Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Berlins China-Strategen

Ein Kabinettstisch, diverse China-Strategien: Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Ein Kabinettstisch, diverse China-Strategien: Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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wenn Sie in den vergangenen Wochen häufiger mal etwas von einer China-Strategie gelesen haben, dann könnte es daran liegen, dass zurzeit davon mehr als eine in Berlin kursiert. Anfang kommenden Jahres soll es ein geeintes Konzept der Ampelregierung geben. Aber wie wir nach einem Jahr dieser Koalition wissen, kann es auch schon mal etwas länger dauern, bis das rot-grün-gelbe Potpourri einen einheitlichen Klang erreicht hat.

Eine wirklich gute Strategie zu finden, ist tatsächlich eine Herausforderung. Welchen Aspekt soll man gegenüber der Weltmacht mehr betonen – systemischer Rivale oder ökonomischer Partner?

Aus der Deckung sind mit ihren Vorschlägen schon Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Neben der China-Strategie dürfte es bei den beiden prominenten Grünen auch ein klitzekleines Bisschen um die Profilierung in den eigenen Reihen gehen. Denn die Parteibasis soll vor der nächsten Bundestagswahl darüber abstimmen, wer von den beiden nächster Kanzlerkandidat oder -kandidatin für die Grünen wird. Dem Vernehmen nach Reden Baerbock und Habeck nicht mehr viel miteinander. Die jeweiligen Lager bei den Funktionären bringen ihre Chefs aber in Stellung, was auch erklären kann, warum die jeweiligen China-Strategien den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben.

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Baerbock steht für eine wertegeleitete Außenpolitik. Dementsprechend sollen die Menschenrechte stärker ins Zentrum der deutschen China-Politik rücken. Diese seien „unteilbar, nicht relativierbar – weder kulturell noch religiös“, heißt es in dem Papier aus dem Auswärtigen Amt, über das der Spiegel berichtet. Die Einhaltung der Menschenrechte sollten maßgeblich bei der künftigen Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen sein. Das Auswärtige Amt wolle wirtschaftliche Abhängigkeiten „zügig und mit für die deutsche Volkswirtschaft vertretbaren Kosten“ verringern, heißt es. Lieferketten sollten diversifiziert, kritische Rohstoffe in Lagern vorgehalten werden. In industriellen Schlüsselbereichen dürften Deutschland und die gesamte EU „nicht abhängig werden von technologischen Fortschritten in Drittstaaten, die unsere Werte nicht teilen“.

Steht für eine wertegeleitete Außenpolitik: Deutschlands Außenministerin, Annalena Baerbock.

Steht für eine wertegeleitete Außenpolitik: Deutschlands Außenministerin, Annalena Baerbock.

Habeck will offensichtlich die deutsche Wirtschaft an eine kürzere Leine legen, wenn es ums China-Geschäft geht. Den Firmen mit intensivem China-Geschäft sollen neue Berichtspflichten auferlegt und die politische Unterstützung für deutsch-chinesische Wirtschaftsprojekte heruntergefahren werden. Über ein entsprechendes Papier hatten die Kollegen des Nachrichtenportals „The Pioneer“ berichtet. Annahme der Beamten im Wirtschaftsministerium: China werde spätestens 2027 versuchen, Taiwan zu annektieren – im 100. Gründungsjahr der Volksbefreiungsarmee. Mein Kollege Can Merey, der vergangenen Woche in Taiwan war und Gelegenheit hatte, dort mit Regierungsmitgliedern zu sprechen, kam mit dem gleichen Eindruck zurück: Taiwan muss mit einem Überfall rechnen – er steht aber nicht unmittelbar bevor. Den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begreift man dort als Weckruf.

Der Weckruf scheint auch im Wirtschaftsministerium angekommen zu sein. „Während China seine Abhängigkeit verringert, nimmt die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für die EU und Deutschland weiter zu“, mahnen Habecks Beamte. Das Ministerium schlägt dem Strategiepapier zufolge als Gegenmaßnahme unter anderem vor, den Fokus auf „alternative Zukunftsmärkte wie Asien-Pazifik, Lateinamerika und Afrika sowie eine Neufassung der Außenwirtschaftsförderung“ zu legen. Deutsche Investitionen in chinesische Firmen sollten stärker geprüft werden und spätestens ab 2023 keine Entwicklungskredite mehr an China vergeben werden.

