Dreikönigstreffen der FDP: Christian Lindners fröhliche Penetranz
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/KY5LW6QHVFDSNC7IU2GJMEZANE.jpeg)
Christian Lindner, Vorsitzender der FDP und Bundesfinanzminister, spricht beim traditionellen Dreikönigstreffen der FDP.
© Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Berlin/Stuttgart. Die FDP ist dieser Tage die Partei des Spagats. Es ist ein Spagat zwischen Regierungsbeteiligung, in der sie laut den Reden ihrer Spitzenpolitiker bei ihrem traditionellen Dreikönigstreffen Verantwortung fürs Land übernimmt, und den Oppositionsreflexen, die bei denselben Rednern aufzucken, wenn sie an SPD-Chefin Saskia Esken oder den grünen Vizekanzler Robert Habeck denken.
Es ist aber auch ein Spagat zwischen ihrer Wählerschaft, von denen viele die FDP immer noch lieber als wirtschaftsfreundliche Kraft an der Seite einer konservativen CDU/CSU sähen, und dem Anspruch, die Zukunfts-Partei zu sein, die optimistisch und modern und unbedingt cool genug für Jungwähler ist.
Die liberale Tradition des Dreikönigstreffens im Südwesten ist deutlich älter als die FDP. Inzwischen hat sie für die Freidemokraten eine bundespolitische Bedeutung, auch wenn der Zweck der eintägigen alljährlichen Veranstaltung etwas unklar bleibt: Sie ist nicht so konstruktiv wie ein Parteitag, weil sie davon nur den Anteil der Schaufenster-Reden hat; zugleich sind diese aber nicht so angriffs- oder sonst irgendwie lustig wie am Politischen Aschermittwoch.
So ist es in diesem wie in jedem Jahr: Das Liberalentreffen am Dreikönigstag sagt vor allem etwas über den Gemütszustand der FDP aus und darüber, wie ihre Spitzenleute von Bundes- und Ländle-Ebene derzeit das Ansehen ihrer Partei einschätzen. Gemessen an deren Reden sehen sie den Grund in den schlechten Umfragewerten der FDP - gegenüber der Bundestagswahl hat sich die Zustimmung halbiert - vor allem in mangelnder Sichtbarkeit der Partei zwischen SPD und Grünen.
Entsprechend ausführlich gehen die Redner in Stuttgart auf das ein, was ihnen als liberales Profil gilt: Freihandel, Rechtsstaat - mit Grüßen an die Böllerwerfer von Berlin -, Wirtschafts- und immer wieder Atomkraft sowie die „arbeitende Mitte“, die man als Regierungspartei entlastet habe: „Wer den Zusammenhalt der Gesellschaft erhalten will“, sagt Lindner, müsse Bedürftigen helfen, „aber er muss den Menschen, die hart arbeiten und viel abgeben, ebenfalls Fairness zuteil werden lassen.“
Grünen-Kritik ist roter Faden
Das habe man mit den Entlastungspaketen getan - auch wenn ihm die „die Größenordnung dieser Schuldenaufnahme nicht geheuer“ war. Es gehe aber darum, in der Krisen Bertriebe, Strukturen und Existenzen zu schützen, „die man für die Zukunft braucht“.
Besonders wichtig ist es allen Rednern, sich von den Grünen abzugrenzen. Der Baden-Württemberger FDP-Landeschef, Michael Theurer, kritisiert den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann als Chef einer schwarz-grünen „Stillstandskoalition - mit einem grünen Ministerpräsidenten, der im Jahr neun Windräder hinkriegt“. So werde die Energiewende scheitern. „Wir haben in sechs Monaten LNG-Terminals hingekriegt“, sagt Theurer mit Blick auf die Ampel im Bund, „und da finde ich es auch nicht schlimm, wenn Herr Habeck dann FDP-Politik umsetzt.“
Die FDP sollte keine Vorschläge unterbreiten, die zu den Grünen passen. Die FDP sollte Vorschläge unterbreiten, die zur Realität passen.
