Kommen bald autonome Kampfdrohnen?

Experten rechnen mit „Killer-Roboter“-Einsätzen in der Ukraine

Ukrainische Soldaten verfolgen auf Monitoren die Übertragung von Drohnen in einer unterirdischen Kommandozentrale (Archivbild).

Ukrainische Soldaten verfolgen auf Monitoren die Übertragung von Drohnen in einer unterirdischen Kommandozentrale (Archivbild).

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Kiew. Es wäre der Beginn einer neuen Ära der Kriegsführung. Seit Jahren wird in Fachkreisen über das Potenzial von autonomen Kampfdrohnen diskutiert. Nun könnte der Einsatz auf dem Schlachtfeld kurz bevorstehen. Je länger sich der russische Angriffskrieg in der Ukraine hinziehe, desto wahrscheinlicher werde es, dass Maschinen selbstständig Ziele identifizieren, auswählen und zerstören, heißt es von Forschern wie von Militärangehörigen.

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Die Ukraine verfügt bereits über halbautonome Angriffsdrohnen und mit Künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattete Systeme zur Abwehr von Drohnen. Russland hat laut eigenen Angaben ebenfalls KI-Waffen entwickelt, auch wenn es dafür keine Belege gibt. Bislang sind aber vor allem keine Fälle bekannt, in denen ein Land tatsächlich „Killer-Roboter“ eingesetzt hätte, die völlig eigenständig Soldaten eines anderen Landes getötet hätten.

Russland könnte KI-Waffen aus dem Iran erhalten

Experten warnen jedoch, dass es wohl nur eine Frage der Zeit sei, bis derartige Waffentechnik von Russland oder der Ukraine – oder gar von beiden – im aktuellen Krieg zum Einsatz gebracht werde. Der ukrainische Minister für digitale Transformation, Mychailo Fedorow, bezeichnet es als einen „logischen und unvermeidlichen nächsten Schritt“. Sein Land habe „in diese Richtung sehr viel Forschung und Entwicklung“ betrieben, sagt er im Interview der Nachrichtenagentur AP. „Ich denke, dass es ein großes Potenzial dafür in den nächsten sechs Monaten gibt.“

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Der ukrainische Oberstleutnant Jaroslaw Hontschar, Mitgründer der Kampfdrohnen-Einheit Aeroroswidka, betonte kürzlich in einem Interview nahe der Front, dass Menschen einfach nicht in der Lage seien, so schnell wie Maschinen Informationen zu verarbeiten und Entscheidungen zu treffen. Die eigene Militärführung verbiete den Einsatz von komplett autonom agierenden tödlichen Waffen, aber das könne sich ändern, sagte er. „Noch haben wir diese Grenze nicht überschritten.“

Russland könnte KI-Waffen etwa auch aus dem Iran bekommen. Die bereits in großer Zahl von Moskau eingesetzten Schahed-Drohnen iranischer Bauart haben Kraftwerke zerstört und die ukrainische Bevölkerung terrorisiert – sie gelten aber als nicht besonders „intelligent“. Doch Teheran hat laut eigenen Angaben weitere Drohnen-Typen im Arsenal, von denen einige sehr wohl mit KI arbeiten.

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RUSSIA, MOSCOW REGION - JANUARY 3, 2023: Russia s President Vladimir Putin has a phone call with Kurgan Region girl Agata Bylkova, 8, as part of the Christmas Tree of Wishes charity campaign. Mikhail Klimentyev/Russian Presidential Press and Information Office/TASS PUBLICATIONxINxGERxAUTxONLY 56658733

Viele Russen fragen sich in ihren Neujahrsferien, wie es in dem von Niederlagen überschatteten Krieg gegen die Ukraine weiter geht.

Die Ukraine wiederum könnte ihre halbautonomen Kampfdrohnen laut Angaben der westlichen Hersteller ohne allzu große Probleme auch in ganz unabhängig agierende Waffen umwandeln. Bei diesen Drohnen – darunter die amerikanische Switchblade 600 und die polnische Warmate – wählt bisher stets ein Mensch mithilfe einer Livebild-Übertragung das Ziel aus. Ein KI-System erledigt dann den „Auftrag“.

