Selenskyj: „Goliath muss verlieren“ – Scholz betont deutsche Verantwortung in Europa und Nato
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Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, nimmt per Videoschalte an der Sicherheitskonferenz teil. Die 59. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) findet vom 17. bis zum 19. Februar 2023 im Hotel Bayerischer Hof in München statt.
© Quelle: Felix Hörhager/dpa
Hannover/München. Am Freitag ist die Münchner Sicherheitskonferenz mit Reden des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eröffnet worden.
Selenskyj hat in seiner Rede die Bedeutung der westlichen Unterstützung seines Landes mit Waffenlieferungen unterstrichen und mehr Geschwindigkeit gefordert. „Wir müssen Goliath besiegen, der unser Leben zerstören will. Das betrifft uns alle, nicht nur ‚David am Dnipro‘“, sagte der ukrainische Staatschef mit Blick auf das Motto der Podiumsdiskussion am Freitag in München.
Selenskyj hofft auf israelisches Flugabwehrsystem
„David zu sein bedeutet, zu kämpfen. Und wir kämpfen. David zu sein bedeutet, dass man gewinnen muss“, sagte Selenskyj. Dafür brauche sein Land aber eine „Steinschleuder“. Das israelische Flugabwehrsystem „Davids Schleuder“ habe sein Land zwar noch nicht bekommen, er glaube aber, dass sich das noch ändern könne, so Selenskyj. Allen Ländern, die die Ukraine bisher mit Waffen unterstützt haben, dankte er.
„Der russische Goliath hat bereits angefangen zu verlieren“, sagte der Präsident der Ukraine. Und der „Goliath“ werde noch in diesem Jahr fallen, fügte er hinzu. Dafür brauche es aber weiterhin die Entschlossenheit der Verbündeten seines Landes „in jedem Teil der Welt, in dem die Freiheit mehr geschätzt wird als die Stärke eines Tyrannen“. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz im vergangen Jahr – die nur vier Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine endete – habe er die Entschlossenheit des Westens noch nicht gespürt. Leider habe er diese erst bekommen, nachdem die russischen Panzer bereits die Grenze der Ukraine überquerten, sagte Selenskyj.
David hat Goliath nicht nur durch Entschlossenheit besiegt, sondern durch seine Tat und seinen Mut – und mit seiner Steinschleuder.
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine
Ukraine-Präsident Selenskyj fordert schnelle Einigung auf weitere Waffenlieferungen
„Goliath darf keine Chance haben“, forderte der ukrainische Präsident. Russland versuche zwar aktuell, sich Zeit zu erkaufen. Aber deshalb brauche es nun schnelle Einigungen auf Waffenlieferungen, um das „russische Potenzial zu beschränken“, so Selenskyj. „Denn davon hängt unser Leben ab.“ Verzögerungen seien bisher immer schädlich gewesen.
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Zudem sei es „an der Zeit“, dass die Ukraine vollwertiges Mitglied der Europäischen Union und der Nato werde, forderte der Präsident. Auch dazu gebe es keine Alternative. „David hat Goliath nicht nur durch Entschlossenheit besiegt, sondern durch seine Tat und seinen Mut – und mit seiner Steinschleuder.“ Diese müsse „noch stärker“ werden, forderte Selenskyj.
Scholz betont Deutschlands sicherheitspolitische Verantwortung
Bundeskanzler Olaf Scholz wandte sich zu Beginn seiner Rede an den ukrainischen Präsidenten: „Lieber Wolodymyr, wir hätten dich heute sehr gern in unserer Mitte gehabt.“ Die Ukraine gehöre in ein „freies, geeintes Europa“, so der Kanzler. Aber man verstehe, dass Selenskyjs Platz aktuell in Kiew sein müsse.
Scholz hat zudem die Verantwortung Deutschlands in Europa und dem Bündnisgebiet der Nato bekräftigt. „Deutschland bekennt sich zu seiner Verantwortung für die Sicherheit Europas und des NATO-Bündnisgebietes – ohne Wenn und Aber“, sagte er in seiner Rede in München. Berlin sei auf den vergangenen Konferenzen in der bayerischen Landeshauptstadt oftmals für seine Zurückhaltung kritisiert worden. Er teile die Ansicht, dass die Bundesrepublik ihrer sicherheitspolitischen Verantwortung gerecht werden müsse – und wolle dies einlösen, so Scholz.
