Kann sich die Union einigen?

Die CDU streitet über ihre Position zur Migrationspolitik

Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender, geriet vor wenigen Wochen in die Kritik für seine Wortwahl: Im Kontext der Silvesterkrawalle nannte er migrantische Kinder „kleine Paschas“.

Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender, geriet vor wenigen Wochen in die Kritik für seine Wortwahl: Im Kontext der Silvesterkrawalle nannte er migrantische Kinder „kleine Paschas“.

Unionsfraktionsmanager Thorsten Frei (CDU) will schon einmal die Erwartungen herunterschrauben, bevor es überhaupt losgeht. Man dürfe die fraktionsoffene Sitzung am Dienstag nicht überhöhen, sagte der CDU-Politiker vor wenigen Tagen. Sie sei zwar eine „wichtige Station in einem Prozess“, aber man gehe da ganz „unverkrampft“ ran, versicherte er.

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Die Expertenliste deutet darauf hin, dass die Fraktionsführung versucht, verschiedene Perspektiven abzudecken. Als einer von drei Experten ist nach RND-Informationen der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, eingeladen. Er ist CSU-Mitglied, gilt als sehr konservativ. Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen ist ebenfalls zu Gast. Er dürfte den Bogen schlagen vom Fachkräftemangel zur Zuwanderung. Und auch Migrationsexperte Daniel Thym ist eingeladen, der während der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 geforderte Grenzkontrollen als „Scheinlösung“ bezeichnete. Hört man sich in der CDU um, wird es nur wenige geben, die diese freiwillige Veranstaltung auslassen wollen. Der Redebedarf ist insbesondere nach den letzten Wochen groß.

Ein Riss in der Fraktion zeigte sich im Dezember, als es um die Abstimmung über das von der Ampel angestoßene Chancenaufenthaltsrecht ging. Entgegen der Linie der Fraktionsführung enthielten sich 20 Unionsabgeordnete, statt den Entwurf der Regierungskoalition abzulehnen. Darunter Armin Laschet, Hermann Gröhe und Serap Güler, die zum liberalen Flügel gezählt werden. Dieser Schritt ließ sich als Warnung verstehen, dass sie nicht jeden Hardliner-Kurs stillschweigend mitmachen. Bei diesem Zwist ging es einerseits um unterschiedliche Positionen zum Umgang mit abgelehnten, aber integrierten Asylbewerbern, jedoch auch um das Signal und die Sprache. Man müsse mit dem Florett unterwegs sein statt mit dem Breitschwert, sagte einer der Abweichler, Marco Wanderwitz, damals.

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Kritik hinter vorgehaltener Hand

Doch was noch Florett ist und was schon Breitschwert, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Als der CDU- und Unionsfraktionschef Friedrich Merz Anfang Januar in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ zu Gast war, sprach er im Kontext der Silvesterkrawalle über migrantische Kinder von „kleinen Paschas“. Dabei bezog er sich auf Integrationsprobleme in Schulen. Es dauerte nicht lange, bis politische Gegner Rassismusvorwürfe erhoben.

Aus der CDU hörte man zwar kaum öffentliche Kritik, doch hinter vorgehaltener Hand fragten sich manche, ob die Verwendung dieses Begriffs so geschickt gewesen sei. Immerhin spreche man jetzt nur noch über seine Formulierung und nicht über Integrationsprobleme. Und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kritisierte im „Tagesspiegel“, dadurch hätten sich viele persönlich angegriffen gefühlt, die der Parteivorsitzende gar nicht adressieren wollte. Andere in der CDU sind wiederum der Meinung, dass man auch zugespitzt formulieren dürfe.

Doch insbesondere nach dem von Merz später zurückgenommenen Vorwurf des „Sozialtourismus“ an ukrainische Geflüchtete machen sich Liberale Sorgen um die Ansprache der CDU an Migranten. CDU-Politikerin Güler soll auf der jüngsten Klausur in Weimar im Kontext der „Pascha“-Aussage Sensibilität in der Sprache angemahnt haben.

Nur kein öffentlicher Streit

Dass die Fraktionsführung zur Sitzung lädt, ist auch ein Zeichen dafür, dass sie versucht, einen eskalierenden, öffentlich ausgetragenen Streit innerhalb der CDU und mit der CSU zu vermeiden. Immerhin muss man sich als Oppositionskraft geschlossen zeigen, wenn man irgendwann selber wieder regieren will. Und besonders beim Thema Migration kam es in der Vergangenheit zu heftigen Auseinandersetzungen.

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Migration ist für die Union ein anhaltendes Trauma. Wegen der liberalen Migrationspolitik von Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) entfremdeten sich nach 2015 und 2016 einige Unionspolitiker von ihrem Kurs – laute Kritik inklusive. Bald darauf, im Jahr 2018, sorgten die Nachwehen von 2015 und darunter auch die von Innenminister Horst Seehofer (CSU) geforderte Flüchtlingsobergrenze fast für eine innerfraktionelle Spaltung mit den Christsozialen.

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Und manches aus dieser Zeit kommt heute wieder zurück: beispielsweise die Debatte um die Obergrenze. Diesmal angefacht von CDU-Innenpolitiker Alexander Throm, der dieser Tage erneut eine Zuwanderungsbegrenzung ins Spiel brachte. Der Europapolitiker Dennis Radtke vom CDU-Sozialflügel hält davon nichts. „Wir brauchen differenzierte Antworten. Die Forderung nach einer Obergrenze für Asyl gehört nicht dazu. Etwas zu fordern, was praktisch und rechtlich nicht möglich ist, löst keine Probleme, sondern produziert Verdruss“, sagt Radtke.

Auf dem Weg zum neuen Grundsatzprogramm will die CDU ihre Position zu den großen Fragen auch in der Migrationspolitik klären. Radtke hält es für grundsätzlich nicht schädlich, dass es unterschiedliche Meinungen in der CDU gibt. „Wir sind eben Volkspartei und nicht Klientelpartei“, sagt er. Probleme dürften zwar nicht totgeschwiegen werden, aber mit schrillen Tönen in der Migrationsdebatte werde man die AfD nicht klein bekommen. Für ihn gehe es um die richtige Tonlage, „um Maß und Mitte in der Kommunikation und die Differenzierung zwischen Themen wie Integration, Kriegsflüchtlinge, EU-Binnenmigranten und notwendiger Zuwanderung in den Arbeitsmarkt“.

Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, fordert ebenfalls, die einzelnen Themen klar auseinanderzuhalten: „Wir müssen endlich zwischen einer Migrationsdebatte im Rahmen humanitärer Verantwortung und einer Zuwanderungsdebatte trennen“, sagt er dem RND.

Nun will am Dienstag aber erst mal die Fraktion diskutieren, wie sie sich künftig inhaltlich aufstellen will. Dann folgt die Partei: Im ersten Quartal lädt die CDU zu einem Einwanderungsgipfel, da will sie sich mit den grundlegenden Fragen erneut beschäftigen.

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