Was ist nur los in Bramsche?
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Die Polizei steht vor der Festhalle des Schützenhauses in Bramsche. In der Nacht ist hier eine 19-Jährige getötet worden.
© Quelle: Festim Beqiri/TV7News /dpa
Hannover. Es ist bereits der zweite Fall innerhalb nur einer Woche in der niedersächsischen Kleinstadt Bramsche – und das bereits vierte aufsehenerregende Tötungsdelikt in Niedersachsen in diesem Jahr.
Eine junge Frau wurde nach Angaben der Polizeidirektion Osnabrück in der Nacht zu Sonntag im Umfeld eines Schützenhauses zunächst offenbar vergewaltigt und dann getötet. In dem Veranstaltungshaus der 32.000-Einwohner-Stadt war laut Angaben der Staatsanwaltschaft gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) ein 18. Geburtstag mit etwa 150 Gästen gefeiert worden – die 19-jährige Frau galt ab etwa 1.30 Uhr nachts als vermisst.
Gegen halb drei nachts sei die junge Frau dann schwer verletzt auf einer Wiese aufgefunden worden. Sie starb später im Krankenhaus. Ein Tatverdächtiger wurde laut Polizei und Staatsanwaltschaft festgenommen – es handelt sich demnach um einen 20-jährigen deutschen Teilnehmer der Party. Noch am Sonntag wurde er einer Richterin vorgeführt, die Haftbefehl wegen Mordes erließ.
Partygäste unter Schock
Gäste der Party stehen nach der Tat unter Schock – ebenso wie Anwohnerinnen und Anwohner. Mitten in der Nacht hatte der DJ der Party plötzlich durchgesagt, niemand dürfe den Saal mehr verlassen, berichten Anwesende gegenüber der örtlichen „Neuen Osnabrücker Zeitung“ – die Veranstalter blockierten die Tür.
Die Polizei nahm schließlich die Personalien der rund 150 Gäste auf – von ihnen wurden auch Fotos gemacht, während Feuerwehr und THW die Gegend ausleuchteten.
Zunächst sei man von einer routinemäßigen Polizeikontrolle ausgegangen, erzählen Gäste – erst später haben sich der Großeinsatz herumgesprochen. Die Vernehmungen der Zeugen sollen im Laufe des Tages weitergehen, erklärt die Polizei.
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Einsatzkräfte vor der Schützenhalle im Bramscher Ortsteil Pente.
© Quelle: IMAGO/Fotostand
Zweiter Fall innerhalb einer Woche
Mit der schrecklichen Tat in der Nacht zu Sonntag steht die kleine Stadt Bramsche, nur 20 Minuten von Osnabrück entfernt, erneut in den Schlagzeilen. Es ist das inzwischen zweite Mal innerhalb nur einer Woche. Erst am Mittwoch war in der Moltkestraße des Ortes ein 16-Jähriger getötet worden. Der mutmaßliche Täter: Ein 81 Jahre alter Nachbar.
Die Tat hatte sich vor dem Wohnhaus des Opfers und des Tatverdächtigen ereignet – und zudem unmittelbar gegenüber einer Grundschule. Der mutmaßliche Täter gab laut Staatsanwaltschaft zunächst Schüsse auf den 16-Jährigen ab. Wie später bekannt wurde, feuerte er im Anschluss auch in Richtung der Mutter des Jugendlichen. Auch sich selbst führte der Mann lebensgefährliche Verletzungen zu.
Gegen ihn wurde Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Totschlags erlassen. Die Hintergründe der Tat sind bislang unklar – Augenzeugenberichte legen nahe, dass sich Täter und Opfer kannten.
Was ist los in Bramsche?
Warum häufen sich ausgerechnet in der beschaulichen Kleinstadt im Osnabrücker Land die Tötungsdelikte? Diese Frage dürften sich auch die Bewohnerinnen und Bewohner des 32.000-Einwohner-Örtchens stellen – zumal Bramsche für Kriminalität bislang alles andere als bekannt war.
Schon nach der Tat am Mittwoch zeigten sich Anwohnerinnen und Anwohner sichtlich geschockt – und völlig verwundert, dass überhaupt so etwas in ihrem Ort passieren kann. Sie kenne „sowas nur aus Amerika“, erzählt eine Anwohnerin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ in einem Videointerview – aber doch nicht aus Bramsche. „Dass es wirklich Menschen gibt, die keine Skrupel haben und einfach losschießen. Ich finde das ganz schrecklich.“
Auch eine andere Passantin kann „kaum glauben“, dass so etwas in ihrer Kleinstadt passiert. Für Kriminalität sei Bramsche schließlich nicht bekannt. „Man hört das sonst immer nur aus Großstädten“, meint auch eine dritte Anwohnerin. „Jetzt ist das bei uns auch schon angekommen.“ Und dann auch noch direkt gegenüber einer Schule. „Da kriegt man schon Angst“, berichtet ein Passant in der Fußgängerzone.
