Hells-Angels-Prozess in Spanien

Frank Hanebuth vor Gericht: ein ganz gewöhnlicher Rockerprozess

Frank Hanebuth (M.), ehemaliger Rockerboss, sitzt in einem Gerichtssaal des nationalen spanischen Gerichtshofes. Er und weitere 48 Personen stehen unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandel, Zuhälterei und Bedrohung auf Mallorca vor Gericht.

Frank Hanebuth (M.), ehemaliger Rockerboss, sitzt in einem Gerichtssaal des nationalen spanischen Gerichtshofes. Er und weitere 48 Personen stehen unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandel, Zuhälterei und Bedrohung auf Mallorca vor Gericht.

Madrid. Die Wirklichkeit ist kein Spielfilm, und ein Rockerprozess muss nicht rocken. Eine Zeugin soll per Videoschalte vernommen werden, aber kaum setzt sie zur ersten Antwort an, bricht die Verbindung zusammen. Ein paar Minuten geschieht gar nichts. Gemurmel im Gerichtssaal. Dann steht die Verbindung wieder. Auf die Fragen der Staatsanwaltschaft hat die Zeugin wenig Erhellendes zu sagen, aber auf die Frage eines Verteidigers immerhin das: Nein, sie habe auf Mallorca nie als Prostituierte gearbeitet und sei schon gar nicht dazu gezwungen worden. Ende der Vernehmung. Zur nächsten Zeugin.

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Die Wahrheitsfindung ist ein mühsames Unternehmen, zumindest in diesem Prozess gegen Frank Hanebuth und andere (mutmaßliche) Mitglieder des Mallorquiner Hells-Angels-Charters vor Spaniens Nationalem Gerichtshof in einem Vorort von Madrid. Das Verfahren begann am Montag vor zwei Wochen und ist an diesem Montag nach gut einwöchiger Pause wieder aufgenommen worden.

Ein Beamter der Guardia Civil, der schon am Donnerstag vergangener Woche sieben Stunden lang Rede und Antwort gestanden hatte, muss noch einmal für knapp zwei Stunden in den Ring. Er wringt seine Hände, wenn er sich nicht mit ihnen durchs Gesicht fährt, um seine Müdigkeit oder seine Lustlosigkeit zu verscheuchen. „Es ist mir unmöglich, mich daran zu erinnern“, sagt er auf eine Frage, und auf das Nachhaken des Anwalts noch einmal: „Ich erinnere mich nicht.“ Es geht um Dinge, die elf oder zwölf Jahre zurückliegen. Was soll der Beamte heute noch über das hinaus beisteuern, was er damals in seine Ermittlungsakten schrieb? Wenn dieser Prozess etwas aufzeigt, dann sind es die Grenzen der Beweiskraft von Zeugenaussagen. Das menschliche Gedächtnis ist keine Festplatte, von der die Fakten nach Bedarf abgerufen werden können.

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Frank Hanebuth sitzt im Gerichtssaal im Amtsgericht Hannover.

Hells-Angels-Boss auf Mallorca vor Gericht: Der Chef, der aus der Ferne die Fäden zog?

Der Hannoveraner Frank Hanebuth soll als Chef der Hells Angels auf Mallorca eine kriminelle Bande geführt haben. Wie stichhaltig sind die Beweise?

Angeklagte umgingen Haftstrafen

Der große Verhandlungssaal in San Fernando de Henares nahe Madrid ist nur spärlich besetzt. Von ursprünglich 49 Angeklagten sitzen hier nur noch zehn. Von vier Angeklagten weiß man nicht, wo sie sind. 35 andere haben sich auf Deals mit der Staatsanwaltschaft eingelassen: Geld- statt Haftstrafe im Gegenzug für ein Schuldeingeständnis. Als sie am Nachmittag des ersten Verhandlungstages einer nach dem anderen ihr Einverständnis zu den Deals erklärten, war etlichen von ihnen anzumerken, dass sie sich keineswegs für schuldig hielten, aber auf den Rat ihrer Anwälte hörten: Spart euch mit eurem Ja diesen mühseligen Prozess und vielleicht noch ein paar Jahre Gefängnis!

Stotternder Start im Prozess gegen Rockerboss Frank Hanebuth
23.01.2023, Spanien, Madrid: Frank Hanebuth (M), ehemaliger Rocker-Boss, sitzt in einem Gerichtssaal des nationalen spanischen Gerichtshofes. Hanebuth hat erstmals in dem Hells-Angels-Prozess in Spanien Fragen vor Gericht beantwortet. Er und weitere 48 Personen stehen unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandel, Zuhälterei und Bedrohung auf Mallorca vor Gericht. Foto: Zipi Aragon/POOL EFE/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Dieser Prozess in Madrid erregt Aufsehen. Auf der Anklagebank sitzt der frühere Rockerboss und Hells Angel Frank Hanebuth.

Zu denen, die von einem Deal nichts wissen wollten, gehört Frank Hanebuth, der mutmaßliche Chef der mutmaßlichen Bande. Er sitzt jetzt in der ersten Reihe der Sitzreihen für die Angeklagten und langweilt sich, weil er kein Spanisch versteht. „Nada“, sagte er auf die Frage der Vorsitzenden Richterin nach seinen Spanischkenntnissen am Nachmittag des zweiten Verhandlungstages, nichts. Als Angeklagter muss er keine Fragen beantworten, nur die seiner Anwältin beantwortete er doch, was keine fünf Minuten dauerte und kein neues Licht auf den ganzen Fall warf. Auf Mallorca sei er immer nur zu Besuch gewesen, habe dort weder das Hells-Angels-Charter angeführt noch irgendwelche Straftaten begangen.

Die wirklich spannende Frage dieses Verfahrens warfen mehrere Verteidiger an den ersten beiden Verhandlungstagen auf: nämlich die nach dem Ursprung der gesamten Ermittlungen. Im August 2011 gab ein Untersuchungsrichter grünes Licht für die Mitschnitte privater Telefongespräche, und die Anwälte legten ziemlich überzeugend dar, dass es für diesen Beschluss keinen ausreichenden Anfangsverdacht gab. Ein Anwalt deutete an, dass vorherige, „illegitime“ Abhöraktionen Auslöser für alle weiteren, diesmal richterlich gedeckten Mitschnitte gewesen seien. Das ist ein gravierender Vorwurf, den sich das Gericht vorerst nicht zu eigen machte: Das Verfahren findet statt, und erst im Laufe der Urteilsfindung werden die Vorsitzende Richterin und ihre beiden Beisitzer die Vorwürfe der Verteidiger ausführlich prüfen. Bis dahin werden die Prozessbeteiligten noch etliche Verhandlungstage ohne jedes Spielfilmpotenzial über sich ergehen lassen müssen.

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