Migrationspolitik

Kommunen und Opposition unzufrieden mit Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels

Informierten am Mittwochabend über die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels (von links): Stephan Weil (SPD), Olaf Scholz (SPD) und Hendrik Wüst (CDU).

Informierten am Mittwochabend über die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels (von links): Stephan Weil (SPD), Olaf Scholz (SPD) und Hendrik Wüst (CDU).

Artikel anhören • 7 Minuten

Berlin. Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern sind sowohl bei den Kommunen also auch bei der Opposition im Bundestag auf Kritik gestoßen. „Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stößt bei den Kommunen auf große Enttäuschung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Er äußerte sich mit Blick darauf, dass eine dauerhafte Lösung zur Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung auf den Herbst vertagt worden war. „Das ist ein schlechtes Signal an die Städte“, sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der Zeitung.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Mit einer Vertagung drängender Probleme können die Landkreise nicht wirklich zufrieden sein“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Vertreter der Kommunen waren zu dem Treffen nicht eingeladen worden.

Aufschlüsslung der Kosten erfolgt erst im November

Der Bund hatte bei der Einigung am Mittwochabend eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll aber zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten und erst im November entschieden werden. Die Milliarde sei „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisierte Landsberg.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Mit dem Betrag sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Der Bund hatte zuvor bereits 1,5 Milliarden Euro für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in diesem Jahr zugesagt sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete. Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollerklärung Vorbehalte gegenüber den Gipfel-Ergebnissen fest.

Absichtserklärung gegen irreguläre Migration

Überwiegend begrüßt wurden Absichtserklärungen der Bundesregierung, die sogenannte irreguläre Migration stärker einzudämmen, auch wenn hierfür noch Verhandlungen auf EU-Ebene bevorstehen. Um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen, hätten sich Bund und Länder auch darauf verständigt, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

NRW-Ministerpräsident Wüst: „Jetzt ist der Bundeskanzler gefragt“

„Der Bund hat kein ausreichendes Problembewusstsein gezeigt in den letzten Wochen. Auch die Vorbereitung der heutigen Zusammenkunft belegt das leider.“

In Ausreisegewahrsam können Menschen genommen werden, die in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, sich aber häufiger unkooperativ verhalten haben - zum Beispiel mit falschen Angaben über ihre Staatsangehörigkeit. Vereinbart wurden den Angaben zufolge auch erweiterte Zuständigkeiten der Bundespolizei und ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Justiz- und Ausländerbehörden.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Woidke: Zwischenschritt zu gemeinsamen Flüchtlingspolitik

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht nach dem Flüchtlingsgipfel die Forderungen der Länder bei der Finanzierung noch nicht erfüllt. Das sagte er laut Mitteilung am Mittwochabend nach dem Treffen im Kanzleramt. Die Bund-Länder-Beschlüsse bezeichnete er zugleich als „weiteren Zwischenschritt zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik in Deutschland“. Woidke will am Donnerstagvormittag mit den brandenburgischen Landräten und Oberbürgermeistern in einer Telefonkonferenz über die Ergebnisse beraten und dann auch den Landtag in Potsdam informieren.

Es sei ein gutes Zeichen, dass der Bund den Ländern für dieses Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich für die Unterbringung und Integration der Schutzsuchenden zur Verfügung stellen werde, sagte der Regierungschef. Brandenburg werde die auf das Land entfallenden etwa 30 Millionen Euro nutzen, um die Kommunen weiter zu entlasten. „Die Länderforderungen sind damit noch nicht erfüllt. Dieser Betrag muss fortlaufend auf den Prüfstand.“

Bartsch spricht von „Enttäuschungsgipfel“

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Runde im Kanzleramt im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einen „Enttäuschungsgipfel“. Die Vorsitzenden der AfD-Fraktion, Alice Weidel und Tino Chrupalla, bezeichneten die Ergebnisse als „nicht geeignet, die dringend erforderliche Migrationswende in Deutschland einzuleiten. Noch mehr Geld für noch mehr Flüchtlinge wird die Flüchtlingskrise nicht lösen, sondern verlängern.“