Statistik zeigt: kaum Gewaltfälle in Bramsche
In Verbindung stehen die beiden aktuellen Fälle nach bisherigen Erkenntnissen nicht. Und auch die Kriminalitätsstatistiken aus der Region sprechen nicht gerade dafür, dass sich Bramsche zu einem Hotspot der Gewalt entwickelt. Die Polizeidirektion Osnabrück spricht in ihrer aktuellsten Kriminalstatistik von 2021 gar von einem „historischen Tiefstand der Straftaten“ – wenngleich dies den gesamten Landkreis Osnabrück umfasst und Bramsche nicht gesondert ausgewiesen wird.
19-jährige Frau stirbt nach Gewalttat auf einer Geburtstagsfeier in Bramsche
Tödliches Ende einer Geburtstagsfeier - eine 19-jährige Frau ist in Bramsche bei Osnabrück mutmaßlich Opfer eines Tötungsdelikts geworden.
© Quelle: dpa
Die aufsehenerregenden Kriminalfälle in Bramsche der vergangenen Jahre sind aber überschaubar: Im Frühjahr 2022 ermittelte die Polizei einmal gegen einen Facharzt aus Bramsche wegen sexuellen Missbrauchs an seinen Patientinnen. Im selben Jahr gab es einen Tankstellenraub.
Das letzte Tötunsdelikt stammt aus dem Jahr 2021: Im Bramscher Ortsteil Hesepe war ein 27-jähriger Mann aus Nicaragua tot aufgefunden worden. Lange ungeklärt bleibt der Fall nicht: Der Täter meldete sich selbst bei der Polizei – er habe den Mann wegen eines Streits die tödlichen Verletzungen zugefügt.
Ansonsten liest sich die Polizeistatistik wie in jeder anderen ländlichen Region des Landes: Hier und da mal eine Körperverletzung, ein paar Raubüberfälle – auch einige Fälle von Stalking, sexueller Nötigung, Sachbeschädigung und Diebstähle stehen in der Statistik.
Vierte Fall des Jahres in Niedersachsen
Auffällig an den beiden aufeinanderfolgenden Tötungsdelikten ist aber nicht nur, dass sie sich in der Kleinstadt Bramsche abspielen. Der Tod der jungen Frau in der Nacht zu Sonntag ist auch bereits der vierte aufsehenerregende Tötungsfall in Niedersachsen seit Jahresbeginn.
Ebenfalls in dieser Woche war im Stadtteil Döhren in Hannover ein 34-Jähriger an der Stadtbahnhaltestelle erschossen worden. Zeugen hatten einen etwa 17-Jährigen beobachtet, der gemeinsam mit einer Frau vom Tatort flüchtete – bis heute sucht die Polizei nach dem mutmaßlichen Täter.
Bei dem Opfer handelt es sich nach Informationen der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ um den Kellner eines italienischen Restaurants, der auf dem Heimweg war. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar.
Wenig Anhaltspunkte für Zunahme von Tötungsdelikten
Erst im Januar hatte der Tod eines 14-jährigen Jungen im benachbarten Wunstorf bundesweit Menschen erschüttert. Einsatzkräfte hatten den zunächst vermissten 14-Jährigen auf dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei gefunden. Tatverdächtiger ist ein gleichaltriger Jugendlicher – er wurde kurze Zeit später festgenommen.
Für eine Zunahme brutaler Gewalt gibt es aber auch landesweit wenig Anhaltspunkte. Die aktuellsten Kriminalstatistiken stammen allesamt aus dem Jahr 2021 – sie jedoch zeigen über Jahre hinweg einen klaren Abwärtstrend. Die Mordstatistik etwa zeigt für das Jahr 2016 noch insgesamt 169 Fälle – bis zum Corona-Jahr 2020 sinkt die Zahl jedoch auf einen historischen Tiefstwert von 60. Im Jahr 2021 gab es in Niedersachsen insgesamt 69 Mordfälle.
Einen Trend sieht die Polizei nur bei der Wahl der Tatwaffe. So habe die Zahl der Messerangriffe in den vergangenen Jahren im Bundesland stark zugenommen, teilte die Polizei 2021 mit. Bei den aktuellen Fällen spielt – nach aktuellen Erkenntnissen – jedoch in keinem Fall ein Messer eine Rolle.
Wunstorf: Leiche bei Suche nach vermisstem 14-Jährigen entdeckt
Nach dem Verschwinden eines 14-Jährigen in Wunstorf bei Hannover ermittelt die Polizei gegen einen Gleichaltrigen wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts.
© Quelle: dpa
Tatmotive weiter unklar
In Bramsche geht nun die Aufarbeitung der beiden Tötungsdelikte weiter. Im Falle des gestorbenen 16-Jährigen sucht die Polizei weiter nach dem Motiv. Der mutmaßliche Täter schwebt nicht mehr in Lebensgefahr – sobald er transportfähig ist, soll er ins Justizkrankenhaus gebracht werden.
Nach dem Tötungsdelikt an der Schützenhalle in der Nacht war der 20-jährige Tatverdächtige nach Angaben der Staatsanwaltschaft gegenüber dem RND in seiner Wohnung festgenommen worden. Zum Geschehen äußern wollte sich der junge Mann demnach nicht.
Die Hintergründe beider Fälle sind bislang weiter unklar – die Ermittlungen dauern an. Bis der beschauliche Ort wieder zur Ruhe kommt, dürfte es also noch dauern.