„Das gesamte Konstrukt des Synodalen Wegs ist höchst problematisch“
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Der Freiburger Theologe und Kirchenrechtler Professor Georg Bier.
© Quelle: Georg Bier
Berlin. Professor Georg Bier lehrt und forscht an der Universität Freiburg. Der Theologe warnt vor Enttäuschungen beim Synodalen Weg.
Herr Professor Bier, zuletzt rückten beim Synodalen Weg kirchenrechtliche Aspekte in den Vordergrund. Welche Knackpunkte sehen Sie?
Das gesamte Konstrukt des Synodalen Wegs ist höchst problematisch. Das haben bereits die Diskussionen über Statuten und die Geschäftsordnung am Anfang gezeigt. Für rechtlich besonders schwierig halte ich die Basis der Entscheidungen des Synodalen Wegs als Gremium. Das Präsidium spricht von „Beschlüssen“, dabei sind das kirchenrechtlich nur Empfehlungen. Selbst wenn die Synodalversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit abstimmt.
Was aber ist mit den Themen wie Änderungen beim Zölibat oder der Weihe von Frauen zu Priesterinnen?
Der Priesterzölibat ist zwar kirchenrechtlich verankert, das könnte man jedoch jederzeit ändern. Das sagt auch der Papst. Bei der Frage nach der Rolle der Frauen sieht es ein bisschen anders aus. Doch die Priesterweihe der Frau berührt eher die Kirchenlehre als Kirchenrecht. Das betrifft ebenfalls die Bewertung von Homosexualität. Änderte man die als verbindlich angesehene kirchliche Lehre oder Norm, könnte sich auch der rechtliche Rahmen ändern.
Beim Streit zwischen Vatikan und Synodalem Weg über den vorgesehenen Synodalen Rat als Entscheidungsgremium in der Katholischen Kirche Deutschlands geht es um die Machtfrage …
… bei deren Beantwortung tatsächlich rechtlich geregelt ist, wer da was zu tun und zu sagen hat – und wer nicht. Die kirchliche Hierarchie ist bei den Katholiken strikt im Sinne einer Pyramide angelegt. An der Spitze der Papst, darunter die für ihre Diözesen zuständigen Bischöfe, die dort ebenfalls ihre Pyramide anführen.
Es ist das Konzept der einsamen Entscheidungen, das vom Synodalen Weg infrage gestellt wird.
Das Konzept ist, dass immer jemand die Verantwortung für das Ganze trägt, aus theologischen Überzeugungen heraus, so wie das Lehramt sie versteht. Eine Verantwortung, an der ein Bischof andere im Ergebnis nicht teilhaben lassen kann, weil eben die letzte Entscheidung des Bischofs nicht übertragbar ist.
Reform in Katholischer Kirche
Was ist der Synodale Weg?
Nach der Veröffentlichung der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ beschossen die deutschen Bischöfe im März 2019 einen Synodalen Weg. Er soll in einem offenen und selbstkritischen Dialog über verschiedene Themen diskutieren und über die Bedeutung von Glaube und Kirche in der heutigen Zeit nachdenken. Der Synodale Weg wird von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) getragen. Die vier entscheidenden Themen im Prozess sind „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, „Priesterliche Existenz heute“ und „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“.
Wird Synodalität von Rom und in Deutschland unterschiedlich verstanden?
Ganz klar: ja. Der Papst sagt, Synodalität bedeutet vor allem gegenseitiges Zuhören. Und wenn genug zugehört worden ist, dann darf man darauf vertrauen, dass die zuständige Autorität – der Papst oder die Bischöfe oder eine Bischofskonferenz – schon richtig entscheidet. Der Synodale Weg möchte hingegen, dass Entscheidungen gemeinsam getroffen beziehungsweise vom zuständigen Hirten entsprechend umgesetzt werden.
Ist den Gläubigen im Verlauf des synodalen Wegs in Deutschland möglicherweise zu viel versprochen worden?
Das ist mein Eindruck. Auf jeden Fall sind – bewusst geweckt oder nicht – in den Köpfen Erwartung entstanden. Sowohl bei der Frage der Weihe von Frauen als auch bei den Vorstellungen einer Mitbestimmungskirche. Es hat allerdings auch niemand verschwiegen, dass allein aus Deutschland heraus die katholische Kirche nicht veränderbar ist. Ob das bei allen so angekommen ist, steht auf einem anderen Blatt.
Finden Rom und die Deutschen in Zukunft wieder näher zueinander?
Ich bin Theologe und kein Prophet. Aber ich gehe davon aus, dass die Fingerzeige aus Rom in den letzten Wochen, nicht zu weit zu gehen, unübersehbar waren. Man wird wieder zueinander finden – wohl aber um den Preis, der für viele, die jetzt an der Synodenversammlung teilnehmen, einer Enttäuschung gleichkommt.