Kritik nach Unfall bei Hamburger Ironman: „Motorräder einfach viel zu nahe dran“
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Triathleten fahren auf dem Rad an der Unglückstelle auf dem Gaueter Hauptdeich vorbei.
© Quelle: Georg Wendt/dpa
Hamburg. Nachdem am Sonntag beim Hamburger Ironman ein Motorradfahrer und ein Radfahrer frontal kollidierten, kommt Kritik am Veranstalter auf. War die Wegführung zu schmal? Hätte der Unfall, der für den Motorradfahrer tödlich ausging und den Radfahrer schwer verletzte, durch eine bessere Planung des Events verhindert werden können?
So sagte etwa Jan Frodeno, dreimaliger Weltmeister, der in Hamburg als Vierter ins Ziel kam, es sei „vielleicht die falsche Zeit, um Kritik zu äußern.“ Dann wurde er aber doch deutlicher: „Rein sportlich gesehen war es nicht fair, weil die Motorräder einfach viel zu nahe dran waren. Das war eine völlige Farce. Und dann auch noch mit dem Gegenverkehr.“ Es sei einfach so unfassbar eng gewesen, „da dürfen keine Motorräder sein“, meinte er weiter. „Ich habe dem Kampfrichter 15 Kilometer vor dem Unfall noch gesagt, dass das nicht gut endet.“ Und: „Ich weiß, dass es immer medial begleitet werden muss, aber die Athletensicherheit muss irgendwie vorgehen.“
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Jan Frodeno beim Ironman in Hamburg – zu dem Zeitpunkt war der Unfall bereits geschehen.
© Quelle: IMAGO/Nordphoto
Unfall auf gerader Strecke parallel zu Deich
Der Unfall geschah zwei Stunden und 25 Minuten nach dem Start auf einer geraden Strecke parallel zu einem Deich im Hamburger Stadtteil Ochsenwerder, auf der sich auf zwei Spuren der Verkehr entgegenkam. Auf beiden Spuren waren sowohl teilnehmende Radfahrer als auch begleitende Motorräder unterwegs. Die Unfallstelle war nicht weit entfernt von einem Wendepunkt des Rennens, weshalb die ohnehin sehr enge Radstrecke durch Athleten im Gegenverkehr und die begleitenden Motorräder noch weiter verengt wurde.
Der Livestream bei ironman.com zeigte, dass der Motorradfahrer mit einem Fotografen auf seiner Maschine andere Motorräder überholte und dann mit dem entgegenkommenden Sportler kollidierte. Nach Angaben der Polizei starb der 70 Jahre alte Motorradfahrer noch am Unfallort, der Sportler (26) wurde schwer verletzt. Der Kameramann (50) auf dem Motorrad erlitt einen Schock und wurde wie der Triathlet in ein Krankenhaus gebracht.
Frodeno war Augenzeuge des Frontalzusammenstoßes, hatte vom Ausmaß des Unfalls aber erst erfahren, nachdem er als Vierter das Ziel erreicht hatte. „Es war so chaotisch. Ich habe gerade erst gehört, dass der Motorradfahrer verstorben ist. Ich war direkt neben dran und habe das Fahrrad gefühlt in tausend Teile zerspringen sehen“, berichtete Frodeno. „Ich habe mich umgedreht und den Motorradfahrer am Boden gesehen und dachte mir, das kann nicht gut sein.“
Teilnehmer Schaffeld: „War abzusehen, dass es Unfälle geben könnte“
Auch Profiteilnehmer Timo Schaffeld äußerte gegenüber der „Bild“-Zeitung Kritik: „Die Radstrecke war leider sehr voll. Von daher war es abzusehen, dass es Unfälle geben könnte“, sagte er. „Es waren sehr, sehr viele Athleten gerade auf der zweiten Runde, mit den ganzen Agegroupern und den Profis, die in zweiter Reihe überholen mussten. Manchmal ging es gar nicht anders, auch in dritter Reihe. Sehr, sehr viele Mediamotorräder, wenig Kampfrichtermotorräder.“
Wie Frodeno habe er es als „sehr eng“ empfunden, so Schaffeld weiter. „Auf der Wendepunktstrecke hat man immer Gegenverkehr, zwei Reihen rechts auf der Spur, zwei Reihen links auf der Spur. Wenn dann noch ein, zwei Motorräder auf der Strecke sind, ist die Straße schon sehr, sehr voll.“ Sein Vorschlag für die Zukunft: „Da könnte man vielleicht eine andere Strecke wählen. Vielleicht eine große Runde oder eine Runde ohne Wendepunkt.“
„Es sind viel zu viele Motorräder unterwegs“
In der ARD-Liveübertragung hatte auch der frühere Ironman-Weltmeister Sebastian Kienle als Co-Kommentator gesagt: „Es sind viel zu viele Motorräder unterwegs.“ Bedenken hatte es schon vor dem Rennen wegen der an einigen Stellen engen Radstrecke gegeben.
