Zwei Corona-Fälle im Team haben für eine Drehpause bei Rote Rosen gesorgt – nur eines von vielen Themen, die zuletzt das gesamte Team und auch die Fans beschäftigten. Die Verlängerung des Vertrages mit der ARD, der unfreiwillige Ausstieg von Gerry Hungbauer, reichlich Promi-Gastauftritte von Wencke Myhre bis Pierre Littbarski – die LZ arbeitet all das im Interview mit Produzent Jan Diepers auf.
Lüneburg. Die geplante Geburtstagsfeier zum 15-jährigen Bestehen der Roten Rosen musste coronabedingt verschoben werden, doch das Team der Studio Hamburg Serienwerft GmbH, das die Serie seit 2006 in Lüneburg produziert, dürfte dennoch zufrieden auf 2021zurückblicken und zuversichtlich ins neue Jahr starten. Denn die ARD hat im Dezember einmal mehr den Vertrag verlängert und damit die Arbeitsplätze in Lüneburg gesichert. Über die aktuelle Entwicklung der Serie sprach die LZ mit Rosen-Produzent Jan Diepers.
Herr Diepers, heute ist der Tag in der Woche, an dem Sie fünf Folgen der Serie am Stück gucken. War es heute ein Vergnügen oder haben Sie viel Kritik üben müssen?
Jan Diepers: Es ist doch immer ein Vergnügen, die Roten Rosen zu sehen. Tatsächlich ging es heute um Folgen mit einer neuen Gastrolle. Dabei geht es um den lange verschollenen, totgeglaubten Vater von Amelie, Britta und Philip, der von Mathieu Carrière gespielt wird. Und es war schön zu sehen, dass das, was wir uns dabei gedacht haben, auch aufgegangen ist und funktioniert hat.
Jüngst hat die ARD den Rosen-Vertrag wieder um ein Jahr verlängert. Haben Sie darauf schon mit dem Team angestoßen?
Anstoßen können wir ja nicht in Corona-Zeiten. Wir wollten eigentlich auch eine große Feier zum 15. Geburtstag veranstalten, aber das ging wegen Corona nicht. Wir haben jetzt einfach die zuletzt begonnene Staffel zur Jubiläums-Staffel gemacht. Wir hätten also noch bis zum Ende der Staffel Zeit, die Feier nachzuholen. Das wollen wir im Frühjahr machen. Aber zurück zur Frage: Wir hatten am Tag, als die Entscheidung publik wurde, abends eine Mitarbeiterversammlung anberaumt, weil ich wusste, wann bei der ARD die Sitzung war. Da haben sich die Kollegen schon gefreut, weil es ja auch ein Zeichen ist, dass die ganzen Anstrengungen des abgelaufenen Jahres honoriert werden.
Täuscht der Eindruck, dass die Fortsetzung nicht mehr so ein Selbstläufer war wie vielleicht noch in den Anfangsjahren?
Die Sendung war nie ein Selbstläufer, es hat nur so gewirkt. Die Rosen waren mal für 100 Folgen geplant. Die liefen aber so gut, dass die ARD gesagt hat, das machen wir weiter. Heute sind wir bei über 3600 Folgen. Mit jeder Verlängerung kam die Serie wieder auf den Prüfstand. Passt die Serie noch in diese Medienlandschaft und in die Sendeplatzstruktur? Es ist eine ganz normale Sache, dass alles hinterfragt wird – nicht nur Rote Rosen. Es wird ja nicht die Bedeutung der Rosen hinterfragt, sondern, ob man an diesem Sendeplatz noch so viel Geld ausgeben kann und darf. Das ist vollkommen okay.
Können Sie denn sparen, ohne dass es zu Lasten der Qualität geht?
Das tun wir gerade. Das jetzt bestellte Auftragsvolumen ist zum Beispiel ein bisschen kleiner als jenes der vorangegangenen Staffel. Weniger Folgen bedeuten für uns zwar weniger Umsatz, aber entsprechend auch weniger Investitionen. Es reicht trotzdem aus für die ARD-Programmversorgung auf dem bekannten Sendeplatz bis Ende 2023. Darüber hinaus gibt es immer Prozesse, die man optimieren kann. Das tun wir seit etwas mehr als einem Jahr, und Sie sehen es der Sendung nicht an. Im Gegenteil: Die Qualität nimmt von Staffel zu Staffel zu. Ich nenne mal als Vergleich ein Beispiel: Wenn Sie eine alte Glühbirne austauschen gegen eine LED-Leuchte, tun Sie was Gutes für die Umwelt und sparen langfristig noch Geld. Wir haben im vergangenen Jahr in eine komplett neue Technik investiert, von der wir jetzt, da das Auftragsvolumen kleiner wird, profitieren. Sie ist moderner, sieht für den Zuschauer besser aus und ist auch noch wirtschaftlicher.
