Buch nach „prophetischen Träumen“ veröffentlicht

Amoktäter Philipp F. über sich selbst: „Durchlief über drei Jahre eine persönliche Höllenreise“

Die Polizei hat Philipp F. als Täter des Amoklaufs in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg identifiziert.

Die Polizei hat Philipp F. als Täter des Amoklaufs in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg identifiziert.

Nach dem Amoklauf in Hamburg am Donnerstagabend mit acht Toten werden immer mehr Details über den Täter Philipp F. bekannt. Nach Angaben von Thomas Radszuweit, Leiter des Staatsschutzes, war der Täter ledig und hat sich als Sportschütze einen Waffenschein und eine Waffe besorgt. Auf seiner Homepage hatte Philipp F. Beratungsleistungen für Unternehmen angeboten und gab als Firmenadresse ein Büro in einer der teuersten Gegenden von Hamburg an der Außenalster an. Dort ist es möglich, sich stundenweise Büro- und Konferenzräume zu mieten. Die Firma Satellite Office bestätigte ein Vertragsverhältnis. F. habe aber kein festes Büro gemietet und sich nicht in ihren Büros aufgehalten.

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09.03.2023, Hamburg: Polizisten und Helfer sind in Hamburg im Einsatz. Bei Schüssen in einer Hamburger Kirche sind am Donnerstagabend mehrere Menschen getötet und einige Personen verletzt worden. Foto: Jonas Walzberg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Rekonstruktion der Amoktat

Innerhalb weniger Minuten nach dem ersten Notruf bei dem Hamburger Amoklauf waren Einsatzkräfte der Polizei vor Ort. Dem schnellen Eingreifen sei es zu verdanken, dass es nicht noch mehr Opfer gebe, so Hamburgs Innensenator. Eine Rekonstruktion der Tat.

Finanzkrise? „Gott ist unsere Zuflucht“

Auffällig an der Website des Täters ist, dass er immer wieder religiöse Deutungen einfließen ließ. In einem Text mit der Überschrift „Was Sie während einer Finanzkrise beachten sollten“ zitierte Philipp F. Sätze aus der Bibel, zum Beispiel „Gott ist unsere Zuflucht und Stärke, eine immerwährende Hilfe in der Not“. Außerdem versuchte er sich an einer Deutung der Bibeltexte. „Denken Sie daran, dass diese Welt und alle Dinge, auch unsere Finanzen und Werte, Gott gehören“, schrieb er. Immer wieder zeigte er fundamentalistische Ansichten und erklärte unter anderem, Gott kontrolliere alles auf der Welt. „Es gibt keinen Grund, sich Sorgen über die Zukunft zu machen. (...) Glauben Sie stattdessen an Gottes Willen und Jesus Christus, so wie Philipp F. es seit Jahren tut.“

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Augenzeugenvideo zeigt Schützen bei Amoktat in Hamburg

Der Schütze tötete bei seinem Amoklauf in Hamburg acht Menschen. Die Ermittler identifizierten ihn als Philipp F., der sich nach der Tat selbst richtete.

Seine Ansichten hatte Philipp F. in einem Buch aufgeschrieben, in dem er auf knapp 300 Seiten über Gott, Jesus und Satan schreibt. Das Buch ist in mehrere Sprachen übersetzt, wurde von ihm selbst Ende 2022 herausgegeben und unter anderem über Amazon angeboten. Im Vorwort dankte er seinen Großeltern, Eltern, seinem Bruder und seinen „engelhaften Fans“. Über sich selbst schrieb Philipp F., er sei in einem streng evangelikalen Haushalt im Allgäu aufgewachsen und durch einen Vorfall habe er das Bedürfnis nach Spiritualität verspürt. Dann habe er sich an seine Kindheit erinnert und „prophetische Träume“ gehabt. „Plötzlich entwickelte sich ein Verständnis für die Heilige Schrift, das vorher nicht da war“, schrieb er im Buch. „Der Autor durchlief eine persönliche Höllenreise, die über drei Jahre andauerte“, schreibt Philipp F. über sich selbst.

Das Buch ist eine extrem wirre Mischung aus theologischen Exegesen und Managementsprache. Laut F. seien sowohl die Corona-Pandemie als auch der Ukraine-Krieg göttliche Strafen. Geradezu besessen war F. vom Thema Prostitution. Diese müsse überall bekämpft werden. Gott bediene sich der russischen Armee, um das Volk der Ukraine zu bestrafen, da Ukrainerinnen im Heiligen Land als Sexarbeiterinnen tätig gewesen seien. Gott hasse zudem Homosexualität, schreibt F. Seine Ausführungen zu Frauen, Familie und Ehe verorten den alleinstehenden 35-Jährigen im Bereich der Incel-Ideologie: Frauen hätten sich dem Mann unterzuordnen und eine „dekorative Rolle“ einzunehmen, selbstständige Frauen handelten gegen Gottes Willen.

Keine Glaubensgemeinschaft, schrieb F., sei angemessen für den Umgang der Menschen mit Gott. Ob diese Aussagen dafür sorgten, dass F. von den Zeugen Jehovas ausgeschlossen wurde, sei Gegenstand der Ermittlungen, sagte Staatsschutz-Chef Radszuweit am Freitag.

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Philipp F. wollte 250.000 Euro Tagessatz als Unternehmensberater

Als Unternehmensberater warb der Täter auf seiner Website: „Integrität, Vertrauen und Spitzenleistungen sind Werte, für die ich stehe.“ Er bot Beratungsleistungen in verschiedensten Bereichen an. „Meine vielschichtige Erfahrung – sowohl theoretisch als auch praktisch fundiert – ermöglicht es mir, Spitzenleistungen in den Bereichen Aufsichtsrat & Geschäftsführung, Strategie & Controlling, Finanz- & Rechnungswesen sowie Banking & Finance, insbesondere in der Chemie-, Rohstoff- und Energiewirtschaft, zu erbringen“, schrieb Philipp F. Er erklärte selbstbewusst: „Mit mir kaufen Sie keine Beratungszeit, mit mir kaufen Sie Erfolg.“

+++ Alle Entwicklungen zur Amoktat in Hamburg im Liveblog +++

Seit September 2022 war Philipp F. nach Angaben seines Linkedin-Profils als selbstständiger Unternehmensberater tätig. Ob er auch tatsächlich Firmen beraten hat, ist nicht bekannt. Auf seiner Homepage führte er keine Referenzen an, forderte jedoch ein exorbitant hohes Beraterhonorar von 250.000 Euro Tagessatz. Das sei sein „Mindestsatz“, hinzu komme noch die Mehrwertsteuer.

Der leitende Staatsanwalt Ralf Anders hatte am Freitagmittag mitgeteilt, dass Philipp F. der Staatsanwaltschaft bisher nicht aufgefallen war. Er habe aber mehrere Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft erstattet, wegen des Verdachts des Betrugs. Ausführlicher führte Philipp F. dies auf seiner Website aus. Demnach warf er drei Unternehmen Finanzbetrug vor, zwei davon mit Hauptsitz in Hamburg. Zwei der Unternehmen haben sich auf Ölgeschäfte spezialisiert, beim dritten Unternehmen handelt es sich demnach um einen großen Immobilienmakler.

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