Hamburgs Sportstaatsrat will Unfall untersuchen lassen
Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein (60) kündigte auf Instagram in einem Statement der Hamburger Behörde für Inneres und Sport an: „Selbstverständlich muss jetzt untersucht werden, ob die Rahmenbedingungen der Veranstaltung in irgendeiner Form zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben.“
Der Präsident der Deutschen Triathlon Union hat die Veranstalter der Ironman-Europameisterschaft in Hamburg währenddessen in Schutz genommen. „Das kann bei jedem Wettkampf passieren. Das kann auch bei uns passieren. Es gibt andere Wettkämpfe, wo es auch Todesfälle gegeben hat, beim Triathlon“, sagte Martin Engelhardt am Montag im Deutschlandfunk.
Organisatoren äußern sich erst nach Stunden
Von den Organisatoren selbst kam erst Stunden nach der Tragödie ein Statement. „Mit großem Bedauern müssen wir den Tod des Motorradfahrers aufgrund eines schwerwiegenden medizinischen Ereignisses bestätigen“, hieß es von der in Tampa (Florida) ansässigen Organisation World Triathlon Corporation. „Unsere Gedanken und Sorge sind bei der Familie, die wir in dieser schwierigen Zeit so gut wie möglich unterstützen werden.“ Zur Wegführung oder Sicherheitsdebatten kein Wort.
Der WTC gehört die Marke Ironman. Sie vermarktet sie weltweit. Der Chef von Ironman Germany, Oliver Schiek, sagte nichts und verwies auf die WTC-Mitteilung. Ironman arbeite weiter mit den örtlichen Behörden an der Lösung der Situation, war in der Stellungnahme weiter zu lesen. „Die Gesundheit und das Wohlbefinden aller an der Veranstaltung Beteiligten stehen an erster Stelle, und wir werden weiterhin gemeinsam mit allen Beteiligten eine möglichst sichere Veranstaltung organisieren.“
Wird der Unfall Konsequenzen haben?
Dazu gibt es bisher nicht viele Stimmen. Die „Hamburger Morgenpost“ spekulierte am Montag bereits darüber, dass es künftig keinen Ironman mehr in Hamburg geben könnte. Der Vertrag zwischen der Stadt und WTC läuft 2024 aus.
Erst einmal findet aber vom 13. bis zum 16. Juli mit den Weltmeisterschaften über die Sprintdistanz und die olympische Distanz bereits das nächste Triathlon-Großereignis in Hamburg statt. Und der Hamburger Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD) betonte: „Wir werden uns auch in Hinblick auf die anstehende Triathlon-Weltmeisterschaft im Juli noch einmal intensiv mit dem Thema Sicherheit befassen, was wir aber ohnehin vor jeder Großveranstaltung mit allen dafür verantwortlichen Stellen in Hamburg tun.“
Nach dem Vorfall „gab es Kritik vonseiten sehr profilierter Triathleten. Die können das einordnen. Und das muss man ernst nehmen“, sagte Holstein (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb werde diese Kritik auch in die Beratungen vor der Triathlon-WM und ganz generell vor den nächsten Sport-Großereignissen in der Stadt einfließen. Holstein möchte für eine genaue Bewertung der Unfallursachen und ihrer möglichen Folgen erst das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen abwarten. „Wir müssen erst wissen, ob der Unfall durch ein anderes Sicherheitskonzept hätte verhindert werden können oder ob er die Folge individuellen Fehlverhaltens ist“, sagte er.
Der Ironman und die World Triathlon Championship Series sind unterschiedliche Veranstalter und die beiden WM-Strecken auch deutlich kürzer als der Ironman mit seiner sportlichen Extrem-Herausforderung aus 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen. Von daher lassen sich beide Veranstaltungen nur bedingt vergleichen.
Triathlon in Roth mit weniger Motorrädern
Die Veranstalter der Challenge Roth währenddessen teilten mit, schon vor dem tödlichen Unfall beim Hamburger Triathlon an einem sichereren Verkehrskonzept gearbeitet zu haben. „In Roth gibt es keine Out-and-back-Strecken mit Gegenverkehr. Wir versuchen, immer breite Straßen zu wählen und nicht solche Dämme und Kopfsteinpflaster-Passagen“, sagte Geschäftsführer Felix Walchshöfer dem Bayerischen Rundfunk am Sonntag.
Bei der Veranstaltung am 25. Juni in Mittelfranken werden etwa keine externen Medienschaffenden auf Motorrädern auf der Radstrecke zugelassen. Konkret seien es 40 Motorräder weniger, sagte Walchshöfer. „Schon vor Monaten haben wir in Zusammenarbeit mit Topathletinnen und -athleten und Pressevertretern beschlossen, wesentlich weniger Motorräder auf der Rennstrecke zu haben“, sagte Walchshöfer. Fotografen würden jetzt von außen an die Strecke gefahren. „Damit die Windschattenproblematik nicht mehr so im Fokus ist, aber natürlich auch die Sicherheit“, sagte Walchshöfer.
RND/hsc mit dpa