zunächst auf den Strecken Hamburg-Uelzen und Hamburg-Bremen gestartet. Topmoderne, gelb-blaue Doppelstockwagen, ein schickes Design, Snack- und Getränkeautomaten in jedem Zug. Der Metronom setzte in den Folgejahren weiter Maßstäbe, führte gegen die Bedenken des trägen HVV ein Alkohol-Konsumverbot ein, das letztlich im gesamten Verkehrsverbund übernommen wurde. Immer neue Strecken wurden dem jungen Unternehmen zugeschlagen.
Doch in den vergangenen Jahren ging es schleichend abwärts. Die Snackautomaten sind längst Geschichte, die Züge kommen in die Jahre, werden gefühlt immer weniger gepflegt. Und der Metronom verliert wieder Linien an die Deutsche Bahn.
Und dann wird jetzt noch die Anschaffung erster neuer Züge ein kompletter Reinfall. Die dafür verantwortliche Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) lässt sich zwei Pannen-Modelle andrehen, bei denen die Deutsche Bahn dankend abgewunken hatte, weil sie ihr nicht alltagstauglich erschienen. Das bestätigte sich schnell. Seit nunmehr einem Dreivierteljahr versucht Metronom, die Züge fit zu machen. Doch sie fallen immer wieder aus, regelmäßig lesen Pendler „Reparatur am Zug“ als Begründung für eine Verspätung oder sogar einen Ausfall.
Natürlich gibt es auch andere Gründe dafür, warum Metronom oft dem Fahrplan hinterher fährt. Denn der Nahverkehr muss sich quasi hinten anstellen auf den überlasteten Gleisen und immer wieder verspätete ICE-Züge überholen lassen. Und auf den Stellwerken der Deutschen Bahn lässt man auch schon mal gerne einen langsameren Güterzug vorweg fahren.
Doch das Problem der Fehleinkäufe lässt sich nicht wegdiskutieren. Auch nicht die Tatsache, dass ausgerechnet in den beiden neuesten Zügen der Flotte Zugbegleiterinnen schwere Rampen mit Muskelkraft aus Schränken holen und aufklappen müssen, damit etwa Rollstuhlfahrer auf den Bahnsteig gelangen können. Das soll die neueste technische Errungenschaft sein? Natürlich hagelte es prompt harsche Kritik vom Behindertenbeirat.
Unter Pendlern und Personal wächst der Frust. Die Unzuverlässigkeit der neuen Modelle ist so groß, dass die Hotline des Metronom mittlerweile empfiehlt, auf andere Verbindungen auszuweichen.
Die treuesten Kunden, die zum Teil deutlich mehr als 100 Euro für die Monatskarte zahlen, sollen damit leben, dass das Angebot einfach nicht mehr wie versprochen erbracht wird? Das zeigt, wie verzweifelt man mittlerweile in der Uelzener Firmenzentrale sein muss. Und die LNVG, zum Großteil mitverantwortlich für das heraufbeschworene Dilemma, redet die Situation immer noch schön, beschwichtigt und weicht aus.
Es ist jetzt an der Zeit für eine neue Weichenstellung.
Ein Kommentar von Thomas Mitzlaff