Italien: Mindestens 45 Tote bei Bootsunglück
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Mitglieder eines Rettungsteams suchen im Meer nach Menschen.
© Quelle: Jung Hee-Sung/Yonhap/AP/dpa
Rom. Es waren erschütternde Szenen, die sich an der Ionischen Küste Kalabriens am Sonntagmorgen abspielten. Am langen Sandstrand von Cutro in der Provinz Crotone lagen die Leichen von etwa dreissig ertrunkenen Migranten, zwischen den angeschwemmten Holzplanken ihres zerschellten Fischkutters, orangefarbenen Schwimmwesten und Treibgut. Unter den Toten befanden sich auch Kinder und ein neugeborenes Baby. Helferinnen und Helfer des Roten Kreuzes und Polizeibeamte bargen die Leichen und trugen sie einige Meter weg von der Brandung. Sie legten sie in den Sand und packten sie in weiße Leichensäcke. Der örtliche Priester segnete die Toten noch am Strand.
Bis Sonntagnachmittag haben die Retter insgesamt 45 Tote geborgen. Die Zahl der Opfer liegt aber wahrscheinlich noch deutlich höher: Laut den Aussagen von Überlebenden hatten sich auf dem Boot 150 bis 180 Migranten befunden, einige von ihnen sprachen sogar von über 250 Personen. Das Unglück spielte sich laut ihren Aussagen so ab: Das hoffnungslos überladene Fischerboot war vor der kalabrischen Küste wegen der hohen Wellen und des starken Windes in Seenot geraten. Wahrscheinlich war es schließlich auf einer Klippe zerschellt oder von selber auseinander gebrochen. Möglicherweise hatte sich an Bord auch eine Explosion ereignet. Achtzig Flüchtlinge konnten sich schwimmend an Land retten oder wurden von Booten der italienischen Küstenwache gerettet. Die anderen wurden am Sonntag noch vermisst - sie sind höchstwahrscheinlich alle ertrunken.
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Der Fischkutter mit den Flüchtlingen war am Mittwoch in Smirne (Türkei) in See gestochen; die Migranten stammen aus Iran, Afghanistan und Pakistan. Laut italienischen Medienberichten war das Boot am Samstagabend noch von einem Überwachungsflugzeug der europäischen Grenzschutz Frontex etwa 40 Kilometer vor der kalabrischen Küste gesichtet worden. Darauf setzte sich ein Patrouillenboot der italienischen Küstenwache in Bewegung, konnte das Boot mit den Flüchtlingen wegen der widrigen Witterungsbedingungen aber nicht erreichen. Am frühen Sonntagmorgen hatte dann auch noch ein kalabrischer Fischer das bereits zerstörte Flüchtlingsboot gesehen; der Mann gab an, dass viele Körper im Wasser getrieben seien.
Zahl der Migranten verdoppelt
Die Zahl der Bootsflüchtlinge ist in Italien in diesem Jahr deutlich in die Höhe geschnellt: Bis Ende letzter Woche sind laut Angaben des Innenministeriums bereits 13.000 Migranten auf dem Seeweg an Land gekommen - mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der größte Teil von ihnen wählt die zentrale Mittelmeer-Route von der Küste Libyens oder Tunesiens nach Lampedusa und Sizilien. In den letzten Monaten registrierte man aber auch in Kalabrien und Apulien eine Zunahme der Bootsflüchtlinge. Die auf dem süditalienischen Festland ankommenden Migranten beginnen - wie auch im Fall der gestrigen Tragödie - ihre lebensgefährliche Überfahrt jeweils in der Türkei.
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat am Sonntag ihren Schmerz über das Unglück zum Ausdruck gebracht, hielt aber auch umgehend fest, dass es die Schlepperbanden seien, die für solche Tragödien verantwortlich seien. Die Regierung werde weiterhin versuchen, diese Überfahrten zu verhindern und werde dabei auch auf die „maximale Mitarbeit“ der Länder pochen, von denen die Boote losfahren. Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ dagegen machte die italienischen Behörden für das Drama mitverantwortlich, weil die Rettungsaktionen der privaten Hilfsorganisationen durch die Rechtsregierung in Rom stark behindert würden. „Es ist inakzeptabel und unverständlich, dass wir weiterhin mit solchen vermeidbaren Tragödien konfrontiert sind“, teilte „Ärzte ohne Grenzen“ am Sonntag mit.
Unter anderem werden den NGO-Schiffen nun weit im Norden liegende Häfen zugewiesen, wo sie die geretteten Flüchtlinge an Land bringen dürfen. Damit will die Regierung die ungeliebten privaten Retter möglichst viele Tage von ihren Einsatzorten im südlichen Mittelmeer fernhalten. Erst letzte Woche hatten die italienischen Behörden das Rettungsschiff „Geo Barents“ der „Ärzte ohne Grenzen“ festgesetzt - als erstes NGO-Schiff, seit die Regierung Meloni die Regeln für die Einsätze der privaten Retter verschärft hatte. Der Organisation droht eine Geldstrafe von 10.000 bis 50.000 Euro.