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„Die Technologie, um mit Switchblade eine vollständig autonome Mission auszuführen, ist im Grunde bereits vorhanden“, sagt Wahid Nawabi, Chef des Herstellers AeroVironment. Erforderlich wäre ein politischer Kurswechsel, der es erlauben würde, den Menschen aus der entsprechenden „Entscheidungsschleife“ herauszunehmen. Er gehe davon aus, dass es noch etwa drei Jahre dauern werde, bis es soweit sei, sagt Nawabi.

Putin betonte schon 2017 die Bedeutung von KI-Systemen für künftige Kriegsführung

Gängige Systeme sind bereits in der Lage, Ziele wie gepanzerte Fahrzeuge durch Abgleich mit gespeicherten Bildern zu erkennen. Es ist aber umstritten, ob die Technik hinreichend zuverlässig ist, um vollständig auszuschließen, dass sich eine Maschine „irrt“ und dann Menschen tötet, die womöglich nichts mit aktuellen Kampfhandlungen zu tun haben.

Anfragen der AP, ob offensive autonome Waffen bereits eingesetzt worden seien, und ob man zu einem Verzicht darauf bereit wäre, wenn sich die andere Seite ebenfalls dazu verpflichten würde, ließen die Verteidigungsministerien Russlands und der Ukraine unbeantwortet.

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Sollte eines der beiden Länder den Schritt gehen, mit einem KI-System anzugreifen, wäre dies derweil nicht unbedingt eine Premiere. Laut einem UN-Bericht könnte eine autonome Drohne aus türkischer Produktion im Jahr2020 in Libyen eine unbekannte Zahl von Kämpfern getötet haben. Ein Sprecher des Herstellers STM wies dies gegenüber der AP zurück. Der Bericht basiere auf „spekulativen, unbestätigten“ Informationen, sagte er. Die STM-Drohne vom Typ Kargu 2 könne erst dann angreifen, wenn der Bediener dies entscheide.

Der ukrainische Kommandant Hontschar geht laut eigenen Angaben davon aus, dass Russland längst autonome „Killer-Drohnen“ eingesetzt hätte, wenn es über solche verfügen würde – zumal der Kreml bei seinen bisherigen Angriffen auf die ukrainische Zivilbevölkerung auch sonst wenig Rücksicht auf internationale Regeln genommen habe. „Ich denke nicht, dass sie irgendwelche Skrupel hätten“, sagt auch Adam Bartosiewicz, Vize-Chef des Warmate-Herstellers WB Group.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte schon 2017 die Bedeutung von KI-Systemen für die künftige Kriegsführung betont – wer diese Technologie dominiere, werde die Welt beherrschen, sagte er. In einer Rede am 21. Dezember gab er sich zuversichtlich, dass die Rüstungsindustrie Russlands in der Lage sein werde, Kampfgeräte mit KI auszustatten.

Versuche, internationale Regeln für den Einsatz von militärischen Drohnen festzulegen, blieben bisher ohne Ergebnis. Seit neun Jahren gibt es in Genf informelle Gespräche zum Thema. Führende Mächte wie die USA und Russland lehnen ein Verbot aber ab. Bei der letzten Sitzung im Dezember wurde kein Termin für eine weitere Verhandlungsrunde vereinbart.

Der australische Aktivist und Wissenschaftler Toby Walsh hofft, dass es zumindest in einigen Bereichen eine Einigung auf Regeln für „Killer-Roboter“ geben wird – etwa ein Verbot von Systemen, die auf Gesichtserkennung und andere Daten zurückgreifen, um bestimmte Personen oder Personengruppen zu identifizieren und zu töten. „Wenn wir nicht aufpassen, werden sie sich noch leichter ausbreiten als Atomwaffen“, sagt der Autor des Buches „Machines Behaving Badly“. „Wenn ein Roboter dazu gebracht werden kann, eine Person zu töten, kann er auch dazu gebracht werden, tausend zu töten.“

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Mehrere Länder arbeiteten längst auch an der Entwicklung von Drohnen, die in tödlichen Schwärmen angreifen könnten, sagt Zachary Kallenborn, ein Waffenexperte von der George Mason University nahe Washington. Dass derartige Entwicklungen in Zukunft kriegsentscheidend sein könnten, betonte Putin schon 2017 in einem Fernseh-Chat mit Ingenieurstudenten. „Wenn die Drohnen der einen Seite durch die Drohnen einer anderen zerstört werden, wird diese keine andere Wahl haben, als sich zu ergeben“, sagte er.

RND/AP

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