Menschenrechte sind eine bleibende Verpflichtung

Alessandra Asteriti ist Juniorprofessorin für Internationales Wirtschaftsrecht. (Foto: Leuphana)

Alessandra Asteriti ist Juniorprofessorin für Internationales Wirtschaftsrecht. (Foto: Leuphana)

Es war der 10. Dezember 1948 als sie von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris verkündet wurde: die allgemeine Erklärung der Menschenrechte. 70 Jahre später hat sie an Aktualität nichts eingebüßt.

Die Leuphana Universität bietet einen weltweit einzigartigen Master-Studiengang zum Thema Menschenrechte an.

Wir sprechen mit der Studiengangsleiterin Alessandra Asteriti im Interview mit der Landeszeitung über die Relevanz und Entwicklung der Menschenrechte. Das Interview wurde aus dem Italienischen übersetzt von Elena Gulli.

Frau Asteriti, Sie lehren an der Leuphana Universität den Studiengang „Governance and Human Rights“, der in dieser Form weltweit einzigartig ist. Was lernt man in diesem Studiengang und in welchen Berufen können Absolventen tätig werden?

Alessandra Asteriti: Der Studiengang verbindet die Theorie und Praxis der Menschenrechte. Er soll den Studenten theoretisches Wissen und praktische Mittel an die Hand geben, um sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte und gemäß den Prinzipien des Good Governance arbeiten zu können. Der Kurs bereitet auf Berufe in Nichtregirungsorganisationen, in Ministerien, im Journalismus oder auch in der Industrie vor, um die soziale Verantwortung der Betriebe zu unterstützen.

Warum ist der Studiengang relevant und was begeistert Sie persönlich am Thema?

Asteriti: Ich halte den Schutz der Menschenrechte nicht nur für eine Pflicht der Staaten, die sich mit internationalen Verträgen dafür verpflichten. Es ist auch ein Recht und eine Pflicht jedes Einzelnen. Es ist für jeden wichtig, sich der eigenen Rechte bewusst zu sein und, dass die Rechte von allen im gleichen Maß geschützt werden. Ich finde es faszinierend, zu sehen, wie universell die Sprache der Menschenrechte geworden ist, auch, wenn es noch Meinungsverschiedenheiten gibt, welche Rechte die wichtigsten sind.

70 Jahre Menschenrechte: Was bringen Sie uns, wenn sich viele Staaten nicht an sie halten?

Asteriti: Tatsächlich redet man oft über die Menschenrechte anlässlich ihrer Verletzung, häufig schwerwiegende Verstöße. Das bedeutet aber nicht, dass es unnötig geworden ist, weiterhin die Bedeutung der Menschenrechtsverplichtungen der Staaten zu betonen. Noch wichtiger ist es, die moralischen Werte jedes einzelnen Menschen nicht zu verlieren.

Welches ist für Sie persönlich das wichtigste Menschenrecht?

Asteriti: Für das Völkerrecht ist klar, dass das wichtigste Menschenrecht – in dem Sinne, dass Einschränkungen oder Ausnahmen nicht zulässig sind – das absolute Folterverbot ist. Für mich und im Allgmeinen, ist der Schutz der Menschenwürde, ohne Differenzierung, von besonderer Wichtigkeit. Es ist das Prinzip, dass auch das Grundgesetz inspiriert.

Der UN-Sozialausschuss hat jüngst gerügt, dass Deutschland gegen den UN-Sozialpakt verstößt, indem es Lebensmittel in Entwicklungsländer exportiert und damit die dort heimischen Bauern ruiniert. Zudem werde gegen die Menschenrechte der Armen in Deutschland verstoßen. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?

Asteriti: Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte sind zwar ein wesentlicher Bestandteil des internationalen Menschenrechtsschutzsystems, sind jedoch problematisch umzusetzen, so lange sie sich nicht auf politische Rechte beziehen. Das liegt darin begründet, dass Staaten politische Entscheidungen bezüglich ihrer öffentlichen Ausgaben treffen müssen. Es stimmt, dass die Erwartungen an Entwicklungsländer und westliche Länder unterschiedlich sind. Deshalb ist es vielleicht eine der wichtigsten Aufgaben von Experten und Menschenrechtlern die Staaten daran zu erinnern, dass Menschenrechte unteilbar und voneinander abhängig sind. Sie sollten nicht zur Spaltung der Gesellschaft oder der Völker verwendet werden.

