In der Partei geht die Angst um

Wagenknecht und die Linke: Ein Ende mit Schrecken?

Sahra Wagenknecht (Die Linke), hier noch fotografiert als Fraktionsvorsitzende.

Sahra Wagenknecht (Die Linke), hier noch fotografiert als Fraktionsvorsitzende.

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Berlin. Zu Jahresbeginn meinte der Parteichef der Linken, Martin Schirdewan, noch, der Streit um Sahra Wagenknecht sei überwunden. „Ich halte (...) das ganze Gerede über die mögliche Trennung Einzelner von der Partei nicht für hilfreich“, sagte Schirdewan in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass es zu einer Spaltung kommt.“

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Seit ihrer Ankündigung vom vergangenen Freitag, bei Wahlen nicht mehr für die Linke kandidieren zu wollen, steht nicht nur die Frage im Raum, wie es mit Sahra Wagenknecht weitergeht, sondern auch, ob die Partei ohne sie noch die Kurve kriegt.

Fakt ist, Wagenknecht ist das prominenteste Mitglied mit der höchsten medialen Anziehungskraft. Fakt ist auch, sie vertritt Ansichten, die die Partei spalten und zum Teil auch rechts anschlussfähig sind, etwa in der Flüchtlings- und Corona-Politik oder auch in ihrer Haltung zum Kreml.

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Das Kokettieren sichert Einschaltquoten

Schon lange schwelen Spekulationen über ihren Abgang, die sie bewusst im Ungefähren belässt. „Aktuell bin ich Mitglied der Linken“, sagte sie etwa im September. Vor einer Woche wählte sie die Formulierung, die Linke sei die „Partei, der ich noch angehöre“. Der Zeitung „Rheinpfalz“ sagte sie am Freitag, sie wolle sich nach Ablauf der Legislaturperiode entweder aus der Politik zurückziehen und als Publizistin und Buchautorin arbeiten, „oder es ergibt sich politisch etwas Neues“. Mit solchen Formulierungen vermeidet sie einen klaren Schnitt, lässt aber durchblicken, dass ihr Absprung jederzeit erfolgen könnte. Parteiinterne Kritiker sagen, dass das genau der Spannungsbogen ist, den sie aufrechterhalten will und muss, damit sie weiter im Gespräch bleibt.

Der permanente interne Kampf und das ständige Abweichen Wagenknechts vom offiziellen Kurs der Parteispitze sichern hohe mediale Einschaltquoten. Das Kokettieren mit einem Austritt und die damit verbundene Gefahr für die Linke, in die Bedeutungslosigkeit zu stürzen, sorgen für den Kick.

Zwar trauen Umfragen einer neuen Wagenknecht-Partei 19 Prozent zu, wie eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Kantar für den „Focus“ ergab, aber die künftige Chefin ist sich auch der Mühsal einer Neugründung bewusst. Dem Portal „NachDenkSeiten“ sagte sie unlängst, es sei in Deutschland nicht leicht, eine neue Partei zu gründen. „Es gibt viele Fallstricke. So ein Projekt ohne solide Vorbereitung zu beginnen hätte wenig Aussicht auf Erfolg.“

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Ein möglicher Termin wären 2024 die Europawahlen

Wie weit eine solche Vorbereitung bei ihr selbst und möglichen Mitstreitern schon vorangeschritten ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Fakt ist, dass das Tischtuch zwischen ihr und der Parteiführung jetzt endgültig zerschnitten ist. „Die Chancen, aus diesem Dilemma herauszukommen, halte ich für äußerst gering“, sagte Ex-Parteichef Klaus Ernst dem RND und fügte hinzu: „Dazu müsste der Parteivorstand einen Kurswechsel vollziehen, und viele Protagonisten müssten sich bei Sahra Wagenknecht entschuldigen.“

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Dazu wird es nicht kommen, dass weiß auch Ernst, der bei einem Bruch vermutlich gemeinsam mit Wagenknecht die Fraktion verlassen würde. Er ist sich jedenfalls sicher, dass „einige sich noch wundern werden, wo sie abbleiben, wenn die Partei auseinandergeht“. Parteiintern sind sich viele sicher, dass das nicht so schnell geschehen wird. Ein möglicher Termin wären 2024 die Europawahlen, für die nur eine Drei-Prozent-Hürde gilt, was die Chance der Kandidaten erhöht.

Hoffnung, dass sich die Debatte totläuft

Die Parteispitze spielt indes offenbar einmal mehr auf Zeit, wohl in der Hoffnung, dass sich die Debatte totläuft. Parteichef Schirdewan sagte am Montag in Berlin, ihm sei nicht bekannt, dass jemand die Bundestagsfraktion verlassen wolle. Störgeräusche seien nichts Neues, und er möchte persönliche Entscheidungen nicht kommentieren.

Auch Fraktionschef Dietmar Bartsch, dem nach eigenem Bekunden Wagenknechts Absicht, nicht mehr für die Linke kandidieren zu wollen, „seit Längerem bekannt“ war, versucht, ans Alltagsgeschäft anzuknüpfen, wenn er sagt: „Angesichts der Herausforderungen in Deutschland und der Welt bleibt unsere Aufgabe, die soziale Opposition im Bundestag zu sein.“

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Aber auf den Fluren der Fraktion macht sich schon die Angst breit. Wenn Wagenknecht geht und mindestens drei Abgeordnete mitnimmt, dann verliert die Linke ihren Status als Fraktion und damit Einflussmöglichkeiten und Redezeit im Parlament. Etwa 120 Mitarbeiter aus dem Apparat würden quasi über Nacht ihren Job verlieren.

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