Fliegt sie 2023 als erste Bundesministerin seit 26 Jahren nach Taiwan? Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP.

Fliegt sie 2023 als erste Bundesministerin seit 26 Jahren nach Taiwan? Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP.

Ob der Weckruf auf diese Art auch im Kanzleramt angekommen ist, wird sich noch zeigen. Zunächst sah Scholz‘ Strategie anders aus. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine war er der erste Staats- oder Regierungschef der westlichen Welt, der nach China gereist ist. Wohlweislich hatte der Kanzler zuerst Japan besucht, um das Zeichen zu setzen, wo Deutschlands Freunde sitzen. Für den Besuch bei Xi Jinping, der sich bisher kaum von Russland distanziert hat, wurde Scholz sehr kritisiert. Vor dem Besuch hatte Scholz die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem der vier Containerterminals des Hamburger Hafens gegen den Widerstand zahlreicher Ministerien seiner Regierung durchgewunken. Ein Schritt in Richtung mehr Abhängigkeit, nicht weniger.

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Die Liberalen sind in Sachen China-Strategie noch nicht in die Offensive gegangen. In Berlin hält sich aber hartnäckig das Gerücht, dass Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger einen Besuch in Taiwan plant – seit Jahren den ersten eines deutschen Regierungsmitglieds. Aus chinesischer Sicht wäre das ein Affront. Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehung zu Taiwan. Das Ministerium hat die Pläne der Ministerin bislang weder bestätigt noch dementiert.

 

Machtpoker

„Kein einziger von Putins Plänen ist aufgegangen“

Olaf Scholz,

Bundeskanzler

In der letzten Regierungserklärung in diesem Jahr stellt sich Kanzler Scholz noch einmal voll hinter die Ukraine und sichert zu, dass Deutschland finanzielle und humanitäre Hilfen sowie Waffenlieferungen leisten werde, so lange das nötig sei. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bescheinigt er, sich fundamental verrechnet zu haben. Der russische Präsident habe sowohl den Mut der Ukrainer als auch den Willen ihrer europäischen Verbündeten unterschätzt, gemeinsam gegen „Großmachtwahn und Imperialismus“ einzustehen. Auch für Deutschland und Europa wird es eine große Herausforderung sein, das Versprechen fortlaufender Hilfen durchzuhalten, auch wenn die Bevölkerung im jeweils eigenen Land leidet und sich die öffentliche Stimmung dreht.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung im Bundestag.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung im Bundestag.

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Wie Demoskopen auf die Lage schauen

Die Drohnenangriffe der Ukraine auf Ziele in Russland erhöhen bei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland der aktuellen Forsa-Umfrage die Sorge, dass sich der Krieg auf andere Länder in Europa ausweitet. Entsprechend sei der Anteil derer, die sich gegen die Lieferung von modernen Kampfpanzern an die Ukraine aussprächen, auf 56 Prozent angestiegen. Nur noch eine Minderheit von 36 Prozent befürworter laut Forsa die Lieferung.

Die Gefahr für die Demokratie in Deutschland, die von rechtsradikalen Gruppen wie den „Reichsbürgern“ ausgeht, schätzt der Umfrage zufolge eine Mehrheit von 61 Prozent als groß ein. In dieser Einschätzung seien sich die Anhänger aller Parteien einig – mit einer Ausnahme: Von den Anhängern der AfD glaube nur eine Minderheit von 28 Prozent, dass die Demokratie durch rechtsradikale Gruppen gefährdet werden könne. Die Mehrheit von 63 Prozent der AfD-Anhänger glaubt das laut Forsa nicht.

In der Sonntagsfrage gibt es nicht viel Bewegung. SPD und Grüne liegen gleichauf.

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