Jahrzehntelang gab es global Fortschritt in Sachen Menschenrechte. Mit dem Aufstieg des Populismus scheint das Pendel nun zurückzuschlagen. Kommen dunkle Zeiten auf uns zu?

Asteriti: Es ist schwer, in Zeiten wie diesen, optimistisch zu bleiben. Was zählt ist, den Optimismus des Wollens zu behalten, auch wenn unsere Intelligenz und unser Verständnis der aktuellen Bedingungen uns zum Pessimismus einladen. Es ist notwendig, mit noch mehr Kraft und Beharrlichkeit für die Einhaltung der Menschenrechte zu kämpfen, ganz besonders, wenn diese bedroht sind.

Der Westen hat oft im Sinne der Menschenrechte interveniert – mit zum Teil verheerenden Ergebnissen – Libyen, Irak, Afghanistan. Kann man das westliche Konzept der Menschenrechte nicht exportieren?

Asteriti: Ich glaube, dass alle Kulturen ein Wertesystem haben und, dass es nicht unmöglich ist, sich auf bestimmte Grundwerte zu einigen. Menschenrechte als Ausrede für Militärinterventionen zu benutzen, die wenig mit der Verteidigung der Rechte zu tun haben, hat einen doppelten Nachteil: Ihr Wert wird untergraben und ein Dialog auf der Grundlage einiger Kernrechte sowie die Entwicklung der internationalen Beziehungen, wird unmöglich gemacht.

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Veranstaltungen und Aktionen

organisiert unter dem Motto „Schreib für die Freiheit“ rund um den Tag der Menschenrechte einen Briefmarathon.

richtet sich dann auf das Schicksal Einzelner, denen mit tausenden Briefen gezeigt werden soll, dass sie nicht allein sind. Gleichzeitig soll der Druck auf Regierungen erhöht werden, um zu unrecht inhaftierte Menschen freizulassen, diskriminierende Gesetzestexte zu ändern und politische Aktivisten in ihrer Arbeit zu stärken. Im Jahr 2017 kamen 5,5 Millionen Briefe, E-Mails, Appelle und Unterschriften beim Briefmarathon zusammen. Die Lüneburger Amnesty-Gruppe beteiligt sich wieder an der Aktion. Bei ihrem Gruppentreffen am Mittwoch, 12. Dezember, ab 19.30 Uhr im Gemeindehaus St. Nicolai, Lünerstraße 15, schreiben die Mitglieder Solidaritätsnachrichten an Menschen, deren Rechte verletzt werden. Wer mag, kann sich gern beteiligen.

ist zudem eine Veranstaltung übertitelt, zu der die Lüneburger Gruppe für Montag, 10. Dezember, einlädt. Kamal Chomani, irakisch-kurdischer Journalist, wird ab 19 Uhr bei der Volkshochschule an der Haagestraße ein Gespräch mit Dr. Steffi Hobuß von der Universität führen. Der 32-Jährige berichtet hauptsächlich über die Situation der kurdischen Minderheiten in Iran, Irak, Syrien und der Türkei. Musikalisch umrahmt wird der Abend von Farrokh Fouladi aus dem Iran. Zwei Entführungsversuchen durch Unbekannte 2011 und 2015 konnte er nur knapp entkommen. Endgültig lebensbedrohlich wurde seine Lage, als er sich 2017 öffentlich gegen die Pläne für ein Unabhängigkeitsreferendum der Nord-Irakischen Kurden positionierte. Danach erhielt er sogar Morddrohungen. Der Musiklehrer musste seine Heimat aus religiösen Gründen verlassen und lebt seit Oktober 2015 in Lüneburg. In der Pause gibt es ein Buffet. Der Eintritt ist kostenfrei. Die Gruppe bittet jedoch um Spenden.

über Menschenrechte wollen die Evangelische Familien-Bildungsstätte und das Mosique am Montag, 10. Dezember, in der Lüneburger Innenstadt verteilen.

LZ

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