Scholz, der Großmeister der Zögerlichkeit
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rühmt sich nicht gerade mit seiner Kommunikation.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Der Satz „Er vermied eine klare Stellungnahme“ ist in Varianten immer wieder zu lesen, wenn Bundeskanzler Scholz etwas gesagt hat. Zuletzt war das in dieser Woche in Davos der Fall, als die politische und ökonomische Weltelite auf ein Zeichen des Bundeskanzlers wartete, ob Deutschland bereit ist, Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Auch sein seelenruhig absolvierter Brauereibesuch am Montag in Ulm sorgte für Staunen – wartete die nationale und internationale Öffentlichkeit doch auf den Namen des neuen Verteidigungsministers. Keine Kleinigkeit. Zumal der Kanzler viel zu lange an seiner offensichtlich ungeeigneten Verteidigungsministerin festgehalten hatte. Immerhin geht es um die Verteidigungsfähigkeit von Europas größter Nation in einer Zeit, in der Russland Krieg führt.
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Es gibt immer viele gute Gründe, warum sich ein Regierungschef nicht sofort zu allem präzise äußern kann. Was Scholz aber auch vermeidet, ist eine verbindliche Kommunikation, in der er die Richtung vorgibt und um Verständnis für Entscheidungsprozesse wirbt. Insbesondere mit dem Nachbarn Frankreich hat diese Art der Kommunikation schon zu reichlich Verstimmung geführt. Die atmosphärischen Störungen zwischen Berlin und Paris schwächen die EU in einer sensiblen Phase des Kriegs, in der Europa besonderen Zusammenhalt demonstrieren müsste.
Missverständlich und minimalistisch
Der Bundeskanzler lässt national und international immer wieder den Eindruck entstehen, als sei er ein Großmeister der Zögerlichkeit – insbesondere wenn es um die Waffenlieferungen an die Ukraine geht. Das müsste nicht so sein. Denn Deutschland gehört zu den größten Waffenlieferanten und Geldgebern für die Ukraine. Dass der Kanzler dennoch immer wieder als Getriebener dasteht, liegt auch an seiner oftmals schwachen Argumentation, vor allem an seiner minimalistischen Kommunikation. In der Politik ist die Kommunikation nun einmal die halbe Miete.
Der bisherige deutsche Kurs in der westlichen Allianz für die Ukraine war im Stil oft missverständlich und holperig, in der Sache aber richtig. Deutschland unterstützt die Ukraine nach Kräften und vermeidet dabei jedes Kriegsgeheul.
Mit der erwarteten russischen Frühjahrsoffensive wird Deutschland noch eine Schippe obendrauf legen müssen. Es wird nicht mehr ausreichen, sich mit dem US-Präsidenten abzustimmen oder sich wahlweise hinter ihm zu verstecken wie in der Frage der Leopard-Panzer. Scholz wird mehr Kraft in die europäische Allianz investieren müssen. In Zeiten wie diesen darf zwischen Deutschland und Frankreich kein Blatt Papier passen. Bei Scholz’ Besuch am Sonntag in Paris mit seinem Kabinett und 100 Bundestagsabgeordneten muss die Chance ergriffen werden, wieder enger zusammenzukommen.
Deutschland kann sich kein Zögern mehr leisten
Besonnenheit ist richtig, aber Zögerlichkeit werden sich Deutschland und Europa nicht mehr leisten können, wenn die EU weiter Putin die Stirn bieten will. Daher wird sich Scholz im Gleichschritt mit Macron an die Spitzen der vielen weiteren notwendigen europäischen Initiativen setzen müssen, damit er am Ende sein Minimalversprechen einlösen kann: Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren.
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Dafür wird der Kanzler auch seinem Verteidigungsminister Boris Pistorius eine längere Leine lassen müssen, als er diese der Vorgängerin gewährte. Der Neue muss einen Kaltstart hinlegen. Was der Bundeswehr fehlt, ist in den vergangenen Jahren immer wieder hinreichend beschrieben und beklagt worden. Es ist Zeit, die Reformen mit schneller Wirksamkeit in Gang zu bringen und das Sondervermögen so einzusetzen, dass es der Zeitenwende gerecht wird. Und der Verteidigungsminister sollte so auf Posten sein, dass er mindestens so sichtbar und eigenständig ist wie die Außenministerin.