Christian Lindner,
FDP-Chef
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schimpft, niemand in Europa könne verstehen, dass Deutschland in diesem Jahr aus der Atomkraft aussteigen wolle. Wegen des gemeinsamen EU-Strommarkts sei für ihn eine Laufzeitverlängerung „eine Frage der europäischen Solidarität“.
Und auch Lindner wird deutlich: Auf die Kritik, die FDP mache zu oft Vorschläge, die nicht zu den Grünen passen, entgegne er: „Die FDP sollte keine Vorschläge unterbreiten, die zu den Grünen passen. Die FDP sollte Vorschläge unterbreiten, die zur Realität passen. Daran sollten wir weiter festhalten, in fröhlicher Penetranz.“ Dafür gibt es viel Applaus im Saal.
Neben Rechtfertigungen für Schulden und Ampel-Politik gelten in Stuttgart vor allem Angriffe auf die CDU/CSU als beste Verteidigung. „Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass mit der Union zu regieren einfacher wäre“, sagt Lindner. Er kritisiert sie auch für die „Corona-Lockdown-Spirale, in die Frau Merkel, Herr Söder und Herr Spahn unser Land hineingeführt haben“ und aus der „unser Freund Marco Buschmann als Bundesjustizminister uns wieder herausgeführt hat“.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EZHJQQG67RD4LOGG3ATC7MQUTQ.jpg)
Hauptstadt-Radar
Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Landeschef Theurer, rügt die Merkel-CDU für Fehler historischen Ausmaßes in Energie- und Russlandpolitik, ihr Versagen beim Freihandel und für ihre Kümmerlichkeit in der Landesregierung des Grünen Winfried Kretschmann. Dieser sollte das „Zeitfenster“ nutzen, um die Union fallen zu lassen und in eine Ampel-Regierung zu wechseln.
Der liberale Spagat zeigt sich auch sinnbildlich: Als Lindner von Klimaaktivisten unterbrochen wird, die vom Balkon des prunkvollen Stuttgarter Opernhauses herabsingen und auf ihren Bannern warnen „Klimakollaps = Wirtschaftskollaps“, da reagiert der FDP-Vorsitzende zunächst kumpelig. Er heißt die Störer willkommen, sagt später sogar, die FDP teile mit ihnen das Ziel eines klimafreundlichen Deutschlands. Zugleich rügt er sie, in einer Demokratie gründe man Parteien, um seine politischen Ziele durchzusetzen und bittet sie hämisch: „Klebt euch fest, nehmt viel Kleber, denn wenn ihr hier klebt, könnt ihr niemanden sonst behindern.“ Das bejubeln die Liberalen vor Ort deutlich lauter als jedes Bekenntnis zum Klimaschutz.
Als Lindner später betont, sei unter jungen Wählern besonders stark, beschreibt er diese Zielgruppe als „eine junge Generation, die an die Zukunft glaubt und sie gestalten will. Die sind gewissermaßen das Gegenteil der pessimistischen Letzten Generation“. Zum Finale nach der Chefrede haben einige davon ihren Auftritt: In knallgelben Kapuzenpullis präsentieren sie zu zappeligen Elektrosounds ihrerseits ein Banner: „Wir glauben an die Zukunft“.
Was damit konkret gemeint ist, erklären die Liberalen verschieden Stark-Watzinger und Lindner kündigen an, sich für eine jährliche „Bildungmilliarde“ einzusetzen: So sehr man sparen müsse und könne: In den nächsten Jahren müsse man in jedem Jahr eine zusätzliche Milliarde in Bildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene investieren.
Auch die Stichworte Kernfusion, Freihandelszone und Freiheitskampf fallen. Dabei geht es vor allem um die Ukraine, für deren stärkere Unterstützung man sich von Anfang an stark gemacht habe, sagen die Liberalen. Und da klingen sie dann wieder ganz wie Grüne.