Sara Reimann wird ab April die neue Projektmanagerin der Zukunftsstadt 2030+. Mit der LZ spricht sie über besetzte Häuser, Bepflanzungen in der Stadt und ihr liebstes Hobby.
Lüneburg. Sara Reimann (43) ist bereits seit Sommer 2020 Teil des Zukunftsstadt-Teams und hatte sich bislang um die Schnittstelle Bauen und Wohnen sowie Bepflanzungsprojekte in der Stadt gekümmert. Nun übernimmt die studierte Stadtplanerin zudem die Leitungsstelle von Sebastian Heilmann, der sich Aufgaben beim Landkreis zuwendet. Ihre angestoßenen Pläne sollen jetzt weiter in die Tat umgesetzt werden.
Frau Reimann, im Zusammenhang mit der Zukunftsstadt hört man oft Begriffe wie Projektplanung, Ideen-Workshop, Gedanken-Experiment... Was können Lüneburger denn aber schon ganz konkret sehen?
Ja, tatsächlich kribbelt es auch mir in den Fingern, nach der vielen unsichtbaren Arbeit etwas Erlebbares aufzuzeigen. Nehmen wir zum Beispiel das Projekt "Bunt ist das neue grün". Da werden im Sommer, sobald Pflanz-Saison ist, an verschiedenen Stellen in der Stadt Flächen mit Wildblumen und heimischen Stauden bepflanzt. In einem Kleingarten, an einer Friedhofsanlage, in einem Wohngarten, auf einer Verkehrsinsel und sogar auf einer versiegelten Terassenfläche - dort mit Hilfe von Kästen, die wir aufstellen. Die Orte helfen dann nicht nur, die Biodiversität zu erhöhen, sondern können auch von den Lüneburgerinnen und Lüneburgern besucht werden. Da warte ich eigentlich nur darauf, dass wir da jetzt loslegen können, dass vielleicht geführte Fahrradtouren zu diesen Flächen möglich sein werden oder dass Leute an einem Pflanzwettbewerb teilnehmen. Das ist auch ein Projekt, das viele interessiert und wo viele Akteure auch schon engagiert waren.
Und da brauchte es das Zutun der Zukunftsstadt?
Das Experiment hat ja dadurch Fahrt aufgenommen, dass die verschiedenen Akteure auf uns zugekommen sind. Leute, die einfach mitmachen wollten und einen Ansprechpartner gesucht haben. Wir haben da auch bei Vernetzungs-Aktionen gemerkt, dass viele, die sich bereits engagieren, den Überblick zu schätzen wissen, den wir geben. Und die wir auch daran erinnern konnten:`ach, die gibt es ja auch noch´. Denn in Lüneburg ist die Bürgerschaft wirklich sehr aktiv.
Sie wohnen allerdings in Hannover und arbeiten in Lüneburg, verträgt sich das?
Ich kenne Lüneburg gut, meine Eltern leben zum Beispiel hier und Lüneburg ist auf jeden Fall meine berufliche Heimat. Aber es hat auch Vorteile, Eindrücke aus anderen Städten mit nach Lüneburg zu bringen. In Hannover habe ich zum Beispiel lange Erfahrungen im Bereich gemeinschaftliche Wohnprojekte gesammelt und bin beim Aufbau einer neuen Genossenschaft involviert, da kommt mir die Expertise auch hier für Lüneburg zu Gute.
Alternatives Wohnen ist ein großes Thema für Sie. Können Sie mit diesem Hintergrund Hausbesetzungen etwas abgewinnen?
Besetzte Häuser finden ja immer in einem Kontext statt. In Hamburg der 70er und 80er Jahre etwa wurden Häuser besetzt, weil es Sanierungsstau und gleichzeitig Wohnungsnot gab und Leute sich gedacht haben, warum vergammeln denn diese Häuser ganz ungenutzt? Oder als Leipzig noch nicht so sehr boomte, haben dort Leute dafür gesorgt, dass leerstehende Häuser eine Umnutzung erfahren, indem zum Beispiel nur Nebenkosten gezahlt wurden und sich dann in den Räumen Ateliers, Werkstätten, etc. etabliert haben. In Lüneburg herrscht derzeit weder Sanierungsstau noch großer Leerstand. Hier gab es natürlich einen Fall von Hausbesetzung. Aber ich wäre dann immer für konstruktive Lösungen. Gibt es ein Problem? Kann man Flächen umnutzen? Können Coworkingspaces etabliert werden? Da braucht es langfristige Analysen, wie sich Stadtstrukturen weiterentwickeln. Dafür erarbeiten wir ja auch gerade das ISEK – das Integrierte Stadtentwicklungskonzept.
Bedeutet das, in Lüneburg ist eventuell gar nicht der Wunsch da, anders zu wohnen als bisher?
Doch. Ich glaube, das Bedürfnis, gemeinschaftlich wohnen zu wollen, kommt nicht aus der Wohnungsnot heraus, sondern aus der Vereinzelung der Gesellschaft. Im Innenstadtbereich vieler deutscher Städte leben bereits in jedem zweiten Haushalt Menschen allein. Man kann mit den vielen neuen Medien sicher auch immer besser alleine sein und sich beschäftigen, aber das Leben ist für viele nicht übersichtlicher geworden, die Arbeit beansprucht viele sehr und da suchen einige schon auch einen Ausgleich. Zum Beispiel Personen über 50, bei denen eventuell Kinder aus dem Haus sind, suchen teils neue soziale Kontakte, jemanden, der mal spontan eine Tasse Kaffee mittrinkt oder beim Spaziergang dabei ist. Ohne sich erst großartig mit verabreden zu müssen. Aber auch junge Familien können sich mehr vorstellen, in einer Gemeinschaft zu leben, in der mal helfende Hände für die Kinder verfügbar sind.
Wenn Sie da mal in die Zukunft blicken, wie sähe Lüneburg in zehn Jahren aus?
Ich würde dann gerne begrünte Hinterhöfe sehen, wie kleine kühle Oasen in der Stadt, in denen die Leute Schatten und Erholung finden. ich würde mir wünschen, dass Wohnen und Kultur in der Innenstadt eine größere Rolle spielen. Dass Wohnraum noch lebendiger genutzt wird, Kinder auf der Straße spielen können, Studierende bei älteren Menschen gegen Hilfe im Alltag wohnen können. Und dass wir noch mehr Fahrräder, Lastenräder und Elektroautos sehen und die übrigen Autos weiter an den Rand der Stadt drängen.
Warum sind Sie hier die Richtige in der Leitung der Zukunftsstadt?
Ich behalte den Überblick und weiß, wie ich konkret werden kann. Ich habe ein offenes Ohr für alle und höre mir gerne Probleme und Sichtweisen an. Aber ich komme dann auch gerne auf den Punkt und überlege, welchen nächsten Schritt wir gehen müssen. Und wann. Und mit wem. Solche klaren Strukturen bringe ich hier rein. Achte aber auch auf ein gutes Arbeitsklima im Team. Damit auch noch Zeit für Freunde und Hobbies bleibt.
Verraten Sie Ihr Lieblings-Hobby?
Ja, ich rudere schon lange im Team und habe jetzt seit letztem Jahr wegen der Corona-Auflagen auch mal den Einer ausprobiert. Das ist eine Herausforderung, weil es doch deutlich mehr Balance erfordert, aber es macht auch wahnsinnig viel Spaß.
Von Laura Treffenfeld