Wie lief der Juwelendeal zwischen Justiz und Remmo-Clan ab?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MWIHWSJCVNCAPFWYFASHBXBBMU.jpeg)
Die undatierte, am 25.11.2019 von der Polizeidirektion Dresden herausgegebene Aufnahme zeigt die Große Brustschleife der Königin Amalie Auguste. Rund drei Jahre nach dem Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden haben die Ermittler einen Großteil der Beute gefunden. 31 Einzelteile seien in der Nacht zum Samstag in Berlin sichergestellt worden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Was fehlte? Unter anderem die Große Brustschleife der Königin Amalie Auguste.
© Quelle: Jürgen Karpinski/Grünes Gewöl
Es war eine spektakuläre Wende, die Sachsens Sicherheitsbehörden am Samstagabend vermeldeten: Drei Jahre nach dem Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden sind zahlreiche Schmuckstücke wieder in Staatsbesitz. Es handelt sich um 31 Einzelteile, darunter auch das wohl bekannteste Stück, der mit Brillanten verzierte Bruststern des Polnischen Weißer-Adler-Ordens.
Der Rückgabe der Beute liegt allem Anschein nach ein Deal zwischen den mutmaßlichen Dieben und der Justiz zugrunde. Vor Gericht stehen derzeit sechs Mitglieder der berüchtigten Remmo-Großfamilie, die bereits in der Vergangenheit mit zahlreichen Straftaten in Verbindung gebracht wurde.
Nach Informationen von „Spiegel TV“ lief der Deal über die Anwälte von Rabieh Remo. Er ist der Älteste der Angeklagten zwischen 23 und 29. Rabieh Remo hatte sich bereits im März über seinen Verteidiger vor Gericht geäußert – er wisse, wer die Tat maßgeblich geplant habe und daran beteiligt sei. Namen nannte er jedoch nicht: „Zur Tatbeteiligung anderer Personen will und werde ich mich nicht äußern.“ Remo will sich lediglich an der Vorbereitung des Einbruchs, nicht aber als Mittäter schuldig gemacht haben. Er habe sich kurzfristig dagegen entschieden, an dem eigentlichen Diebstahl mitzuwirken.
Juwelen aus dem Grünen Gewölbe wieder da: „Das ist ein echtes Weihnachtswunder“
Ein Teil der Beute aus dem Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe vor rund drei Jahren wurde von der Polizei sichergestellt.
© Quelle: Reuters
Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt
Ob er nun den entscheidenden Tipp gab, um zumindest einen Teil der Beute wiederzuerlangen, wollte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) nicht bestätigen. Stattdessen verwies er auf den nächsten Verhandlungstag am Dienstag, wo weitere Details „möglicherweise auch zur Sprache kommen“.
Bemerkenswert ist derweil, dass es den Behörden überhaupt gelungen ist, ein Mitglied der Remmo-Gruppe offenbar zum Sprechen zu bringen. Ein von der „Bild“-Zeitung befragter Ermittler verweist etwa auf das oberste Gebot im Milieu, mit der Polizei nicht zu sprechen. Um eine mögliche Haftstrafe zu mindern, könnte es nun eben den Hinweis zur Beute aus dem Kreis der Angeklagten gegeben haben.
Laut „Spiegel TV“ gilt vor allem Rabiehs Vater Whalid in der Szene als Architekt des Deals. Zum Fundort der Juwelen machen die Behörden derzeit keine Angaben. Nach Informationen des Mediums fand die Übergabe in einer Rechtsanwaltskanzlei im Westen Berlins statt. In der Hauptstadt hat die Familie Remmo ihren Stammsitz.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat die Rückkehr des Großteils der aus dem Grünen Gewölbe gestohlenen Juwelen auf den hohen Fahndungsdruck zurückgeführt. Das aus dem unmöglich scheinenden Diebstahl ein ganz normales Verbrechen krimineller Clans geworden sei, habe etwas damit zu tun, dass „Polizei und Justiz absolut professionell, ruhig und präzise gearbeitet haben“, sagte Kretschmer am Montag im Landtag. „Der Erfolg vom Wochenende ist nur durch diesen unglaublichen Fahndungsdruck und die harte juristische Auseinandersetzung erfolgt.“
Die Wurzeln der Remmo-Familie
Ihre Wurzeln haben die Remmos, die zur arabischsprachigen Volksgruppe der Mhallami gezählt werden, im Südosten der heutigen Türkei. Von dort aus emigrierten sie in den Libanon. Heute sorgt der kriminelle Teil der Remmo-Familie vor allem durch Diebstähle für Aufsehen. Im Februar 2020 wurden zwei Remmo-Brüder am Berliner Landgericht zu einer Jugendstrafe von viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Sie hatten die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen. Für bundesweite Schlagzeilen sorgten auch Ermittlungen im Juli 2018: Bei einer Razzia gegen die Großfamilie beschlagnahmte die Polizei 77 Immobilien im Wert von 9 Millionen Euro. Die Polizei geht davon aus, dass die Immobilien mit Geldern aus Straftaten gekauft wurden.
Mit dem Juwelendiebstahl von Dresden ist die Familie nun wieder in die Schlagzeilen gekommen. Der Einbruch am frühen Morgen des 25. November 2019 war einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle in Deutschland. Die Täter schlugen mit einer Axt Löcher in eine Vitrine und rissen die Juwelen heraus. Sie stahlen Schmuckstücke mit insgesamt 4300 Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von über 113 Millionen Euro.
Das „Weihnachtswunder“ von Dresden
Danach entbrannte eine Diskussion über die Sicherheitsvorkehrungen in den Kunstsammlungen. Die gesicherten Stücke wurden in Begleitung von Spezialkräften der Polizei nach Dresden gebracht. In der sächsischen Landeshauptstadt sollen sie zunächst kriminaltechnisch untersucht werden. Anschließend sollen Fachleute der Staatlichen Kunstsammlungen sie auf Echtheit und Vollständigkeit prüfen. Das werde einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte ein Sprecher der Staatlichen Kustsammlungen Dresden am Sonntag.
Die Generaldirektorin der Museen, Marion Ackermann, zeigte sich erleichtert. Wenn man so eine wundervolle Nachricht am Tag vor dem vierten Advent bekomme, dann glaube man an ein „Weihnachtswunder“. Sie selbst habe die letzten drei Jahre „tief daran geglaubt“, dass die gestohlenen Juwelen wieder auftauchen. Es habe keine Hinweise darauf gegeben, dass Teile davon schon aufgetaucht oder verkauft worden seien.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/7THDXEVJOJIFKPF3OHULHXJEGY.jpg)
Die Aufnahmen zeigen (oben, links nach rechts) einen Hutverschluss des Diamantrosensets, einen Bruststern des Polnischen Weißadlerordens, eine große Brustschleife, eine Aigrette für das Haar in Form einer Sonne, sowie (unten, links nach rechts) ein palettenförmiges Juwel, ein Juwel des Polnischen Weißadlerordens, eine Kette aus 177 sächsischen Perlen, einen Degen des Diamantrosesets und eine Epaulette des Diamantrosensets. Die Schmuckstücke wurden beim Kunstdiebstahl im Grünen Gewölbe 2019 entwendet.
© Quelle: Jürgen Karpinski
Am Dienstag nun wird der Prozess gegen die Remmo-Angeklagten fortgeführt. Aus Anwaltskreisen wird vernommen, dass vier Angeklagte Erklärungen abgeben wollen. Es dürfte ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur vollständigen Rückgewinnung des Dresdener Kunstschatzes sein.
RND/mk/dpa