Das Comeback der russischen Uniform-Apparatschiks
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Sie stehen für die Serie von russischen Niederlagen – feiern jetzt aber ihre politische und militärische „Wiederauferstehung“: Sergej Schoigu (l), Verteidigungsminister von Russland, und Waleri Gerassimow, Chef des Generalstabs von Russland.
© Quelle: Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kr
Die Kämpfe um die kleine ukrainische Stadt Soledar, deren Einnahme die Söldner der russischen Wagner-Gruppe bereits am Dienstag gemeldet hatten, dauern nach übereinstimmenden Meldungen aus Kiew und Moskau unvermindert an.
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„Mehr als 100 Russen auf einmal sind im Gebiet Soledar in die Hölle geschickt worden“, teilte die ukrainische Militärführung am Donnerstag mit. Die ukrainischen Streitkräfte hätten dank einer koordinierten Arbeit gemeinsam mit der Artillerie und den Raketentruppen mehr als 100 russische Kämpfer getötet und ihre Technik zerstört, hieß es.
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Ein Video soll aber russische Wagner-Söldner unter ukrainischem Beschuss zeigen. Der Kreml in Moskau hatte von einer „positiven Dynamik“ gesprochen, aber erklärt, eine offizielle Bestätigung zur Einnahme von Soledar abzuwarten. Alle Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Zum wiederholten Mal hat Russland jetzt sein militärisches Oberkommando in der Ukraine ausgetauscht. Vorausgegangen war dem eine Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin, in der er die Lage in den besetzen Gebieten als „schwierig“ bezeichnet hatte.
Daraufhin teilte das Moskauer Verteidigungsministerium mit, dass Generalstabschef Waleri Gerassimow den Oberbefehl der russischen Streitkräfte in der Ukraine übernehme. Der bisherige Oberbefehlshaber Sergej Surowikin werde einer von drei Stellvertretern Gerassimows – und rückt damit nach nur drei Monaten an der Spitze ins zweite Glied.
„General Armageddon“ und die Bombardierungen in Syrien
Surowikin, von russischen Militärbloggern auch bewundernd „General Armageddon“ genannt, war für die brutale Bombardierung von Zivilisten in Syrien verantwortlich. Erst im Oktober war er nach einer Reihe von Niederlagen der russischen Truppen zum Oberbefehlshaber in der Ukraine ernannt worden. Offensichtlich hat er das von Putin in ihn gesetzte Vertrauen wieder verloren.
Selbst im Ausland war er für den von ihm vorgeschlagenen und maßgeblich organisierten Rückzug der russischen Streitkräfte Anfang November aus der ukrainischen Stadt Cherson gelobt worden. Das war zwar ein schwerer Rückschlag für den Kreml, doch anders als zuvor mit geringen menschlichen Verlusten bezahlt. Seitdem gibt es kaum noch Bewegung an der Frontlinie. Surowikin wurde aber auch zum Sündenbock für eine Serie militärischer Fehler gemacht, zum Beispiel für den verheerenden ukrainischen Angriff auf eine Kaserne, bei dem zu Neujahr mindestens 89 russische Soldaten getötet worden waren.
Gefechte um Bachmut und Soledar: Schwere Kämpfe in der Ostukraine dauern an
Im Osten der Ukraine wird weiter heftig gekämpft. Im Donbass und in der Region Charkiw sind zahlreiche Ortschaften unter Beschuss.
© Quelle: Reuters
Der geschasste General galt als Favorit der „Siloviki“, wie die aus Geheimdienst- und Militärkreisen stammende russische Führungselite bezeichnet wird, die vielfach bereits in der Sowjetdiktatur ihre Karriere begann und der ein abgrundtiefes Misstrauen dem Westen und demokratischen Strukturen gegenüber nachgesagt wird.
Die „Siloviki“, das Wort bedeutet „Kraft“ oder „Stärke“, sind Putins wichtigste Stützen. Immer wieder soll Surowikin mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu aneinander geraten sein, wie die amerikanische Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) analysiert. Zudem wird ihm unterstellt, an Schoigu und Gerassimow vorbei mit Putin konferiert zu haben.
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Mit der Ernennung Gerassimows soll nun, so die „ISW“-Analyse, der Einfluss der „Siloviki“ eingeschränkt werden. Gerassimow, 1955 in Kasan geboren, gilt als Verfechter der hybriden Kriegsführung. Er unterstützte auch den ursprünglichen Invasionsplan, der eine schnelle Eroberung Kiews und einen Sieg nach wenigen Tagen vorsah – das Ergebnis ist bekannt: Das russische Militär erlitt eine desaströse Niederlage.
Erinnerung an sowjetische Zeiten
Wie Schoigu erinnert auch die Personalie Gerassimow an sowjetische Zeiten: Beiden wird ein eher starres Denken nachgesagt, sie sind Vertreter des Typs Apparatschik, Apparatschiks in Uniform, eingebettet und gewöhnt an strenge Hierarchien und gewohnt, detaillierte Befehle zu erteilen und entgegenzunehmen, während Surowikin eher unkonventionell arbeitete. Linientreue Bürokraten eben.
Ich glaube nicht, dass das daran liegt, dass Surowikin als Versager angesehen wird.
Rob Lee,
Foreign Policy Research Institute
„Ich glaube nicht, dass das daran liegt, dass Surowikin als Versager angesehen wird“, schreibt der amerikanische Militärexperte und Ex-Marine Rob Lee vom Foreign Policy Research Institut auf Twitter. Vermutlich spielen militärische Erwägungen bei dem Personalwechsel nur eine Nebenrolle, vielmehr sei „sicherlich möglich, dass dahinter politische Gründe stehen“, so Lee. Das Verteidigungsministerium beanspruche mit dem Wechsel ganz grundlegend wieder die Kontrolle über die Kriegsführung.
Mit Material von dpa und AP