Vor der Räumung des Protestcamps

Wie der grüne Polizeipräsident mit dem bevorstehenden Einsatz in Lützerath hadert

Dirk Weinspach, Polizeipräsident von Aachen, beantwortet die Fragen von Journalisten zum Polizeieinsatz in Lützerath.

Dirk Weinspach, Polizeipräsident von Aachen, beantwortet die Fragen von Journalisten zum Polizeieinsatz in Lützerath.

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Im nordrhein-westfälischen Lützerath wird es für Klimaaktivisten wohl bald ernst. Das weitgehend unbewohnte Dorf soll dem Braun­kohle­abbau des Konzerns RWE weichen. Der Protest ist groß: Klima­schützende haben ein Camp eingerichtet, um dauerhaft ihren Widerstand zu demonstrieren. Für die Räumung der Protest­zentrale steht die Polizei schon bereit.

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Im Mittelpunkt des bevorstehenden Einsatzes steht vor allem ein Mann: Dirk Weinspach, Polizeipräsident Aachens. Ganz wohl in seiner Haut fühlt sich Weinspach offenbar nicht: „Ich wünschte, diese Räumung hätte sich vermeiden lassen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Auch seine Kinder seien wegen seines Jobs nicht immer gut auf ihn zu sprechen, verriet der Beamte dem WDR. Doch besonders die Erinnerung an den bisher größten Polizei­einsatz der Geschichte Nordrhein-Westfalens dürfte Weinspach noch immer nachhängen – besonders mit Blick auf Lützerath.

Konflikt um Lützerath spitzt sich weiter zu
09.01.2023, Nordrhein-Westfalen, Erkelenz: Klimaschutzaktivisten gehen an einem Schild mit der Aufschrift Lützerath vorbei.. Das Dorf Lützerath soll zur Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II abgebaggert werden. Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Aachener Polizei schaut „sorgenvoll“ auf die kommende Zeit, in der die Räumung des von Klimaaktivistinnen und ‑aktivisten besetzten Dorfes Lützerath beginnen könnte.

Denn bereits 2018 stand der Polizei­präsident vor einem ähnlichen Problem; dem Hambacher Forst, der ebenfalls ein Symbol der Anti-Kohlekraft-Bewegung war. Schon damals versuchte sich Weinspach an einer „friedlichen Räumung“ des Protestcamps in dem Waldstück. Doch das ging gehörig schief: Es gab schwere Ausschreitungen zwischen Polizei­kräften und Protestierenden.

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Der „Hambi“ war eine herbe Niederlage

Seine Handlungs­spiel­räume seien damals „sehr begrenzt“ gewesen, sagte Weinspach danach selbst. Der Einsatz sei vor allem von der damals schwarz-gelben Regierung in Düsseldorf gesteuert worden, heißt es. Brandschutz wurde als Begründung für die Räumung vorgeschoben. Das Protest­camp im „Hambi“ wurde geräumt, doch nur wenige Tage später verbot das Ober­verwaltungs­gericht Münster die Rodung des Waldes. Und auch die Räumung wurde im Nachgang für rechtswidrig erklärt. Eine herbe Niederlage – nicht nur für die Politik.

Dirk Weinspach, Polizeipräsident von Aachen.

Dirk Weinspach, Polizeipräsident von Aachen, beim Polizeieinsatz 2018 im Hambacher Forst (Archivbild).

In „Lützi“ soll das anders werden, dennoch erwartet Weinspach einen „extrem heraus­fordernden“ Einsatz für seine Beamten. Doch auch er selbst steht im Kreuzfeuer der Vorwürfe beteiligter Klima­aktivistinnen und ‑aktivisten. Denn Weinspach ist Mitglied bei den Grünen. In den 1980er-Jahren war er selbst Aktivist, entschied sich erst später für die Laufbahn im Rechtsstaat. Dass er als Grünen-Mitglied die Räumung des Dorfes für den Kohlebergbau verantwortet, erscheint vielen Klima­schützenden wie ein Verrat.

Den Aktivistinnen und Aktivisten versicherte Weinspach in seiner Antwort auf einen offenen Brief, dass auch er sich Sorgen wegen der Erd­erwärmung mache und allen Engagierten „große Achtung“ entgegen­bringe. Doch als Beamter sind Weinspachs Handlungs­spiel­räume erneut sehr begrenzt. Denn seiner Auffassung nach ist die Räumung von Lützerath „unvermeidlich“.

Aufgeheizte Atmosphäre: Polizei entfernt Barrikaden in Lützerath
10.01.2023, Nordrhein-Westfalen, Erkelenz: Polizisten stehen am Rand der Ortschaft Lützerath Klimaschutzaktivisten gegenüber. Lützerath soll zur Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II abgebaggert werden. Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In angespannter Atmosphäre hat die Polizei am Dienstag mit der Entfernung von Barrikaden auf dem Zufahrtsgelände zum besetzten Dorf Lützerath begonnen.

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Lützerath darf ab Dienstag geräumt werden

Hintergrund ist eine Allgemein­verfügung des Kreises Heinsberg, die Personen den Aufenthalt in Lützerath vom 23. Dezember 2022 bis zum 13. Februar 2023 untersagt. Die Polizei hat auf Grundlage der Verfügung ab dem 10. Januar das Recht, „Räumungs­maßnahmen“ zu ergreifen. Laut Weinspach sei allerdings erst ab Mittwoch, dem 11. Januar, mit einer Räumung zu rechnen, da zunächst noch eine Informations­veranstaltung für Bürgerinnen und Bürger durchgeführt werden solle. Dabei wird der Polizei­präsident persönlich vor Ort sein, eingeladen sind auch die Klima­aktivistinnen und ‑aktivisten.

„Überwiegend erleben wir das Protest­spektrum dort friedlich“, sagte Weinspach am Montag auf einer Presse­konferenz. Doch auch er weiß, dass die Stimmung schnell kippen kann. Denn zumindest ein kleiner Teil der versammelten Aktivisten sei auch gewaltbereit. Am vergangenen Sonntag sind nach einer Veranstaltung der Protestierenden Steine auf Polizei­kräfte geflogen. „Das ist erst mal kein gutes Zeichen“, sagte Weinspach danach. „Ich hoffe, dass sich das nicht wiederholen wird in der nächsten Woche.“ Bereits am Dienstag hat die Polizei dann damit begonnen, Barrikaden abzubauen, die die Aktivisten errichtet hatten.

Schon bevor die Räumung beginnt, wird der Polizei von prominenter Stelle rabiates Vorgehen vorgeworfen. Von der Politik sei zwar eine friedliche Räumung angekündigt worden, sagte etwa Klimaaktivistin Luisa Neubauer im Deutschland­funk. Was sich vor Ort abspiele, sei aber „ziemlich genau das Gegenteil davon.“ Es seien kürzlich verschiedene Hundert­schaften in das Dorf rein­gekommen, „aus dem ganzen Land werden eben die Einsatz­kräfte hinmobilisiert und offen­sichtlich hat man politisch gar keinen richtigen Plan, als immer mehr Polizei­kräfte da hinzuholen.“

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Weinspach hingegen hat einen Plan bereits formuliert. Möglichst friedlich soll die Räumung ablaufen. Seine Polizei­behörde setze auf Transparenz, Deeskalation und Kommunikation. Dennoch: Auch Zwangsmittel habe man im Repertoire, „wenn es im Sinne eines verhältnismäßigen und konsequenten Einschreitens oder zur Verfolgung von Straftaten nicht anders möglich ist“.

RND/sic/dpa

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