Wenn es um die Rundfunkgebühr geht, gerade auf politischer Bühne, führen Kritiker dennoch gern mal die Roten Rosen als Beispiel dafür an, dass zu viel Geld für vermeintlich seichte Stoffe ausgegeben wird. Ärgert sie sowas?
Überhaupt nicht. Jeder kann ja seine eigene Meinung kundtun. Ich finde nur, dass man manchmal darüber nachdenken sollte, was die Bemessungsgrundlage für ein solches Urteil ist. 2021 haben wir im Schnitt fast 1,5 Millionen Menschen in der Ausstrahlung oder via Mediathek erreicht und zwar täglich. Für diese Menschen ist die Serie offensichtlich sehr wichtig. Sich hinzustellen und zu sagen, dass so viele Zuschauer nur an seichter Kost interessiert seien und dass man für sie lieber etwas anderes senden sollte, halte ich für schwierig. Ich bin der Meinung: Wir brauchen alles in einer gesunden Medienlandschaft: politische Magazine, aber auch tägliche Serien. Bei manchen Äußerungen merkt man aber schon: Da hat jemand noch nie eine Telenovela gesehen.
Die Zuschauer halten den Rosen seit 15 Jahren die Treue. Warum hat die Serie noch immer eine Berechtigung?
Weil sie sich kontinuierlich ändert und sie mit unseren inhaltlichen Ansprechpartnern beim NDR immer wieder an die gesellschaftliche Veränderung angepasst wird. Ferner ist bei täglichen Formaten noch ein weiterer Faktor sehr wichtig: Es gibt eine Vertrautheit, man kennt die Figuren, die wie Freunde funktionieren. Warum gehört die Serie Friends immer noch zu einem der meistgeschauten Programme? Warum war Netflix bereit, für diese alte Serie aus den 90er-Jahren 100 Millionen Dollar zu zahlen? Weil der Zuschauer weiß, was er kriegt, man die Figuren kennt, eine Vertrautheit verspürt, weil es eine Marke ist. Das sind auch die Stärken von Serien wie Sturm der Liebe und Rote Rosen. In der Fülle der Medienangeboten und neuen Serien bieten wir Verlässlichkeit. Wir sind immer und jeden Tag für Zuschauer da und helfen, den Tag zu strukturieren. Wer nach Hause kommt und sich gerade mal nicht mit etwas Anspruchsvollem auseinandersetzen, sondern erstmal von der Arbeit abschalten möchte, findet mit einer Telenovela eine gute Möglichkeit dazu. Wenn wir es dann noch schaffen – wie bei Rote Rosen immer wieder – regelmäßig kontroverse und gesellschaftlich aktuelle Themen aufzugreifen, dann habe ich doch dazu noch genau den Anspruch, der oft gefordert wird, geliefert. Relevante Themen auf unterhaltsame Weise einem Publikum näherzubringen, ist die große Berechtigung dieser Serie.
Corona ist in der Serie aber bewusst nie thematisiert worden. Inzwischen dauert die Pandemie schon fast zwei Jahre an,und ein Ende ist nicht absehbar. War die Entscheidung richtig und bleibt es dabei?
Ja. Denn in der gesamten Situation mit Corona müssen wir den Menschen auch mal die Chance des Wegträumens geben. Wir haben in der Gesellschaft einen hohen Stressfaktor wegen all der Corona-Maßnahmen. Da brauchen wir im Alltag mal einen Moment, in dem man nach Hause kommt, die Maske abnehmen und Corona draußen lassen kann. In diesen privaten Sicherheitsbereich des eigenen Zuhauses kommen wir mit unserer Serie. Wenn wir die Menschen da noch ständig mit Corona konfrontieren würden, wäre das einfach zu viel.
Für Außenstehende wirkt es, als sei die Produktion bisher insgesamt gut durch die Pandemie gekommen. Gibt es einen Plan, wie auf mögliche längere Ausfälle von Darstellern aus dem Hauptcast reagiert werden könnte?
Wir hatten solche Situationen ja schon. Im Hauptcast hatten wir jüngst einen positiven Corona-Fall, die Kollegin musste sich in Quarantäne begeben, glücklicherweise aber keine weitere Person, weil sich das mit einer drehfreien Zeit überschnitten hatte. Anders war es im vergangenen Frühjahr, als sich nach einem positiven Corona-Fall im Hauptcast fünf weitere Mitarbeiter in Quarantäne begeben mussten, auch wenn die sich letztlich zum Glück nicht angesteckt hatten. Aber damit waren wir nicht mehr drehfähig und mussten 14 Tage unterbrechen. Wir haben anschließend bis zum Jahresende keine Pause mehr gemacht, sodass wir uns einen größeren Vorlauf von ungefähr zwei Monaten erarbeitet haben. Auch aktuell muss die Produktion wegen zwei positiven Fällen unter den Schauspielern für eine knappe Woche gestoppt werden. Die kontinuierliche Ausstrahlung ist aber nicht gefährdet. Am wichtigsten bleibt aber natürlich die Gesundheit unserer Mitarbeiter. Und weil das gesamte Team sehr umsichtig mit der Situation umgeht und Risiken minimiert, hatten wir im Vergleich zu anderen Produktionen verhältnismäßig wenige Fälle.
