Der technische Leiter der TSC Real Estate führt Journalisten durch das Gebäude Vor der Sülze 1. (Foto: be)
Im Streit um die Räumung eines Seniorenheims kommt langsam Licht ins Dunkel. Während der Stadt rein rechtlich kein Vorwurf zu machen ist, erhärten sich die Anzeichen dafür, dass der Pflegeheimbetreiber Dorea den Brandschutz im Gebäude vermutlich vernachlässigt hat.
Lüneburg. Nach zahlreichen Terminen von Stadt und Betreiber in der vergangenen Woche, mit und ohne Presse, zeichnet sich nun langsam ein immer vollständigeres Bild von den Vorgängen rund um das Seniorenheim „Wohnpark an der Alten Saline“ ab. Demnach muss sich die Stadt offenbar keine Vorwürfe machen lassen, legte bei mehreren Terminen offen, dass sie sich an den gesetzlichen Vorgaben orientiert habe. Beim Pflegeheimbetreiber Dorea hingegen mehren sich die Anzeichen, dass gesetzliche Anforderungen mit Blick auf den Brandschutz möglicherweise nicht in Gänze erfüllt worden sind. Unterdessen konnten noch immer nicht alle 67 Bewohner, die den Wohnpark verlassen müssen, in einer anderen Pflegeeinrichtung untergebracht werden. Bislang sind erst rund 30 Plätze gefunden worden – davon jedoch keiner im Landkreis Lüneburg. Das teilte der Betreiber mit. In den vergangenen Tagen haben die Angehörigen der Wohnpark-Bewohner drei zentrale Vorwürfe formuliert: Erstens sind die zuletzt festgestellten Mängel ihrer Ansicht nach baulicher Natur, hätten folglich bereits bei der Endabnahme des Gebäudes im Jahr 2007 auffallen müssen. Deshalb warfen Sie den Behörden Versagen vor. Tatsächlich aber fielen nach Recherchen der LZ Seniorenheime 2007 noch nicht unter die Vorgaben für besonders schutzwürdige Wohneinrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäuser. „Das ist erst seit der Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) im Jahr 2012 der Fall“, bestätigt auch Stadtpressesprecher Florian Beye. In der Folge wurden neben den Betreibern auch die Behörden zu regelmäßigen Überprüfungen der Brandschutzanlagen verpflichtet. Hier knüpft der zweite zentrale Vorwurf der Angehörigen an: Demnach sind die Behörden dieser Pflicht erst im Oktober 2020 zum ersten Mal nachgekommen – sieben Jahre nach dem Inkraftreten der novellierten Bauordnung. Antworten auf die Frage, warum die Überprüfung erst so spät erfolgte, gibt es vom zuständigen Landkreis Lüneburg bislang noch nicht. Der dritte Vorwurf der Angehörigen zielt auf die Räumungsverordnung. Diese lasse den Gesundheitszustand der Bewohner vollkommen unberücksichtigt, ein gewisses Maß an Empathie gegenüber den Lebensumständen der Angehörigen vermissen und sei, ob der prekären Situation in der Pflegebranche, viel zu kurzfristig ausgesprochen worden. Diesen Vorwurf weist die Stadt zurück. „Aus unserer Sicht gibt es in dieser Situation keinerlei Ermessensspielraum. Die Stadt hat so gehandelt, wie sie handeln musste“, sagt Pressesprecher Beye. Der Stadtverwaltung zufolge wurde im Oktober 2020 eine Brandverhütungsschau im „Wohnpark an der Alten Saline“ durch den zuständigen Landkreis Lüneburg durchgeführt. Dabei hätten die Prüfer unterschiedliche Mängel festgestellt, die in der Folge jedoch nur zum Teil behoben worden sind. Außerdem hätten technische Prüfberichte und die Dokumentation über die brandschutztechnischen Anlagen gefehlt. Diese Berichte müssen von Pflegeheimbetreibern lückenlos geführt und auf Verlangen vorzeigt werden. Laut Stadt habe der Betreiber dies trotz mehrfacher Aufforderung nicht getan. Erst im Mai habe Dorea die geforderten Nachweise erbracht. Der Betreiber hingegen wundert sich über den heftigen Gegenwind, sieht sich zu Unrecht in der Kritik. „Wir sind selbst überrascht vom Ausmaß der Mängel. Das habe ich in 20 Jahren Pflege noch nicht erlebt“, sagt Steffen Ritter, Pressesprecher der Dorea. Den Angehörigen hat das Pflegeunternehmen angeboten, die Kosten für den Umzug der Wohnpark-Bewohner zu übernehmen. Doch das reicht vielen nicht aus. Sie fordern auch die Differenz der Heimkosten für den Fall ein, dass die neue Einrichtung teurer ist. Von Kevin R. Thomas
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