Russlands Vertreter sind nicht eingeladen

Auftakt der Münchner Sicherheits­konferenz: Der Krieg überschattet alles

Bundes­kanzler Olaf Scholz spricht auf der Sicherheits­konferenz.

Bundes­kanzler Olaf Scholz spricht auf der Sicherheits­konferenz.

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München. Die Bilder haben keine Farbe. Die Fotos mit den zerstörten Städten in der Ukraine, Toten auf der Straße, schwer verletzten Soldaten und weinenden Kinder sind schwarz-weiß. Zum Auftakt der dreitägigen Münchner Sicherheitskonferenz mit 700 offiziellen Gästen aus aller Welt – außer aus Moskau – werden am Freitag düstere Szenen seit dem russischen Überfall am 24. Februar 2022 auf die Ukraine an die große Wand der Bühne geworfen. Der Pianist Samson Tsoy begleitet die Bilder mit Musik des Komponisten Franz Schubert.

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Wie schon damals ist der Angriff auf das Land das beherrschende Thema. Dies gilt in erster Linie für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der per Video zugeschaltet ist. Es gilt aber nicht minder bei denen, die ihm folgen: Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

„Goliath muss verlieren“

In Selenkyjs Erzählung ist der Kampf gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wie die biblische Geschichte von David gegen Goliath. „Wir müssen Goliath besiegen“, sagt er. „Wir sind gemeinsam der David der freien Welt.“

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In Wahrheit ist der versammelte Westen natürlich selbst ein Goliath. Aber Selenskyj will allen klarmachen, dass es noch sehr viel mehr Waffen und Munition aus dem Westen brauche, damit die Ukraine Russland besiegen kann. „Wir brauchen Geschwindigkeit, denn davon hängt unser Leben ab“, mahnt er.

Und wenn Putin nicht gestoppt werde, dann werde der Westen selbst keine ruhige Minute mehr haben. „Goliath muss verlieren“, ruft Selenskyj. Ja, er treibt die westlichen Staaten vor sich her. So spricht Selenskyj erneut die Lieferung von Kampf­flugzeugen an. „Während wir noch über Kampf­flugzeuge nachdenken, ist der Kreml schon weiter“, sagt er. Scholz entgegnet später, um Kampf­flugzeuge gehe es im Moment nicht.

Auftakt der Münchner Sicherheits­konferenz: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“
Kristina Dunz

Die stellvertretende Leiterin des RND-Hauptstadtbüros, Kristina Dunz, ordnet den Beginn der 59. Münchener Sicherheitskonferenz ein.

Ein U-Boot und Kriegsschiffe der russischen Schwarzmeerflotte liegen vor Anker in der Hafenstadt die ein Symbol der Verteidigung der Krim als uneinnehmbarer Festung ist. Sanktionen und hohe Preise, aber auch Großprojekte und Hoffnung: Fünf Jahre nach der Annexion der Krim baut Russland seine Macht auf der Schwarzmeer-Halbinsel aus. (zu dpa-Story: «Russisches» Leben auf der Krim) +++ dpa-Bildfunk +++

Ist die Krim verhandelbar?

Russlands Angriff auf die Ukraine hat nicht erst im Februar 2022 begonnen, sondern schon 2014 mit der gewaltsamen Annexion der Schwarzmeer­halbinsel Krim. Die russische Vergangenheit der Krim lässt immer wieder die Frage aufkommen, ob man Moskau die Halbinsel nicht einfach im Zuge von Verhandlungen zugestehen sollte. Vieles spricht auch dagegen. Nicht zuletzt das Völkerrecht.

Scholz: Es gibt keine Blaupause

Stattdessen verurteilt der Kanzler zunächst zwar in sehr deutlichen Worten das russische Vorgehen. „Putins Revisionismus wird nicht siegen, im Gegenteil“, sagt er und fährt mit Blick auf die Ukraine fort: „Wir unterstützen sie, so umfangreich und so lange wie möglich.“ Deutschland tue das im Übrigen längst – mit rund 12 Milliarden Euro allein im vergangenen Jahr, mit mehr Waffen als aus jedem anderen Land in Zentral­europa sowie als Heimstatt für über eine Million Geflüchtete.

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Der SPD-Politiker mahnt aber auch, nötig sei eine Balance – zwischen bestmöglicher Unterstützung der Ukraine einerseits und der Vermeidung einer ungewollten Eskalation andererseits. Dies sei der Angriffskrieg einer Atommacht. „Für das, was in dieser Lage zu tun ist, gibt es keine Blaupause.“

Schließlich gönnt sich der deutsche Regierungschef eine Prise Genugtuung. Wochenlang war er ja als derjenige gescholten worden, der nicht bereit sei, Kampfpanzer zu liefern. Jetzt fordert er, diejenigen, die vorher Kampfpanzer­lieferungen gefordert oder angekündigt hätten, müssten „dies auch wirklich tun“. Als Scholz später abermals auf das Thema angesprochen wird, lächelt er sein Olaf-Scholz-Lächeln.

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Frankreich geht seinen eigenen Weg

Dann ist Macron an der Reihe. Er ist sich mit Scholz in der Verurteilung des russischen Angriffs ebenso einig wie in der Überzeugung, dass Europa mehr in seine Rüstung investieren sollte. Frankreich sagt aber Sätze, die Scholz so nicht sagt – wie etwa den: „Niemand kann die Geografie Russlands verändern; Russland wird immer Teil Europas sein.“ Deshalb müssen man auch „den Dialog wieder betreiben – da, wo wir es können“.

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Im Übrigen wäre Macron nicht Macron, wenn er nicht ganz eigene Akzente setzen würde. „Ich wünsche mir, dass wir noch einmal den nuklearen Charakter des Bündnisses unterstreichen“, sagt er gemünzt auf die Nato – und erinnert an die atomare Bewaffnung Frankreichs und Großbritanniens. Auch beklagt das Staatsoberhaupt aus Paris, dass Europa in das Ringen der ehemaligen Supermächte um atomare Mittelstrecken­­waffen gar nicht einbezogen worden sei. Das müsse künftig anders werden. Nötig sei zudem eine Konferenz über Flugabwehr in Europa – „mit allen Partnern, die Lösungen anzubieten haben“. Die Botschaft war offenbar: Frankreich geht seinen eigenen Weg, sein Präsident erst recht.

Als Macron redet, ist Scholz nicht da – und umgekehrt

Dazu passt, dass Scholz und Macron einander auch in München aus dem Weg gehen. Als Macron redet, ist Scholz nicht da – und umgekehrt. Sie haben andere Termine am Rande der Konferenz, versuchen hinter den Kulissen, die Gemeinschaft zusammen­zuschweißen – obwohl es gerade im deutsch-französischen Verhältnis seit Monaten rumpelt.

Der russische Unternehmer Michail Chodorkowski, den Putin vor Jahren ins Gefängnis warf, ist derweil froh, dass Konferenzchef Christoph Heusgen keine offiziellen russischen Vertreter nach München eingeladen hat. „Es ist die absolut richtige Entscheidung. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass einer von ihnen in dieser Lage hier auftreten würde“, sagt er dem RND. Auf die Frage, wie er Heusgens Ruf nach einer „Deputinisierung“ Russlands analog zur Denazifizierung Deutschlands beurteilt, antwortet Chodorkowski: „Wir werden viele Jahre brauchen, um das zu reparieren, was Putin in den letzten 20 Jahren in den Köpfen der Bürger angerichtet hat.“

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