Asylkommission und Grundgesetzänderung: Ablehnung für Michael Kretschmers Vorschläge
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Geflüchtete aus der Ukraine treffen in Deutschland ein.
© Quelle: dpa/Carsten Koall
Berlin. Grüne und FDP erteilen den Vorschlägen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zum Asylrecht eine Absage. Stephan Thomae, Asylexperte der FDP-Fraktion, lehnt eine neue Kommission ebenso ab wie eine Grundgesetzänderung. „Mit dem Flüchtlingsgipfel vom 16. Februar sind ja bereits neue Arbeitsebenen von Bund, Ländern und erstmals auch Kommunen eingerichtet worden“, betonte Thomae auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). Zusammen müssten sie nun an einem Strang ziehen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat vorgeschlagen, mithilfe einer Asylkommission die Zahl der Geflüchteten in Deutschland zu reduzieren. „Die Anzahl der Menschen ist einfach zu groß. Wir können sie nicht integrieren“, sagte der CDU-Politiker der „Welt“. Deshalb solle sich eine Kommission aus allen politischen und gesellschaftlichen Gruppen bilden. Diese erarbeite dann „einen Vorschlag, hinter dem sich Bund und Länder versammeln können und zu der auch eine Grundgesetzänderung gehören könnte“.
„Nicht die Verfassungslage ist das Problem der Asylpolitik, sondern deren Umsetzung“, betonte FDP-Politiker Thomae. Eine Grundgesetzänderung läuft aus seiner Sicht aus zwei Gründen ins Leere: Zum einen sei seit dem Asylkompromiss 1992 der betreffende Artikel im Grundgesetz ohnehin schon weit gefasst. Und zum anderen würden in Deutschland die meisten Geflüchteten auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden, nicht aufgrund des Artikels 16a im Grundgesetz.
Verfassungsänderung wäre „Nebelkerze“
Kritisch sieht auch Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, Kretschmers Vorstoß: „Das Gründen von Arbeitskreisen, wie Kretschmer das jetzt fordert, löst keine aktuellen Probleme, sondern vertagt sie lediglich.“ Rechtspopulistische und rechtsextreme Narrative, dass Migration die Ursache aller gesellschaftlichen Probleme wären, seien grotesk und sollten von demokratischen Politikern nicht übernommen werden. „Die Probleme, Chancen und Herausforderungen, die Geflüchtete und Migration für unsere Gesellschaft bringen, klären wir nur europäisch, humanitär und rechtsstaatlich. Das Suggerieren, Verfassungsänderungen könnten hier helfen, sind Nebelkerzen“, sagte von Notz dem RND.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, teilt die Analyse von Michael Kretschmer und forderte einen „Neustart in der Migrationspolitik“. Viele Kommunen in Deutschland seien längst an ihrer Leistungsgrenze bei Unterbringung, Versorgung und Integration, aber auch bei der Schaffung der notwendigen Kita- und Schulplätze gekommen. „Eine Kommission wie sie Ministerpräsident Kretschmer vorschlägt, kann ein richtiger Ansatz sein, aber er wird dauern. Wirklich Zeit bleibt allerdings nicht, um die Fragen zu beantworten“, sagte Landsberg dem RND.
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„Sinnvoller wäre deshalb, wenn die Ampel – am besten im Konsens mit der Opposition – sich in einem ersten Schritt auf die gemeinsame Finanzverantwortung verständigt, eine deutliche Beschleunigung der Verfahren auf den Weg bringt und sich beherzt auch für einen besseren Schutz der Außengrenzen einsetzt“, forderte er. Gesetzesänderungen könnten bei entsprechendem politischen Willen auch kurzfristig auf den Weg gebracht werden.
Selbst aus der CDU gibt es Gegenwind für Kretschmers Vorstoß: Der sächsische Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz schrieb am Dienstag bei Twitter: „Irgendeine Kommission brauchen wir genauso wenig wie eine Grundgesetzänderung bei Asyl. Schlüssel einer weiteren Lageverbesserung liegt in Europa und in gewollter schnellerer und besserer Integration.“ Dafür müssten Bundesregierung und Landesregierungen ihre Arbeit ordentlich machen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CDU) wollte sich auf RND-Anfrage nicht zu dem Thema äußern.