Auf der Welle surfen

Fünf Gründe für den Oscarerfolg von „Im Westen nichts Neues“

Die ganz große Bühne: Regisseur Edward Berger (vorne) nimmt den Preis für „Im Westen nichts Neues“ aus Deutschland für den besten internationalen Spielfilm bei der Oscarverleihung im Dolby Theatre in Los Angeles entgegen. Hinten stehen Daniel Brühl (l-r), Malte Grunert, Albrecht Schuch, Felix Kammerer, Antonio Banderas und Salma Hayek.

Die ganz große Bühne: Regisseur Edward Berger (vorne) nimmt den Preis für „Im Westen nichts Neues“ aus Deutschland für den besten internationalen Spielfilm bei der Oscarverleihung im Dolby Theatre in Los Angeles entgegen. Hinten stehen Daniel Brühl (l-r), Malte Grunert, Albrecht Schuch, Felix Kammerer, Antonio Banderas und Salma Hayek.

Vor der Oscarverleihung hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba eine klare Meinung darüber, warum sein Präsident eine Videorede bei der Oscargala halten sollte: Falls „Im Westen nichts Neues“ einen Oscar gewinnen sollte, während Wolodymyr Selenskyj „den größten Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa kämpft, nicht zu den Oscars sprechen darf, wird man kein besseres Beispiel für die Heuchelei von Topmanagern der Filmindustrie finden können“, sagte Kuleba der „Bild am Sonntag“.

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Die Oscaracademy hatte Selenskijs Ansinnen zu diesem Zeitpunkt schon abschlägig beschieden. Interessant aber war die Reaktion von Regisseur Edward Berger, der noch nicht ahnen konnte, dass sein Film demnächst phänomenale vier Oscars einsammeln würde: „Ich habe das Gefühl, man kann das trennen. Und es muss jetzt nicht auf jeder Berlinale und auf jedem Festival und auf jeder Feierlichkeit Selenskyj zu sehen sein.“

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Berger war die Verbindung offenbar zu nahe, die seinem Film aufgedrückt werden sollte: „Im Westen nichts Neues“ über den Ersten Weltkrieg ist eben keine Replik auf den gerade im Osten Europas tobenden Krieg.

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Sein Film war bereits abgedreht, als Russland die Ukraine überfiel. Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) wusste Berger aber auch: „Leider verliert das Thema niemals an Relevanz, und das wird den Menschen beim Schauen unseres Films vielleicht wieder bewusst.“ Dennoch sah er sich gezwungen, sich gegen die politische Instrumentalisierung zu wehren. Liegt der Erfolg nun also in der Aktualität des Krieges? Es sind mehrere Faktoren, die „Im Westen nichts Neues“ zu einem oscarprämierten Film gemacht haben.

1. Front und Abnutzungskrieg – die Parallelen sind unübersehbar

Wegdiskutieren lassen sich Assoziation zwischen dem Krieg im Film und dem in der Wirklichkeit nicht: Das tägliche Sterben in der Ukraine dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die gut 10.000 Mitglieder der Oscar Academy Bergers Film mit so viel Wohlwollen aufgenommen haben wie noch keinen anderen deutschen zuvor. Zum Vergleich: Wolfgang Petersens Kriegsdrama „Das Boot“ (1981) war zwar auch schon mal für immerhin sechs Oscars nominiert, gewann dann aber keinen einzigen.

Viel ist derzeit vom „Abnutzungskrieg“ im ukrainischen Bachmut die Rede, eine Formulierung, die auch auf das Sterben in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges zutraf. Damals wie heute wurden unzulänglich ausgebildete Soldaten an die Front geschickt. Damals wie heute wird jeden Tag um ein paar Meter Geländegewinn gekämpft. Und doch wäre es viel zu kurz gegriffen, den Erfolg allein mit Parallelen aus der mörderischen Gegenwart zu erklären.

„Im Westen nichts Neues“ gewinnt vier Oscars

Der Antikriegsfilm wurde in Los Angeles unter anderem als bester internationaler Film ausgezeichnet.

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2. Richtig gutes Handwerk

Es ist kein Zufall, dass „Im Westen nichts Neues“ gerade in Disziplinen wie Kamera, Ausstattung und Filmmusik die Nase vorn hatte. Es handelt sich um eine Produktion auf höchstem internationalen Niveau in allen Belangen. Und für diese werden deutsche Fachkräfte gern gebucht. Wie sonst hätte der Film Blockbuster wie „Avatar“ oder „Top Gun“ ausstechen sollen? Mit Florian Hoffmeister im Cate-Blanchett-Drama „Tár“ war gleich noch ein deutscher Kameramann für den Oscar nominiert.

3. Der Stoff ist weltberühmt

Der Filmstoff war einem weltweiten Publikum bekannt. Schon Lewis Milestones Kinoklassiker war 1930 mit Oscars gepriesen worden. Und nun trug Netflix die Neuverfilmung rund um den Globus in die Wohnzimmer. Genaue Sichtungszahlen hält der Streamingdienst geheim, doch soll „Im Westen nichts Neues“ in knapp hundert Ländern nach Start unter den zehn am meisten abgerufenen Filmen rangiert haben.

4. Das Ausland schwärmte schon vorher

Der Film surfte bei Preisverleihungen längst schon auf einer Popularitätswelle: Bei dem britischen Filmpreis war „Im Westen nichts Neues“ der große Abräumer mit 14 Nominierungen und sieben Trophäen. Spätestens von diesem Moment an hatte Hollywood den Film auf dem Radar. In den USA bekam das Werk zudem deutlich bessere Kritiken als in Deutschland: Die Filmrezensionenplattform „Rotten Tomatoes“ verbuchte zu 90 Prozent positive Besprechungen.

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5. Netflix nutzt seine Werbemacht in Hollywood

Netflix fuhr vor der Oscarverleihung eine millionenschwere Werbekampagne in Hollywood: Der Streamingdienst sehnt sich schon lange nach dem grellen Scheinwerferlicht der Kinowelt. Allzu viele Produktionen, auch teure, versinken im Plattformnirwana. Bislang ist Netflix allerdings immer am Hauptpreis in der Königskategorie für den besten Film vorbeigeschrammt, beispielsweise mit „Roma“ (2018) oder „The Irishman“ (2019). Das gilt auch für dieses Jahr: Da siegte die abgedrehte Science-Fiction-Komödie „Everything Everywhere All At Once“.

Gegen so viel geballte Marketingmacht haben deutsche Produktionen zwangsläufig das Nachsehen, die aus der deutschen Filmförderung heraus entstehen – auch wenn hierzulande jährlich 600 Millionen Euro aus diversen Töpfen zu verteilen sind. Auch auf großen Festivals spielen deutsche Werke kaum eine Rolle – „Im Westen nichts Neues“ hatte seine Premiere in Toronto. Nur bei der Berlinale werden sie ins Schaufenster gehievt, so wie gerade im Februar mit fünf Produktionen geschehen. Kaum eine davon dürfte den Weg nach Hollywood schaffen.

Freuen darf sich das deutsche Kino trotzdem: In „Im Westen nichts Neues“ ist die Crème deutscher Schauspieler am Start, darunter Daniel Brühl, Albrecht Schuch, Devid Striesow und in der Hauptrolle der Newcomer Felix Kammerer. Und nicht vergessen: Auch Edward Berger hat mit Filmen wie „Jack“ (2014) oder der „Tatort“-Krimireihe hierzulande seine ersten Sporen verdient.

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