Pater und Bestseller-Autor Anselm Grün tritt am 17. Juni mit einer Konzert-Meditation in der Kreuzkirche in Lüneburg auf. Im Interview spricht er über seine Hoffnungen für die Kirche und warum er niemanden missionieren will
Lüneburg. Er ist ein Phänomen: Benediktinermönch Anselm Grün ist Europas meistgelesener spiritueller Autor. 20 Millionen Bücher hat er weltweit verkauft, übersetzt in 31 Sprachen. Er hält jährlich mehr als 200 Vorträge im In- und Ausland – und das in einer Zeit, in der die Kirche global an Glaubwürdigkeit und Anhängern verliert. Anlässlich seiner Konzertreihe “Bilder der Seele”, die am 17. Juni in Lüneburg Station macht, spricht der Ordensmann mit LZ-Mitarbeiterin Clara Dembinski über die Sehnsucht der Menschen und seine Hoffnung, dass sich die Kirche verwandelt.
Bald sind Sie in Lüneburg zu sehen. Was ist unter dem Titel “Bilder der Seele” zu verstehen?
Anselm Grün: Meine Worte und die Musik bringen Bilder zum Vorschein, die jeder in sich trägt und die einem helfen, zu sich selbst zu finden. Dafür betrachten wir das Kirchenjahr, das eigentlich ein therapeutisches System ist. Wir wollen, dass die Menschen diese Bilder neu entdecken und dadurch in ihrem Inneren Harmonie schaffen. In meinen Texten will ich dabei nicht moralisieren oder dogmatisch sein. Die Bilder, die ich aufzeichne, sollen vielmehr ein Fenster in den Menschen öffnen.
Musikalisch begleitet werden Sie von dem Blockflötisten Hans-Jürgen Hufeisen. Was wollen Sie gemeinsam bei Ihrem Publikum auslösen?
Ich hoffe, dass sie mit sich selbst und ihrer Seele in Berührung kommen. Ständig strömen unzählige Bilder auf uns ein, die unser Bewusstsein prägen. Leider gehören dazu auch schreckliche Bilder wie die von dem Ukraine-Krieg. Musik und auch Worte können da sehr heilsam sein und einem zeigen, dass diese Dinge keine absolute Macht über uns haben.
Wieso brauchen Menschen diese heilsamen Bilder?
Viele fühlen sich momentan ohnmächtig gegenüber dem Krieg in der Ukraine, dem Klimawandel und anderen Problemen. Diese Ohnmacht lähmt, und das tut dem Menschen nicht gut.
“Bilder wollen nicht belehren”, schreiben Sie.
Belehren macht die Menschen eher aggressiv. Mein Ziel ist es, die Menschen in Berührung zu bringen mit der Weisheit ihrer Seele.
Ist das eine Art Lebenshilfe?
Lebenshilfe schon, aber ich bin kein Ratgeber. Das klingt sonst so, als würde ich von außen wissen, was das Beste ich. Ich möchte eigentlich, dass die Menschen sich selbst wieder mehr vertrauen. Das ist eine Hilfe, in dieser Welt nicht unterzugehen, nicht erdrückt zu werden, sondern mit dem Heilen in sich in Berührung zu sein.
Und wie geht das?
Ich glaube, dass jeder Mensch eine tiefe Sehnsucht in sich spürt. Die Sehnsucht nach Heil sein, nach Gesund sein und auch nach dem Göttlichen. Indem ich daran glaube, kann ich die Menschen auch ansprechen. Würde ich nicht an dieses Gute in ihnen glauben, könnte ich auch nicht das Gute in ihnen wecken.
Sie werden immer wieder für Ihre liberale Haltung gegenüber dem Katholizismus kritisiert. Warum?
Viele, die mich kritisieren, haben Angst, das Christliche werde aufgelöst. Aber es geht da ja nicht darum, ob ich recht habe und der andere nicht, sondern was sind seine Anliegen und Sehnsüchte. Ich versuche dann zu hören: Wo ist die Kritik berechtigt und welches Menschenbild steckt dahinter?
In Bezug auf die Kirche wünschen Sie sich "Verwandlung statt Veränderung.”
Ich denke, diese Verwandlung ist schon im vollen Gange. Natürlich gibt es auch Widerstände, aber die äußeren Umstände zwingen auch die Kirche, sich zu wandeln. Veränderung ist häufig mit einer sehr ablehnenden Haltung verbunden. Verwandlung bedeutet stattdessen, es ist gut so, wie es ist, aber es ist noch nicht das Eigentliche. Genauso wie ich noch nicht der bin, der ich wirklich bin, ist auch die Kirche noch nicht so, wie sie eigentlich sein sollte.
Wie sieht diese Verwandlung denn konkret aus?
Dass die Kirche das Moralische ablegt und den Sehnsüchten und Fragen der Menschen wieder mehr Gehör schenkt. Sie muss eine Sprache finden, die die Menschen wieder berührt. Und dass sie demütiger wird.
Sie sind einmal als “Ersatzdroge für die Katholische Kirche” betitelt worden.
Das möchte ich natürlich nicht sein. Eine Droge verbinde ich eher mit Gefahr, einem Ausweichen der Wirklichkeit in eine heile Welt. Ich möchte in der Realität schauen. Wie kann ich leben und trotzdem mit dem Heilen in Berührung kommen? Ich verbreite die christliche Tradition aber eben mit einer offenen Sprache, und da merken die Leute, das ist nicht so verstaubt, wie die Kirche häufig gesehen wird. Meine Sprache entspricht da eher den Menschen. Ich will eben nicht missionieren, sondern die Menschen da abholen, wo sie stehen.
Gibt es für Sie so etwas wie einen Ruhestand?
Ich traue meinem Gefühl und meinem Körper. Ich arbeite, solange es mich lebendig hält und ich das Gefühl habe, dass ich Menschen helfen kann.
Karten für die Konzert-Meditation "Bilder der Seele" am Freitag, 17. Juni, um 19:30 in der Pianokirche (Kreuzkirche) mit Anselm Grün (Sprecher), Hans-Jürgen Hufeisen (Blockflötist) und Oskar Göpfert (Klavier) sind im Vorverkauf zu 22 Euro (ermäßigt 19 Euro) unter (04131) 740444 oder tickets@landeszeitung.de erhältlich. An der Abendkasse kostet der Eintritt 25 Euro (ermäßigt 22 Euro).