Die Aufstockung der Beteiligung gilt als Zugeständnis an die Länder. Die sehen allerdings den Bund grundsätzlich in der Pflicht. „Der Bund allein hält den Schlüssel zur Steuerung und Begrenzung der Migration in der Hand. Solange er diesen Schlüssel nicht ausreichend nutzt, muss er sich an den Kosten der Länder und Kommunen beteiligen“, sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der im November Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) sein wird. In dem Beschlusspapier des Gipfels heißt es auch: „Aus Sicht der Länder bedarf es eines atmenden Systems, bei dem sich die finanzielle Unterstützung des Bundes an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Wie viele Geflüchtete es gibt, wo sie herkommen, wo sie unterkommen

Bund und Länder streiten über die Unterbringung von Geflüchteten. Doch wie viele Flüchtlinge gibt es überhaupt? Woher stammen die Menschen? Welche Routen nehmen sie und wo kommen sie in Deutschland unter? Ein Überblick.

Die AfD im Bundestag stuft die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens als völlig unzureichend ein. „Noch mehr Geld für noch mehr Flüchtlinge wird die Flüchtlingskrise nicht lösen, sondern verlängern“, erklärten die Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla am Donnerstagmorgen in Berlin. „Es ist völlig irrelevant, ob der Bund oder die Länder die finanziellen Lasten der ungebremsten Einwanderung nach Deutschland tragen: Am Ende zahlen die Bürger mit höheren Steuern und Abgaben.“

Weiter erklärten Weidel und Chrupalla, die Ankündigungen zu mehr Migrationspartnerschaften mit Herkunftsländern, einer stärkeren Sicherung der EU-Außengrenzen sowie der deutschen Grenzen wie auch beschleunigter Asylverfahren seien „nichts wert, wenn sie wie in der Vergangenheit nicht umgesetzt werden“. Die AfD forderte: „Die unkontrollierte Einwanderung nach Deutschland muss endlich beendet, die zahlreichen regierungsgemachten Pull-Faktoren abgebaut, die Grenzen kontrolliert und eine groß angelegte Rückführungsoffensive gestartet werden.“ Sonst riskiere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „dramatische soziale Verwerfungen und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“, warnten die AfD-Politiker.

Faeser begrüßt Ergebnisse

Bundesinnenministerin Nancy Faeser(SPD) hat die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens zur Flüchtlingspolitik hingegen begrüßt. „Ich freue mich sehr über die Einigung, die zeigt, dass alle staatlichen Ebenen gemeinsam ihrer großen humanitären Verantwortung gerecht werden“, teilte die SPD-Politikerin am Donnerstagmorgen mit. „Dieses Maßnahmenpaket spiegelt exakt die Grundlinien unserer Flüchtlingspolitik wider: Wir schützen die Menschen, die vor Krieg und Terror geflüchtet sind. Damit wir hierzu weiter in der Lage sind, begrenzen wir die irreguläre Migration.“

Hauptstadt-Radar

Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Berliner Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Faeser betonte: „Uns geht es um eine nachhaltige Entlastung der besonders stark geforderten Kommunen. Wir sorgen jetzt für schnellere, effizientere und vor allem digitale Verfahren.“ Auch die konsequente Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern werde gestärkt. „Wir werden weitere Migrationsabkommen mit Herkunftsstaaten schließen, auch damit diese ihre Staatsangehörigen wieder zurücknehmen, wenn sie kein Bleiberecht haben. Gleichzeitig kontrollieren wir unsere Grenzen viel stärker, als es in einem Europa der offenen Grenzen eigentlich vorgesehen ist.“

Die verstärkten Grenzkontrollen seien notwendig, weil der Schutz der EU-Außengrenzen noch nicht hinreichend funktioniere. „Auch deshalb führe ich mit so viel Nachdruck die Verhandlungen über das gemeinsame europäische Asylsystem. Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen.“

RND/dpa

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken