Ohne Vorteil keine Vorteilsannahme: Warum Lindner sich rechtlich vermutlich nicht falsch verhalten hat
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Die Justiz prüft, ob Anfangsverdacht gegen FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner besteht.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa
Die Korruptionsabteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin prüft Ermittlungen gegen Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen Vorteilsannahme. Ein förmliches Ermittlungsverfahren wurde aber noch nicht eingeleitet. Noch wird geprüft, ob überhaupt ein Anfangsverdacht besteht, über den der Bundestag zu informieren wäre.
Ausgelöst wurden die Vorermittlungen durch einen Bericht des „Spiegels“ im Oktober letzten Jahres. Danach hat Lindner im Januar 2021 ein Zweifamilienhaus im Berliner Stadtteil Nikolassee erworben und mit einem eventuell ungewöhnlichen Kredit der Karlsruher Genossenschaftsbank BB-Bank (früher Badische Beamtenbank) finanziert. Im Mai 2022, nun als Minister, sprach Lindner ein Videogrußwort zum 100. Geburtstag der BB-Bank. Einen Monat später erhielt er wohl noch einen Kredit von der Bank.
Korruptionsvorwurf um Privatkredit: Finanzminister Lindner weist Verdacht zurück
Der Grund: Lindner soll eine Videorede für die Bank gehalten haben, die seinen Hauskauf finanziert hat.
© Quelle: dpa
Die Vorteilsannahme ist ein Korruptionsdelikt, das im Strafgesetzbuch in Paragraf 331 geregelt ist. Strafbar ist danach, dass ein Amtsträger einen Vorteil für seine Dienstausübung erhält. Anders als bei der Bestechlichkeit geht es nicht um eine rechtswidrige Diensthandlung. Vielmehr darf ein Amtsträger auch keine größeren Geschenke dafür entgegennehmen, dass er seine Arbeit rechtmäßig oder sogar besonders gut macht. So soll jeder Eindruck der Käuflichkeit von Amtsträgern vermieden werden.
Als Diensthandlung geht es bisher vor allem um das Videogrußwort. Solche freundlichen Grußworte gehören durchaus zu den üblichen Tätigkeiten von Ministern – nur darf man sich nicht dafür bezahlen lassen. Daneben ist Lindner als Finanzminister auch für die Bankenaufsichtsbehörde Bafin zuständig, so dass die BB-Bank wohl auch allgemein Interesse an Lindners Wohlwollen haben könnte.
Doch worin soll Lindners Bezahlung, sein Vorteil, liegen? Hier wird die Geschichte eher dünn. Der „Spiegel“ sieht das Problem darin, dass Lindner das Haus für 1,65 Millionen Euro gekauft hat, für die BB-Bank jedoch als Sicherung eine Grundschuld in Höhe von 2,65 Millionen Euro eingetragen wurde. Daraus schließt der „Spiegel“, dass Lindner auch einen entsprechend hohen Kredit erhielt, was ungewöhnlich sei. Über einen Anwalt ließ der Minister jedoch ausrichten, dass das Haus erst noch aufwendig saniert werden müsse. Das klingt plausibel und kann auch die weitere Grundschuld im Juni 2022 erklären, die auf einen zusätzlichen Kredit in Höhe von 450.000 Euro hindeutet.
Lindner und die Bank betonen laut „Tagesspiegel“, dass die Kreditkonditionen marktüblich seien. Wenn nichts anderes nachgewiesen werden kann, wird es in dieser Sache wohl kaum zu Ermittlungen gegen Lindner kommen. Denn ohne „Vorteil“ kann es auch keine „Vorteilsannahme“ geben. Dass Lindner seinem Ministerium bei der Erstellung des Videogrußwortes möglicherweise nichts von seinem Privatkredit bei der BB-Bank erzählt hat, ändert daran nichts.