Stichwort Besetzung: Es gab enttäuschte Fans, dass Urgestein Gerry Hungbauer quasi aus der Serie geschrieben wurde. Auch Wolfram Grandezka ist in der Rolle als Fiesling Gregor Pasch nicht mehr zu sehen. Ist es für beide tatsächlich nur eine längere Pause oder wird es für sie kein Comeback mehr bei den Rosen geben?
Das Kommen und Gehen ist ja Alltagsgeschäft. Wir holen beispielsweise in der nächsten Staffel eine Figur von vor sieben Jahren zurück. Hätten Sie mich das vor Jahren gefragt, ob die Figur irgendwann mal zurückkehrt, hätte ich gesagt: Weiß ich nicht. Dasselbe gilt jetzt für die beiden anderen Kollegen. Wir stellen generell jede Figur immer wieder auf den Prüfstand: Haben wir noch genug interessante Geschichten für diese Figur? Harmoniert das noch mit den anderen? Dann verlängern wir, sonst nicht. Gerry war 15 Jahre bei der Serie, darum ist das sicher noch ein bisschen anders wahrgenommen worden. Das war schon ein Einschlag. Diese grundlegenden Fragen stellen wir aber auch bei möglichen Rückkehrern, auch wieder bei Gerrys Rolle Thomas Jansen und für die Figur Gregor Pasch von Wolfram Grandezka. Und nicht zuletzt muss natürlich geklärt werden: Wollen die Kollegen überhaupt wieder bei uns spielen?
Seit Anfang an dabei ist Brigitte Antonius, sie gilt als absoluter Fan-Liebling. Man hat den Eindruck: Sie sprüht trotzt ihrer 88 Jahre nach wie vor so vor Tatendrang, dass sie manchmal regelrecht gebremst werden muss. Oder bremsen Sie etwa nicht?
(lacht) Doch, Brigitte muss man manchmal ein bisschen bremsen. Diese Frau ist absolut bewundernswert und für uns alle ein großes Vorbild, weil sie in ihrem hohen Alter eine Lebensenergie hat, die manch Zwanzigjährige nicht vorweisen kann. Wenn Sie könnte, würde sie dreimal so viel drehen. Sie akzeptiert ihr Alter einfach nicht. Aber wir müssen auch darauf achten, dass unsere älteren Kollegen nicht dasselbe Pensum zu bewältigen haben wie die jüngeren. Das haben die sich ja auch verdient.
Die Produktion hat zuletzt auch ihre guten Kontakte genutzt, um reihenweise Prominente, die keine Schauspieler im eigentlichen Sinne sind, für Gastauftritte zu gewinnen. Bleibt es bei der Promidichte?
Das ist tatsächlich ein bisschen Zufall gewesen. Wir entwickeln Geschichten, dabei entsteht oft eine Idee: Wäre es nicht witzig, wenn wir das so und so und mit diesem oder jenen machen? So kommt es zu den Gastauftritten. Wir fragen einfach, ob die Leute Lust haben. Zum Glück haben viele, die wir fragen, Lust dazu. Und eine Wencke Myhre ist da für uns und unser Publikum sicher interessanter als ein Instagram-Star. Für uns ist das ein Spaß und eine nette Spielerei.
Hätten Sie denn noch einen absoluten Wunsch-Kandidaten auf Ihrer Liste?
Wir haben ja keine Liste. Das ergibt sich meist einfach. Und wir fragen sicher auch in Zukunft den einen oder anderen...
Nochmal zurück zur Rosen-Zukunft: Was passiert mit dem Studio und den Mitarbeitern, wenn die ARD den Vertrag irgendwann mal doch nicht verlängert – gibt es einen Plan B? Ließe sich also am Standort mit den Mitarbeitern auch was anderes produzieren?
Wir beschäftigen hier mehr als 140 Mitarbeiter, weil wir eine tägliche Serie produzieren. Wenn wir hier einen 90-Minüter, einen Tatort zum Beispiel, produzieren würden, bräuchte man dafür allenfalls ein Drittel der Mitarbeiter. Ohne die Rosen müsste man also eine andere Serie produzieren, um das im gleichen Maße zu kompensieren. Das erscheint mir nicht unbedingt als das realistischste Szenario. Aber aktuell haben die Mitarbeiter hier eine für die Branche nicht alltägliche Jobsicherheit bis zum Sommer 2023.
Von Alexander Hempelmann