Krankenhäuser machen Lauterbach Feuer: Wo bleiben die Energie-Hilfsmilliarden?
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Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, spricht im Landtag in Nordrhein-Westfalen zu einer geplanten Reform bei Krankenhäusern.
© Quelle: Oliver Berg/dpa
Berlin. Die deutschen Krankenhäuser fürchten das Ausbleiben der vom Bund versprochenen Milliardenhilfe für den Ausgleich der gestiegenen Energiekosten. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wirft der Bundesregierung grundlegende Planungsfehler bei dem Hilfsprogramm vor: Der Härtefallfonds sei so konstruiert, dass die meisten Fälle schlicht nicht berücksichtigt würden, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß. „Die versprochenen sechs Milliarden Euro Hilfen für die Kliniken werden zu reinen Schaufenster-Milliarden.“
Das Bundesgesundheitsministerium wies die Kritik zurück: „Die Darstellung der DKG ist nicht korrekt“, erklärte ein Sprecher. Der Bund will den Krankenhäusern laut Krankenhausfinanzierungsgesetz für den Zeitraum von Oktober 2022 bis April 2024 bis zu sechs Milliarden Euro zur Verfügung stellen. 1,5 Milliarden davon sollen als Pauschalzahlungen fließen, abhängig von der Bettenzahl. Den Haken sehen die Kliniken bei der Auszahlung der restlichen bis zu 4,5 Milliarden, die abhängig von den tatsächlichen Energiekosten für jedes Haus individuell berechnet werden sollen.
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Erhoffter Geldregen bleibt bislang aus
Ein Hauptkritikpunkt der Krankenhäuser ist die Wahl des März 2022 als Vergleichsmonat. „Damals hatte der Markt bereits auf den Krieg reagiert, die Preise waren im Vergleich zu 2021 schon stark gestiegen“, sagte Gaß.
„Die Auswahl des Vergleichsmonats März benachteiligt die Krankenhäuser systematisch, da der März grundsätzlich ein sehr energieintensiver Monat ist und der Großteil der Krankenhäuser einen monatlichen Abschlag auf Basis des tatsächlichen Verbrauchs und keinen Jahresdurchschnittsabschlag zahlt“, beklagt auch eine Sprecherin der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft in Stuttgart. „Der März-Abschlag ist also immer ein überhöhter Vergleichswert, egal welches Jahr man betrachtet.“
Laut Gesetz sollten die Krankenhäuser zunächst für die erste Tranche der Hilfszahlungen die Energiekosten der drei Monate Oktober bis Dezember 2022 ermitteln und diese mit den Energiekosten des März 2022 vergleichen.
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© Quelle: Reuters
Die DKG geht davon aus, dass allein im Rahmen dieser ersten Tranche bundesweit über 710 Millionen Euro ausgezahlt werden könnten, sofern die 4,5 Milliarden über die Laufzeit des Hilfsprogramms bis ins Jahr 2024 gleichmäßig verteilt werden. Tatsächlich waren es nach Daten des Bundesamts für Soziale Sicherung bis zum 27. Februar 36,7 Millionen Euro. Die DKG zieht daraus den Schluss, dass nur fünf Prozent der möglichen Summe ausgezahlt wurden.
DKG-Chef: „Insolvenzen drohen“
Zweiter Kritikpunkt ist, dass laut Gesetz nur die Kosten von Strom, Gas und Fernwärme ersetzt werden können, andere Brennstoffe wie Heizöl oder Holzpellets sind nicht genannt.
„Die Kliniken haben keine Chance, die versprochenen Hilfen abzurufen“, kritisiert DKG-Vorsitzender Gaß. „Aber nicht, weil die Kostensteigerungen geringer wären als erwartet, sondern weil der Härtefallfonds so konstruiert ist, dass die meisten Fälle schlicht nicht berücksichtigt werden.“
Abgesehen davon wirft die DKG dem Bund vor, alle anderen inflationsbedingten Kostensteigerungen außen vor gelassen zu haben. „Insolvenzen drohen, und das, obwohl Minister Lauterbach explizit versprochen hat, dass keine Klinik wegen gestiegener Energiepreise und der Inflation in Gefahr geraten wird“, sagt der DKG-Chef Die DKG fordert schnelle Abhilfe.
Gesundheitsministerium weist Kritik zurück
Das Bundesgesundheitsministerium hält die Kritik für nicht gerechtfertigt. Die Krankenhäuser profitierten zum einen von der allgemeinen Energie- und Strompreisbremse, heißt es im Ressort von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Zusätzlich würden die Krankenhäuser im Gegensatz zu anderen Branchen dadurch bevorzugt, dass indirekte Energiekosten pauschal ausgeglichen würden. „Drei Tranchen von insgesamt 1,5 Mrd Euro fließen bis Ende März an die Krankenhäuser sicher ab“, erklärte ein Sprecher.
Was das von den Krankenhäusern so scharf kritisierte Berechnungsverfahren für die übrigen 4,5 Milliarden betrifft, so betont das Ministerium: „Auch hier werden die Krankenhäuser im Gegensatz zu anderen Branchen bessergestellt.“ Die erste Tranche sei bereits ausgezahlt worden, weitere sollen folgen. „Klar ist aber, dass nicht allgemeine Kostensteigerungen ausglichen werden, sondern nur zusätzliche Energie- und Stromkosten, die durch den Ukraine-Krieg bedingt sind“, erklärte ein Sprecher.
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Drei Länder fordern Rechtsgutachten an
Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wollen nun die geplante Krankenhausreform auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Das kündigte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) an. Die drei Landesregierungen haben dafür an der Augsburger Universität ein Rechtsgutachten angefordert.
Die Länder wollen wissen, ob durch die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angestrebte Reform zu weit in die Kompetenz der Bundesländer hineinregiert wird. „Krankenhausplanung ist Ländersache“, sagte Holetschek. Natürlich gebe es eine Verzahnung zwischen Planung der Kliniken und der Vergütung. „Wir wollen wissen, wo die rote Linie ist, ab der der Bund die verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Länder verletzt“, erklärte der bayerische Gesundheitsminister.
Die bayerische Landtags-SPD kritisierte die Auftragsvergabe für das Gutachten. Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann meinte, Länder und Bund hätten sich auf eine gemeinsame Krankenhausreform verständigt. Holetschek gebe also „ein Gutachten gegen seinen eigenen Entwurf in Auftrag“, sagte sie. „Außerdem stellt sich die Frage, was so ein Gutachten überhaupt untersuchen soll, denn den Gesetzentwurf gibt es ja noch gar nicht, sondern er wird derzeit bis Ende Juni gemeinsam von Bund und Ländern erarbeitet.“
Die Pläne der Ampel-Koalition in Berlin zielen darauf ab, das gewachsene Kliniknetz in drei Versorgungsstufen einzuordnen und entsprechend zu finanzieren - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Unikliniken.
Das Ländergutachten soll der Juraprofessor Ferdinand Wollenschläger erstellen. Er ist Ordinarius für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Uni Augsburg.
RND/dpa