Konflikt in der Ökopartei

Grüner Widerstand gegen Asylpläne der EU

Container für Geflüchtete auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.

Container für Geflüchtete auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.

Berlin. Bei den Grünen wächst der Widerstand gegen eine gemeinsame europäische Asylpolitik, über die am Donnerstag in Luxemburg verhandelt und vielleicht entschieden wird. Ziel ist, Asylverfahren für Geflüchtete mit geringer Bleibeperspektive an den Außengrenzen der Europäischen Union zu organisieren. Geflüchtete mit besseren Anerkennungschancen dürften nach den Plänen dann nicht in die EU einreisen, wenn sie aus einem Drittstaat kommen, der bereits als sicher gilt – wie etwa die Türkei. Gleichzeitig sollen alle Geflüchteten, die in der EU zunächst akzeptiert sind, gerecht auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden.

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Der „Spiegel“ berichtete über einen Brief von rund 730 Grünen-Mitgliedern an führende Politiker der Partei. Berichte über die Prioritäten der Bundesregierung hätten sie „erschüttert“, heißt es darin: „Die Ausweitung sicherer Drittstaaten, schlechterer Rechtsschutz, verpflichtende Grenzverfahren in Haftlagern und eine massive Verschärfung des gescheiterten Dublin-Systems sind nur einige der Rechtsverschärfungen, die in der vorgeschlagenen Reform des Asylsystems angelegt sind.“

730 Grüne schreiben Protestbrief

Der Brief wurde an Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Familienministerin Lisa Paus sowie die Parteivorsitzenden und die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion geschickt. Die Bundesregierung hat sich für den Plan der EU offen gezeigt, will aber durchsetzen, dass Minderjährige unter 18 und Familien mit Kindern diese Verfahren nicht durchlaufen müssen. Baerbock sagte, Grenzverfahren seien hochproblematisch – der EU-Kommissionsvorschlag sei aber die einzige Chance, zu einem „geordneten und humanen Verteilungsverfahren“ zu kommen. Unter den Unterzeichnern des Briefes sind die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina, die Fraktionsvorsitzende im thüringischen Landtag, Astrid Rothe-Beinlich, und Grüne-Jugend-Co-Chef Timon Dzienus.

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Unmut gibt es nicht allein bei den Grünen, sondern auch in der SPD. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat bei den Verhandlungen die Federführung.

Der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Es ist richtig, dass über eine neue europäische Asylpolitik verhandelt wird. Aber man darf die Menschenrechte dabei nicht schleifen. So ist die Möglichkeit, Menschen zurückzuführen, bevor ein Gericht über ihre Anträge entschieden hat, menschenrechtlich äußerst fragwürdig. Fragwürdig ist auch, Drittstaaten als sicher anzusehen, wenn sie tatsächlich nur teilweise sicher sind. Beides wäre ein starker Eingriff in das Asylrecht und vom Grundgesetz und EU-Grundrechten nicht mehr gedeckt.“

Marquardt beklagte zudem, dass man das Ziel durch schlechtere Bedingungen an den Außengrenzen gar nicht erreiche. „Es wäre dann eher mit mehr irregulärer Migration nach Zentraleuropa zu rechnen.“ Dennoch dürfe man jetzt nicht aufgeben, sondern solle über schrittweise Veränderungen reden. „Die Lage muss sich bessern, und wir sollten keine Ganz-oder-gar-nicht-Politik zulassen.“ Die Flüchtlingspolitik wird auch Thema beim grünen Länderrat am 17. Juni in Bad Vilbel bei Frankfurt sein.

Linken-Chef übt Kritik

Der Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, sagte dem RND unterdessen: „Die Debatte um die Grenzverfahren ist irreführend, da es anders, als es klingt, keine vollwertigen Asylverfahren sind. Es sollen dabei eben nicht die Schutzgesuche der Menschen geprüft werden, sondern sie dienen nur dazu, Geflüchtete abzuschrecken und schneller abschieben zu können. Solange Menschen sich dort befinden, gelten sie als nicht eingereist und müssen unter haftähnlichen Bedingungen ausharren. Das ist menschenunwürdig.“

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„Die Rolle der Grünen ist ein Trauerspiel“, sagte Schirdewan weiter. „Das Bekenntnis zur Forderung ,Refugees Welcome‘ verblasst bei ihnen im rasanten Tempo. Mit der Zustimmung zu den Außenlagern vor Europas Grenzen riskieren sie wissentlich katastrophale Folgen für Menschen auf der Flucht.“ Dass die Grünen jetzt wenigstens Familien mit Kindern von der Internierung an EU-Außengrenzen ausnehmen wollten, zeige deutlich: Sie wüssten genau, dass diese Regelung eine massive Entrechtung und die Aushöhlung des Asylrechts bedeute, so der Linken-Politiker. „Aber Menschenrechte sind universell, sie gelten für alle. Die Basis der Grünen ist gerade die letzte Hoffnung gegen diesen zynischen und kaltherzigen Kurs in der Asylpolitik der Grünen-Parteispitze.“

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