Je früher Präsident Putin einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Dazu schicke die Bundeswehr eine weitere Brigade zum Schutz des Nato-Partners Litauen, beteilige sich an der Luftraumüberwachung in Polen sowie der Slowakei, schütze kritische Infrastruktur in Nord- und Ostsee und führe die Nato-Speerspitze mit 17.000 Soldatinnen und Soldaten an. „Um das – und künftig noch mehr – leisten zu können, machen wir Schluss mit der Vernachlässigung der Bundeswehr“, so der SPD-Politiker. „Deutschland wird seine Verteidigungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben.“
Scholz setzt sich für Leopard-Lieferungen an die Ukraine ein
Zudem betonte Scholz die Geschlossenheit Europas. Man stehe gemeinsam hinter einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine, sagte der Bundeskanzler. Und auch die Unterstützung Deutschlands für das Land werde fortgesetzt, „so umfangreich und solange wie nötig.“ Putins Krieg hingegen hätten bereits viele junge Russen mit ihrem Leben bezahlt, andere hätten dem Land den Rücken gekehrt.
„Je früher Präsident Putin einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende“, stellte Scholz in Aussicht. Dies sei nicht nur das Ziel der Ukraine, sondern es werde auch „in großer europäischer, transatlantischer und internationaler Einigkeit“ verfolgt.
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Mit Blick auf Waffenlieferungen forderte Scholz die Verbündeten zur Lieferung deutscher Kampfpanzer des Typs Leopard 2 auf. Es sei nun wichtig, „dass alle, die solche Kampfpanzer liefern können, dies nun auch wirklich tun“, so der Bundeskanzler. Er kündigte an, dass sowohl er selbst als auch Bundesaußenministern Annalena Baerbock (Grüne) sowie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sich dafür in München einsetzen würden. „Was Deutschland beitragen kann, um unseren Partnern diese Entscheidung zu erleichtern, das werden wir tun: etwa indem wir ukrainische Soldaten hier in Deutschland ausbilden oder bei Nachschub und Logistik unterstützen.“
Bundeskanzler will globalem Süden mehr Mitsprache einräumen
Der Bundeskanzler unterstrich zudem, dass Europa sowohl militärisch als auch wirtschaftlich an einem Strang ziehen müsse. Besonders bei der Rüstungspolitik müsse man stärker im Verbund vorgehen. Das sei ein Schritt hin zu einem „geopolitisch handlungsfähigeren Europa“. Auch deshalb müsse man mehr dafür tun, um Konflikte in der Nachbarschaft zu lösen.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf der 59. Münchener Sicherheitskonferenz.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Nicht zuletzt betonte Scholz, dass nicht nur das Militärische dabei wichtig sei, sondern eine allgemeine Resilienz Europas, etwa auch in Wirtschaftsfragen. Dazu müsse man „einseitige, riskante Abhängigkeiten beenden und unsere politischen und wirtschaftlichen Beziehungen breiter und robuster aufstellen“. Deutschland wisse, wovon es rede, weil man sich in den vergangenen zwölf Monaten von der Abhängigkeit von russischen Energien gelöst habe.
Scholz wolle dabei in Zukunft zunehmend auch auf größere Beteiligung von Staaten in Lateinamerika, Asien und Afrika setzen. Diesen Regionen müsse größere politische Mitsprache eingeräumt werden. „Auch deswegen bin ich übrigens im vergangenen Herbst nach Peking gereist“, verriet der Bundeskanzler. „Bei der Verteidigung bestimmter Grundprinzipien der internationalen Ordnung sind alle gefordert – auch China.“ Deshalb sei er froh, dass der chinesische Präsident Xi damals gesagt habe, er stelle sich klar gegen jede Drohung mit Atomwaffen oder deren Einsatz im Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Zur weltweit wichtigsten Expertenkonferenz zur Sicherheitspolitik werden 40 Staats- und Regierungschefs, fast 100 Minister und weitere Politiker und Experten aus insgesamt 96 Ländern erwartet. Dazu zählen Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Vizepräsidentin Kamala Harris, der französische Präsident Emmanuel Macron, der polnische Präsident Andrzej Duda, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi. Es ist die erste Sicherheitskonferenz seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.