Baerbock in Äthiopien: auf Stabilisierungsmission
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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, hier bei einer Pressekonferenz in Berlin, reist nach Äthiopien.
© Quelle: IMAGO/Metodi Popow
Berlin. Annalena Baerbock kommt aus einem Kriegsgebiet und sie reist gleich weiter in die nächste Krisenregion. Nach ihrem Überraschungsbesuch in der Ukraine trifft die Außenministerin am Donnerstag zu einem zweitägigen Besuch in Äthiopien ein. Zwei Jahre lang haben Regierungstruppen dort gegen die Volksbefreiungsfront der Provinz Tigray (TLPF) gekämpft – es war ein Krieg mit Zehntausenden Toten, der Äthiopien zudem wirtschaftlich massiv geschadet hat. In Tigray fielen Menschen nicht nur Angriffen zum Opfer. Weil die Region von Hilfslieferungen abgeschnitten war, wurden auch Hunger und Krankheiten zum Problem.
Seit Ende November scheint der Konflikt nun weitgehend beigelegt, beide Seiten unterzeichneten ein Waffenstillstandsabkommen, das die Entwaffnung der TPLF vorsieht. Nach Einschätzung von Experten wie Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) wird es eingehalten. Vor wenigen Tagen begann die Waffenabgabe der Rebellen.
Als erste Außenministerinnen der EU besuchen nun Baerbock und ihre französische Amtskollegin Catherina Colonna das zweitbevölkerungsreichstes Land Afrikas, das vor dem Krieg als wichtige Regionalmacht und mit seinen hohen Wachstumsraten als interessanter Wirtschaftsraum galt. Baerbock und Colonna reisen demonstrativ zusammen – insbesondere nach dem Vorpreschen Frankreichs bei den Panzerlieferungen an die Ukraine sicherlich ein besonderes Signal der deutsch-französischen Zusammenarbeit.
Großes Problem Hunger
Beide Länder haben ein Interesse an der Stabilisierung Äthiopiens. Sie kommen als erste EU-Ministerinnen seit dem Friedensschluss. Besuche bei der Staatspräsidentin Sahle-Work Zewde sowie bei Premierminister Abyi Ahmed stehen auf dem Programm. Letzterer hatte 2019 für die Aussöhnung mit dem Nachbarland Eritrea den Friedensnobelpreis erhalten – durch den Konflikt mit Tigray hatte sein Ruf als Aussöhner massiven Schaden genommen. Die schwierige wirtschaftliche Lage bringt ihn auch innenpolitisch in Bedrängnis. Gesprochen werden dürfte über Finanzhilfen für den Wiederaufbau und auch darüber, die auf Eis gelegten deutschen Unterstützungsleistungen wieder in Gang zu bringen.
Trotz der Waffenruhe sind über zwölf Millionen Menschen im Norden Äthiopiens auf Ernährungshilfe angewiesen, der wirtschaftliche Ausblick ist düster und die Klimakrise ist zur neuen Konstante geworden.
Martin Frick,
Leiter des World Food Programmes (WFP) der Uno in Deutschland
Es ist auch ein Rennen um Einfluss: Gerade war bereits der chinesische Außenminister vor Ort.
Ein Problem bleibt Hunger in Äthiopien. Der Krieg in der Ukraine hat die Lage zusätzlich verschärft: Die Ukraine war auch für Äthiopien ein wichtiger Getreidelieferant. Baerbock will sich beim Besuch eines Hilfsmateriallagers des World Food Programmes (WFP) der Uno ein Bild von der Lage machen. Martin Frick, Leiter des WFP in Deutschland, forderte, die Unterstützung müsse dringend fortgesetzt werden: „Trotz der Waffenruhe sind über zwölf Millionen Menschen im Norden Äthiopiens auf Ernährungshilfe angewiesen, der wirtschaftliche Ausblick ist düster und die Klimakrise ist zur neuen Konstante geworden“, sagte Frick dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Neben der Kostenexplosion sei in der Region zum fünften Mal in Folge die Regenzeit ausgeblieben. „Deswegen hoffen wir, dass Deutschland das große Engagement für die Menschen in der Region auch 2023 fortsetzt.“
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Die Opposition fordert, dass sich die EU unter anderem bei der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen einbringt. „Für einen nachhaltigen Frieden muss der Konflikt aufgearbeitet und müssen Kriegsverbrechen geahndet werden“, sagte Vizeunionsfraktionschef Johann Wadephul (CDU) dem RND. „Es wird wichtig sein, dass sich die EU substanziell engagiert.“
Grundsätzlich sei es gut, dass Baerbock sich endlich auch der Krise in Äthiopien widme. „Allzu lange hatte die Bundesregierung den Fokus ausschließlich auf Europa gelegt und wichtige Krisen in unserer Nachbarschaft aus dem Radar verloren.“ Es sei auch wichtig, dass sich die Ministerin dabei gleichzeitig um eine Verbesserung des deutsch-französischen Verhältnisses kümmere. Eins allerdings vermisst Wadephul dann doch: „Ich hielte es für wichtig, dass Ministerin Baerbock auch nach Tigray selbst reist, um den Druck auf die Akteure vor Ort zu erhöhen. Sie war ja auch richtigerweise in der Ukraine am Ort der heftigsten Kriegshandlungen.“