Darum hat Lulas Ukraine-Vorschlag eine entscheidende Schwäche
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Luiz Inácio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, gibt neben Bundeskanzler Olaf Scholz eine Pressekonferenz in seinem Amtssitz.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Hannover/Berlin. Seinen Antrittsbesuch in Brasilien hatte sich Bundeskanzler Scholz vermutlich anders vorgestellt: Der neue brasilianische Präsident Lula da Silva überrumpelte den SPD-Politiker auf einer Pressekonferenz am Montag mit einem Vorschlag für eine Friedenslösung im Krieg in der Ukraine. Gemeinsam mit den Staaten der BRICS-Vereinigung – allen voran Chinas – wolle Brasilien eine vermittelnde Rolle in dem Krieg einnehmen.
Doch was ist dran am Vorstoß des brasilianischen Präsidenten? Günther Maihold, Vizedirektor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sieht darin den Versuch Lulas, zu Beginn seiner Amtszeit außenpolitischen Aktivismus zu entwickeln. „Lula will Brasilien als zentralen Akteur in der Weltpolitik positionieren“, sagt Maihold im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Zudem erkennt Maihold eine Schwäche in Lulas Vorschlag: Es sei völlig unklar, welches politische Kapital Brasilien für Vermittlungen einsetzen wolle.
„Länder, die in einem Krieg vermitteln wollen, müssen dazu in der Lage sein, Sicherheitsgarantien zu übernehmen“, betont Maihold. Dazu gehöre etwa die Einrichtung einer möglichen entmilitarisierten Zone, aber auch die Überwachung von getroffenen Vereinbarungen. Die Bedingungen dafür sieht er derzeit in Brasilien nicht gegeben.
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Brasiliens Einfluss auf China ist wohl eher gering
Zudem wolle der brasilianische Präsident zwar China einbinden, habe jedoch wohl kaum Einfluss auf die Führung in Peking. „Da könnte die Selbsteinschätzung größer sein als die Realität“, vermutet Maihold. Zudem poche China auf seine selbstbestimmte Rolle in der Weltpolitik. Lulas Möglichkeiten, darauf tatsächlich Einfluss zu nehmen, schätzt der Lateinamerikaexperte gegenüber dem RND als eher eingeschränkt ein.
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Und so gestalte sich auch die Rolle der Vereinigung der BRICS-Schwellenländer. Diesen gehören neben Brasilien und China auch Indien sowie Südafrika an – und eben Russland. Lula zählte in der Pressekonferenz am Montag auch Indonesien dazu. Einige dieser Staaten könnten derzeit daran interessiert sein, ihre „diplomatische Zwickmühle“ aufzuheben, die durch die Nähe zu Russland entstanden ist, erklärt Maihold. Der Versuch, das Thema Vermittlungen stärker auf die weltpolitische Agenda zu bringen, sei möglicherweise ein Schritt in diese Richtung.
Bereits im Syrien-Konflikt wollte Lula vermitteln
Lula da Silva hatte bereits in seiner ersten Amtszeit von 2003 bis 2010 ähnliche Bestrebungen gezeigt. Damals wollte der brasilianische Präsident an der Seite der Türkei im Syrien-Konflikt vermitteln. Aus dem Vorschlag ist damals jedoch nichts mehr geworden. Das Interesse Lulas sei jedoch das gleiche geblieben, meint Lateinamerikaexperte Maihold: „Brasilien sieht sich auch im derzeitigen weltpolitischen Konflikt als Impulsgeber.“
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Bei seiner Amtseinführung am 1. Januar 2023 gestikuliert der neue brasilianische Präsident Lula da Silva aus einem Fahrzeug in die Menge.
© Quelle: IMAGO/Fotoarena
Eine Rolle könnte dabei auch Lulas Chefberater Celso Amorim spielen, der Brasiliens Staatschef bereits in dessen erster Amtszeit als Außenminister zur Seite stand und damals die Syrien-Initiative mit anschob. Zudem vermutet Maihold hinter Lulas Ukraine-Vorstoß eine Umkehr seines früheren politischen Prinzips. Damals habe der brasilianische Präsident seinen damaligen Vorbildcharakter durch die soziale Innenpolitik seiner Regierung auch auf die internationalen Beziehungen ummünzen wollen.
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Lulas Ukraine-Vorstoß: starke Außenpolitik für eine stabile Innenpolitik?
„Heute versucht Lula, sich durch eine starke Außenpolitik auch eine starke innenpolitische Position zu verschaffen“, sagt der SWP-Vizedirektor dem RND. Gleich zu Beginn seiner neuen Amtszeit hatte es der brasilianische Präsident mit einem Aufstand zu tun. Tausende radikale Anhänger des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro hatten am 8. Januar das Regierungsviertel in der Hauptstadt Brasília gestürmt. Lula vermutet einen Plan Bolsonaros dahinter und entließ in den vergangenen Wochen Dutzende Militärs, die dem ehemaligen Staatschef nahestehen sollen.
Brasilien will keine Panzer-Munition an Ukraine abgeben
Schon kurz nach Kriegsbeginn fragt Deutschland bei Brasilien Munition für Gepard-Panzer an. Die werde man nicht liefern, stellt Präsident Lula jetzt klar.
© Quelle: dpa
Nicht zuletzt hat der brasilianische Präsident ein ambivalentes Verhältnis zum Krieg in der Ukraine. Im vergangenen Mai gab Lula dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Mitschuld am Ausbruch des Krieges. Nun gesteht er zumindest ein, dass Russland mit der Invasion „einen klassischen Fehler“ begangen habe. „Lula versteht den Krieg in der Ukraine nach der Devise: Wenn zwei sich streiten, kann nicht nur einer schuld sein“, erklärt Günther Maihold. Mit dieser Ansicht stehe er unter den südamerikanischen Staatschefs nicht allein da. Und daran habe sich zuletzt auch nichts geändert.