Staatschef bittet um Geduld

Erdogan besucht erstmals Erdbebenregion – und droht seinen Kritikern

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

Am dritten Tag nach der verheerenden Erdbebenserie in der Südosttürkei hat Präsident Recep Tayyip Erdogan die Region besucht. Viele Menschen in den verwüsteten Städten und Dörfern warten immer noch auf Hilfe. Kritikern droht Erdogan.

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+++ Alle Entwicklungen nach den schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Liveblog +++

Wo ist unser Präsident? So fragten viele Menschen in der türkischen Katastrophenregion seit zwei Tagen. Am Mittwoch kam er endlich. In der schwer getroffenen Stadt Kahramanmaras besuchte Erdogan ein Zeltlager der staatlichen Katastrophenschutzorganisation Afad. Er versprach den Obdachlosen Soforthilfen: Jede betroffene Familie soll 10.000 Lira bekommen, umgerechnet 500 Euro. Der Staat werde „niemanden auf der Straße zurücklassen“, versprach Erdogan. Bei früheren Erdbebenkatastrophen habe das türkische Volk „Geduld gezeigt“. Er hoffe, das werde auch diesmal so sein, sagte der Staatschef.

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Oppositionschef Kilicdaroglu war bereits am Dienstag vor Ort

Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu war Erdogan zuvorgekommen und hatte bereits am Dienstag die Region besucht. „Wenn jemand die Hauptverantwortung trägt, dann ist es Erdogan“, sagte Kilicdaroglu in einem Video auf Twitter. Der 74-jährige Kilicdaroglu gilt als möglicher Herausforderer des 68 Jahre alten Erdogan bei den für Mitte Mai geplanten Präsidentenwahlen. Erdogan habe es in seinen 20 Regierungsjahren versäumt, das Land auf ein solches Beben vorzubereiten und die Gelder aus einer 1999 eingeführten Erdbebensteuer verschwendet, statt sie für den Katastrophenschutz einzusetzen, sagte Kilicdaroglu.

Erdogan räumte am Mittwoch Probleme bei den Hilfsmaßnahmen ein. Es habe anfangs Schwierigkeiten gegeben, auch weil Straßen und Flughäfen nicht benutzbar waren. Inzwischen normalisierten sich die Abläufe aber, so Erdogan.

Doch die Regierung ist mit unbequemen Fragen konfrontiert. Wie schon beim schweren Erdbeben in der Nordwesttürkei vom August 1999 fielen auch jetzt ganze Wohnblocks wie Kartenhäuser in sich zusammen – obwohl nach dem damaligen Beben die Bauvorschriften verschärft wurden. Kritiker beklagen, die Einhaltung der Standards werde nicht ausreichend kontrolliert.

In manchen Orten auch am Mittwoch noch immer keine Rettungsmannschaften

In manchen betroffenen Ortschaften seien auch am Mittwoch noch immer keine Rettungsmannschaften eingetroffen, hieß es in sozialen Medien. Die Helfer stehen allerdings objektiv vor riesigen Herausforderungen. Nach Aussagen des türkischen Botschafters in Deutschland, Basar Sen, misst das Katastrophengebiet etwa 90.000 Quadratkilometer. Das wäre eine Fläche größer als Österreich.

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Vor laufenden Kameras: Zweites Erdbeben lässt Wohngebäude einstürzen

Moment der Panik in Malatya. Die Stadt in der osttürkischen Region Anatolien ist am Montagmittag erneut von einem schweren Beben erschüttert worden.

Kritik an den Rettungsarbeiten will Erdogan offenbar schon im Keim ersticken lassen. Die Staatsanwaltschaft Istanbul leitete Ermittlungen gegen zwei Journalisten ein, die auf Versäumnisse beim Krisenmanagement hingewiesen hatten. Der Staatssicherheitsdienst (EGM) ermittelt gegen 90 Nutzer und Nutzerinnen sozialer Netzwerke wegen angeblich „provozierender Posts“. Vier Nutzer wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft festgenommen. Kritikern und Kritikerinnen droht Erdogan. Am Dienstag hatte der Staatschef erklärt, er notiere „alle Lügen und Entstellungen“ und werde sein „Notizbuch aufschlagen, wenn die Zeit kommt“.

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