Politische Diskussion um Regulierung

Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz: Chance oder Risiko?

Ein Roboter bei den KI-Tagen in Hamburg.

Ein Roboter bei den KI-Tagen in Hamburg.

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Die Bedeutung künstlicher Intelligenz (KI) für den Arbeitsmarkt erinnert an die des maschinellen Webstuhls in der industriellen Revolution. Mit der Webmaschine ließen sich Stoffe im 19. Jahrhundert plötzlich viel schneller und exakter produzieren als zuvor von Hand. Die technische Errungenschaft sorgte für mehr Effizienz, führte allerdings auch zu massiven sozialen Spannungen, die sich in Aufständen und Revolten entluden.

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Künstliche Intelligenz wird Prozesse in vielen Branchen ebenfalls beschleunigen, bei der Arbeit assistieren oder eben manche Aufgaben ersetzen. KI könnte etwa im Gesundheits­bereich Ärzte und Pfleger bei der Bürokratie entlasten. In der Informations­technik (IT) dürfte KI früher oder später das Programmieren teilweise übernehmen. Auch die Arbeit von Dolmetschern wird die Technologie erleichtern – oder sie komplett erledigen. Es scheint kaum einen Anwendungsfall zu geben, bei dem KI nicht bereits zum Einsatz kommt oder bald genutzt werden wird. Den Sprachroboter ChatGPT verwenden sogar Politikerinnen und Politiker, um Reden zu schreiben, wenn auch bislang mit mäßigem Erfolg.

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Manch düstere Prophezeiung liest sich so, Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) aber will beruhigen. Er mahnte jüngst, die Gesellschaft müsse realistisch und nicht ängstlich an das Thema herangehen. Das sagte er bei einer Diskussionsrunde zum Thema in seinem Haus. Er selbst geht davon aus, dass bis 2035 jeder Job mit künstlicher Intelligenz zu tun haben werde.

Dafür ist die Politik, was die Regulierung angeht, spät dran. Die Europäische Union (EU) arbeitet noch immer an einem Rechtsrahmen, am 14. Juni entscheidet das EU-Parlament über seine Position zur geplanten KI-Verordnung. Danach beginnen die Trilog­verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament. Laut ersten Vorschlägen sollen KI-Systeme gemäß ihrem Risiko eingestuft werden. Die Kategorien reichen von minimal über begrenzt bis inakzeptabel. Gewisse Technologien sollen verboten werden können, wenn sie beispielsweise Grundrechte verletzen. Wenn KI Inhalte wie Fotos oder Text weiterverarbeitet, soll offengelegt werden, ob urheber­rechtlich geschütztes Material bei der Entwicklung verwendet wurde.

Nur wer die Grenzen der Künstlichen Intelligenz kennt, kann auch angemessen mit ihr umgehen.

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Führende Hersteller, Experten und Wissenschaftler warnen in einem kurzen Statement vor den Risiken durch künstliche Intelligenz. Die von ihnen entwickelten Programme könnten wie Pandemien und Atomkriege die Menschheit aussterben lassen.

Europa und Deutschland gehen aber nicht völlig unvorbereitet in diese Entwicklung. Der Webstuhl schlug wie eine Bombe in der Arbeitswelt ein, weil es kaum Arbeitsschutz­regeln gab. Deutschland hingegen hat jetzt bereits einen Rechtsrahmen, der Ruhezeiten vorgibt und vor Kündigungen schützt. Der Geschäftsführer der Organisation Algorithm Watch, Matthias Spielkamp, forderte daher bei der Veranstaltung des Arbeits­ministeriums, dass bestehende Auskunfts­pflichten von Unternehmen verschärft werden müssten. Er plädierte für einen informierten Dialog zwischen Beschäftigten und Unternehmen, wenn KI in einem Betrieb eingeführt wird.

Dahinter steckt die Sorge, dass Beschäftigte nicht genügend einbezogen werden könnten. Das befürchtet auch Europa­politiker und CDU-Sozial­experte Dennis Radtke. „Vor allem muss der Einsatz am Arbeitsplatz mit den Betriebsräten gemeinsam organisiert werden“, sagt der Christdemokrat dem RND. Bei Unternehmen ohne Betriebsrat seien individual­rechtliche Vereinbarungen notwendig, die gesetzlich verankert werden müssten.

Es werden auch neue Arbeitsplätze entstehen, aber natürlich wird es auch Verlierer dieser Transformation geben.

Dennis Radtke (CDU),

Sozialexperte

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Radtke ist überzeugt: „Besonders bei standardisierten Verfahren etwa in der Buchhaltung droht durch KI ein massiver Verlust von Arbeitsplätzen. Anders als beim Kohleausstieg ist es bei dieser Art der Transformation ohnehin schwerer kalkulierbar, wann und wer betroffen sein wird“, ergänzt er. „Es werden auch neue Arbeitsplätze entstehen, aber natürlich wird es auch Verlierer dieser Transformation geben.“ So wie die Handweber im 19. Jahrhundert.

KI macht den meisten Deutschen keine Angst

Eine Mehrheit der Deutschen rechnet jedoch nicht damit, dass es sie treffen wird. Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) glauben einer Umfrage der Beratungs­gesellschaft Ernst & Young zufolge, künstliche Intelligenz werde niemals vollständig ihren Job ersetzen können. Für die Studie wurden im April 1000 Menschen in Deutschland befragt. Knapp jeder vierte Befragte stimmte allerdings der Aussage zu, sich Sorgen darüber zu machen, dass Maschinen beziehungsweise Technologie seinen Job erledigen könnten. 43 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass KI ihren Job leichter machen werde.

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Letzteres ist das Szenario, das den Gewerkschaften vorschwebt. „Die wesentliche Frage ist, ob Abläufe und Produktion durch Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz optimiert oder ob Menschen kontrolliert werden sollen“, sagt die Chefin des Deutschen Gewerkschafts­bundes (DGB), Yasmin Fahimi, dem RND. Als Beispiel nennt sie Lieferdienste. Dort sorgten KI und digitale Programme zwar für eine höhere Geschwindigkeit der Fahrer, nicht aber für mehr Verkehrs­sicherheit, kritisiert die Gewerkschafterin. „Wenn solche Entwicklungen korrigiert werden, dann bietet KI große Chancen.“ Insbesondere für die Bekämpfung des Fachkräftemangels sieht Fahimi hier einen Hebel.

Doch, dass manche Beschäftigten sich neu orientieren müssen, steht außer Frage. Es müsse vor allem in Weiterbildungen investiert werden, wie die EU es ebenfalls anregt, fordert CDU-Sozialpolitiker Radtke. „Da braucht es auch in der Wirtschaft ein Umdenken, damit Älteren eine Weiterbildung ermöglicht werden, auch wenn sie nicht mehr lange im Betrieb sind.“

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